[Lizenzen] Arbeitstreffen

Thomas Uwe Gruettmueller sloyment@gmx.net
Thu, 27 Sep 2001 13:43:35 +0200


Achtung: Ich bin kein Jurist. Sämtliche Äusserungen in dieser 
Mail zu Gesetzen sind als laienhafte Auslegungen und keinenfalls 
als Rechtsberatung zu verstehen. 
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Hi, Till!

On Monday, 24. September 2001 21:35, Till Jaeger wrote:

> 1.
> Zunächst hat sich herauskristallisiert, dass die Verwendung
> einer generellen, einheitlichen Open  Content Lizenz für
> verschiedene Werkarten nur dann sinnvoll sein dürfte, wenn mit
> der Freigabe bestimmte übereinstimmende Ziele verfolgt werden.

ack

> Um diesen Ansatz zu verdeutlichen: Wer beabsichtigt, mit einer
> (begrenzten) Freigabe seiner Werke neue Vertriebsmöglichkeiten
> zu nutzen, wird mit einer an die GPL angelehnten Lizenz
> weniger gut beraten sein. Für das Beispiel Musik heißt das
> etwa Folgendes: Wer seine Musik für die reine Nutzung über das
> Internet freigeben möchte, wird eher eine der speziellen Open
> Music Lizenzen des Linuxtags verwenden.

Dies ist weder mit der Open Source Definition noch mit der 
Definition der FSF zu vereinbaren.

> Wem es hingegen darauf
> ankommt, eine Weiterentwicklung seiner Musik zu ermöglichen,
> also insbesondere Änderungen ermöglichen will oder zu einem
> größeren Werk beitragen will, hat eine
> Interessenkonstellation, die derjenigen bei Freier Software in
> etwa entspricht.

ack

> 2.
> Eine
> GPLartige Lizenz ist dann sinnvoll, wenn das Werk schon auf
> Änderungen und Modifikationen angelegt ist oder diese
> jedenfalls erwünscht sind. Nur dann macht eine kooperative,
> kollektive Werkerstellung Sinn und der "Copyleft"-gedanke kann
> seine Stärke entfalten.

Das ist IMHO nicht der Gedanke des Copylefts. Das Copyleft dreht 
das Copyright dahingehend um, daß ein Derivat eines freien 
Werkes nicht per default unfrei, sondern frei ist. Dadurch soll 
freie Software im allgemeinen gefördert werden, aber nicht 
unbedingt die Erstellung des eigenen Werkes.

Kollektive Werkserstellung kam angeblich sogar erst durch Linus 
Torwalds richtig in Mode. 

> In dem Bereich Musik wird diese
> Voraussetzung aber eher im Ausnahmefall gegeben sein.

Was meinst du genau? Was ist eine Ausnahme? Daß kollektive 
Werkserstellung seitens des Lizenzgebers oder seitens des 
Lizenznehmers erwünscht ist?

> Beispiele dafür könnten sein: Improvisationen, bei denen Musik
> als Prozess begriffen wird, besondere Formen der
> experimentellen oder elektronischen Musik (vor allem auch
> Sampling).

Ja. Das sind sehr eindeutige Beispiele.

> In weiten Bereichen der herkömmlichen
> Unterhaltungsmusik ist dies wohl nicht zu erwarten, wie z.B.
> die Erfolglosigkeit der IG Rock in den 70iger Jahren gezeigt
> hat.

Du scheinst keinen russischen Rock/Pop zu hören. Das 
Punk-Musical "Kaschej Bessmertnij" ("Kaschtschej, der 
Unsterbliche") der Gruppe Sektor Gaza (Gaskammer) besteht nahezu 
völlig aus umgetexteten Stücken russischer und westlicher Bands. 
(Von zwei Stücken kenne ich die Originalversionen, die ich 
übrigens, im Gegensatz zu den Derivaten, voll schlecht finde.) 
Andersherum gibt es von DJ Krot Techno-Remixe von 
Sektor-Gaza-Stücken, in denen Original-Gesangsspuren verarbeitet 
wurden. 

D.h. es ist in der Unterhaltungsmusik durchaus möglich und 
üblich, bestehende Stücke weiterzuentwickeln. Der Austausch der 
Gesangsspuren im zweiten Beispiel deutet sogar auf eine 
Mitwirkung der ursprünglichen Künstler hin.

Ich kenne leider weder die Ziele der IG Rock noch irgendwelche 
westdeutschen Bands der 70er Jahre.

> Außerhalb des Bereichs Musik wird eine kooperative
> Werkerstellung vor allem bei großen Projekten (z.B.
> Enzyklopädien) und im Wissenschaftsbereich von Interesse sein.

Dafür ist aber nicht wirklich eine neue Lizenz erforderlich. Die 
GFDL ist für Textwerke IMHO kaum zu übertreffen. Was ihr fehlt 
ist lediglich eine Kompatiblitätsklausel, durch die man z.B. ein 
GFDL-Werk problemlos vertonen oder verfilmen könnte.

