[Lizenzen] Musik-Erstellung und Nutzung
Thomas Uwe Gruettmueller
sloyment@gmx.net
Thu, 27 Sep 2001 10:46:50 +0200
Hallo!
In Mail Nr.23 vom Sat, 8 Sep 2001 01:41:50 +0200
fragte Volker Grassmuck:
> Thomas, Dein Vorschlag geht ja schon in die Richtung, wenn Du
> "perform the Work publically, record the Work, play the Work
> on radio" einbeziehst. Vielleicht wäre es nicht schlecht, wenn
> Du uns erzählst, wie Ihr Musik macht und wie Ihr Euch die
> Nutzungen der Musik vorstellt, für die Ihr eine Lizenz sucht,
> erstmal noch nicht in lizenzvertraglichen, sondern in
> alltagsverständlicheren Worten.
(Leider kann ich nicht per Reply antworten, da aus meinem Archiv
einige Mails verlorengegangen sind)
Inhalt:
1. Bastelmusik
2. Nutzung
3. Sportmusik
4. Zukünftige Projekte
1. Bastelmusik
Die meiste meiner Musik habe ich um 1997, 98 herum gemacht.
Dabei handelt es sich um völlig am Computer zusammengebastelte
Stücke.
Verwendet habe ich dafür sog. Tracker (Rastersequencer), welche
nichts weiter tun, als Samples nach einem Zeitplan
zusammenzumischen und dabei lediglich die Tonhöhe, die
Lautstärke und das Panning der Samples zu verändern.
Dies ist zwar, verglichen mit MIDI oder Cubase, relativ
beschränkt, bietet jedoch (abhängig vom verwendeten Tracker)
einige Vorteile:
o Das Abspielen erfolgt rein softwaremässig, d.h. es werden
keine Wavetablekarten oder Synthesizer benötigt. Dadurch
klingt das Stück auf allen Rechnern gleich.
o Das Abspielen erfolgt zeitunabhängig, d.h. wenn z.B. bei einer
billigen Soundkarte die Samplingrate nicht stimmt, laufen
lange Samples trotzdem synchron.
o Das Format der Trackermodule ist offengelegt, so daß es
inzwischen 100% kompatible Tracker und MOD-Player unter der
GPL gibt.
Ursprünglich dienten Tracker dazu, die Begleitmusik zu
Amiga-Spielen zu schreiben; auf dem PC hingegen fanden sie
(mangels guter Spiele) nur in der Demo-Szene Verwendung.
Auf Tracker bin ich dadurch gestossen, da normale WAV-Editoren
zwar hervorragende Möglichkeiten bieten, etwas Chaotisches zu
machen, aber zu wenige, etwas Melodisches zu machen. Zufällig
habe ich in einem Buch etwas über Tracker gefunden... D.h. ich
mache weder Spiele- noch Demo-Musik. Auf
http://www.tu-bs.de/~y0014499/Musik habe ich zwei Beispiele
abgelegt: ein uraltes WAV-Editor-Gemische, sowie mein letztes
Tracker-Stück (incl. Sourcecode)
2. Nutzung
Zu der Entstehungszeit der meisten meiner Stücke hatte ich noch
nichts von freier Software gehört, jedoch war es mir schon
wichtig, freie Dateiformate zu verwenden.
Die Stücke werden gut verbreitet, und zwar, ohne daß ich
(mit Ausnahme von zwei Stücken, die experimentell unter die GPL
gestellt habe) dazu die erforderlichen Nutzungsrechte eingeräumt
hätte. (z.B. hat ein Kommilitone an meiner Uni zufällig an einer
anderen Uni vom Zimmernachbarn meines Schulfreundes eine Kopie
bekommen.) Man sieht also deutlich, daß die überwiegende
Mehrheit der Bevölkerung das Urheberrecht nicht akzeptiert.
Nachdem ich mich aber in den letzten 1 1/2 Jahren mit den
Prinzipien freier Software auseinandergesetzt habe, finde ich es
nicht mehr zeitgemäß, die Verbreitung meiner Stücke nicht
ausdrücklich zu erlauben, sondern lediglich zu tolerieren. Das
Verbreiten sollte stattdessen legal möglich sein!
Ebenso möchte ich auch *alle* anderen Handlungen erlauben, die
ohne meine Zustimmung verboten sind (z.B. Änderung,
Rundfunksendung usw.). Die einzigen sinnvollen Einschränkungen
sehe ich in solchen, die ein Copyleft implementieren, d.h. die
Freiheit von Derivaten erzwingen.
Ich werde, sobald wenn eine geeignete Lizenz vorliegt und ich
meine Stücke unter diese gestellt habe, zwar sicher auch andere
Leute ermutigen, ebenfalls dies zu tun. Ich bin aber, anders als
bei Software, nicht der Meinung, jede Musik in diesem Maße frei
sein sollte. Dies sollte jeder Musiker selbst entscheiden. Von
Musik wird man im Gegensatz zu Software nicht abhängig,
allenfalls emotional. Daher ist es nicht so wichtig, ob jegliche
Musik frei ist. Desweiteren kann man nicht bestehende unfreie
Musik nicht durch freie ersetzen, so daß jene unfreie nie
überflüssig wird.
Was ich persönlich gern mal ausprobieren möchte, ist, in wieweit
eine kleinschrittige Bastelmusik-Erstellung nach dem Motto
"Release early, release often" möglich ist. Trackermusik bietet,
aufgrund der Ähnlichkeit zu Software, gute Voraussetzungen. Für
ein solches Experiment muß die geeignete Lizenz zunächst aber
erstmal existieren.
3. Sportmusik
Neben der Bastelmusik, die wie Software von der ersten Note bis
zur fertigen Aufnahme am Computer gebastelt wird, gibt es
natürlich die herkömmliche Form von Musik, die mit
Echtzeitinstrumenten gespielt wird. Der Sinn einer solchen
Aufführung kann nicht darin liegen, einen möglichst guten Sound
zu erzielen; dies geht in Nicht-Echtzeit viel besser. Vielmehr
liegt er IMHO darin, das Spielen von Echtzeitinstrumenten zu
beherrschen, was Geschicklichkeit erfordert, sowie eine
eindrucksvolle Show vorzuführen.
Eine musikalische Aufführung hat also den Charakter einer
Funsportart, d.h. einer schwer bewertbaren körperlichen
Ertüchtigung (so wie angekettet Basketball spielen,
Telefonbücher zerreissen oder mit Mopeds einen moddrigen Berg
hochknattern). Ich erinnere mich im Zusammenhang mit dieser
Überlegung vor allem an ein Konzert, bei dem jemand hinter
seinem Kopf einhändig Gitarre gespielt hat.
Eine Lizenz für freie Musik sollte also auch live gespielte
berücksichtigen und nicht allein auf Bastelmusik beschränkt
sein. Das Aufführungsrecht nicht einzuräumen ist dabei schon ein
Schritt in die verkehrte Richtung.
Insofern freie Musik für Aufführungen verwendet wird, sind
kleine, feste Bands nicht mehr nötig. Es wäre denkbar, daß sich
grössere, lose Gruppen bilden, Music User Groups, analog zu
LUGs. Unter anderem könnten in diesen dynamisch Bands für einen
Abend entstehen.
Eine herkömmliche Band zu gründen hat bei mir nie geklappt, da
immer irgendjemand keine Zeit hatte. Da ich weiß, daß es vielen
so geht, bzw. sich viele Bands aus diesem Grund auflösen, halte
ich die Entstehung von Music User Groups für eine
erstrebenswerte Sache. Auf eine herkömmliche Band habe ich
inzwischen auch keinen Bock mehr.
4. Zukünftige Projekte
Auf der Mailingliste Free Music auf gaos.org überlegen wir
gerade, eine Sammlung freier Software, freier Anleitungen und
freier Samples zusammenzustellen, mit deren Hilfe freie Musik
gemacht werden kann. Ebenso sollen fertige Stücke gesammelt und
verbreitet werden. Für die Organisation des Projektes soll die
von Debian als Vorbild dienen.
Insbesondere, was die Samples angeht, sind | 00 PIANO 1
rechtliche Fragen offen. (Wenn ich z.B. | 01 PIANO 2
von meinem Keyboard jedes Instrument in | 02 HONKY-TONK PIANO
verschiedenen Tonhöhen sample, verletze | 03 ELEC. PIANO 1
ich dann irgendwelche Rechte des Keyboard- | [...]
Herstellers? Ist die Namensliste der | 97 CONSTRUCTION
Instrumente (s.r.) womöglich geschützt, | 98 WAVE
z.B. als Datenbankwerk?)... | 99 ORCHESTRA HIT
Eine weitere Idee wäre, später auch eine Art Musik-SourceForge
aufzubauen, d.h. einen Server, auf dem per CVS komponiert werden
kann (falls sowas möglich ist)...
OK, das wars erstmal...
Tschüß,
Thomas
}:o{#