> Zusammenfassend kann man wohl sagen, dass sich der Urheber
> zunächst darüber klar werden muss, aus welchen Motiven er sein
> Werk freigeben möchte. Bei einer generellen Open Content
> Lizenz erscheint mir daher ein entsprechender Hinweis in der
> Präambel oder in erläuternden Dokumenten als sinnvoll.

Die Motive, eine solche Lizenz anzuwenden, können sehr 
unterschiedlich sein, von sehr konkreten Zielen wie dem 
kollektiven Erstellen einer Synphonie bis zu  
fundamentalistischer Urheberrechtsablehnung. Das sollte man IMHO 
nicht vorgeben.  

BTW: Die GPL-Präambel spricht den Lizenznehmer beruhigend an, 
daß diese Lizenz keine Freiheiten wegnehme, sondern sichere. Das 
finde ich bei einer Open-Content-Lizenz besonders wichtig, denn 
es ist schon sehr ungewöhnlich, wenn man zu einer Musik-CD oder 
bei einem Konzertbesuch einen Lizenzvertrag ausgehändigt bekommt.

> 3.
> Praktische rechtliche Probleme können sich aus dem Verhältnis
> GEMA und Open Music ergeben. Der Musiker, der mit der GEMA
> einen Wahrnehmungsvertrag abgeschlossen hat, überträgt damit
> seine ausschließlichen Nutzungsrechte an allen gegenwärtigen
> und zukünftigen Werken, für die er noch die Rechte besitzt, an
> die GEMA.

Gibt es den Wahrnehmungsvertrag irgendwo online?

> Damit wird es ihm praktisch unmöglich, Werke unter
> eine Open Content Lizenz zu stellen. Denn dafür bedarf es die
> Einräumung eines einfachen Nutzungsrechts an jedermann.

Wie ist das, wenn die einfachen Nutzungsrechte vor der 
GEMA-Mitgliedschaft eingeräumt würden? Würde die GEMA sich dann 
weigern, das Mitglied aufzunehmen?

> Daher dürfte die
> Freigabe von Musik nur für solche Künstler möglich sein, die
> nicht Mitglied der GEMA sind.

ack
zumindest im Moment der Freigabe

> 4.
> Die Mitgliedschaft in der GEMA kann auch wieder gekündigt
> werden.

Bekommt der Künstler dann die ausschließlichen Rechte aller 
Werke zurück?

BTW: ein ähnliches Problem ergibt sich auch mit dem Musikverlag, 
der ebenfalls zumeist ausschließliche Rechte erhält.

> Damit stellt sich das Folge-problem, ob und wann es
> für einen Künstler von Interesse sein kann, diese
> Mitgliedschaft zu kün-digen. Aus finanziellen Gründen dürfte
> dies für Künstler, die viel in Rundfunk und Fernsehen
> ge-spielt werden, wenig interessant sein. Für diejenigen, die
> ihre Einnahmen hauptsächlich aus „mechanischen“
> Aufführungsrechten erzielen, könnten alternative
> Verwertungsmodelle

(Was sind "mechanische Aufführungsrechte"? Das klingt für mich 
nach "Marionettentheater", aber das ist sicher nicht gemeint. 
Ich vermute "öffentliche Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger", 
bin mir aber nicht sicher.)

> (Freibank-Modell) denkbar sein.

Was besagt das genau? Freiwillige Spenden?

Zwei Anmerkungen:
 
1. Ich dachte früher, es gäbe im Urheberrecht Zwangslizenzen zur
   Rundfunksendung, öffentlichen Wiedergabe und Aufführung.
   Etwas derartiges kann ich aber nicht finden. D.h., wenn ein
   Radiosender, eine Disco oder eine Band ein Stück spielen
   will, muß zunächst ein einfaches Nutzungsrecht vom Inhaber
   des ausschließlichen Nutzungsrechtes eingeholt werden. D.h.
   Werke, die nicht GEMA-Repertoire sind, dürfen nicht kostenlos
   und von jedem gespielt werden, im Gegenteil, sie zu spielen
   ist  umständlicher und möglicherweise auch teurer, da nicht
   mehr die GEMA-Pauschalen gelten. 

2. Ich glaube nicht, daß jemand, der bereits GEMA-Mitglied ist,
   freiwillig austreten wird. Sinnvoller fände ich, nochmals
   genau zu prüfen, in wieweit die Praktiken der GEMA einer
   freien Lizensierung einzelner Stücke entgegenstehen und dann
   zunächst Druck auf die GEMA auszuüben, ggf. mit der Drohung,
   eine Alternativ-GEMA zu gründen.

> 5.
> Ein interessanter Aspekt ist es, ob und inwieweit der Musiker
> die Tonspuren mit freigeben soll/muss.

Bzw. sonstiges Entwurfsmaterial...

> Dies dürfte wiederum
> nur bei einer kooperativen Werkerstellung von Interesse sein.

bzw. bei einem Remix

ack

> Dann entsprechen die Tonspuren in einer gewissen Weise dem
> Sourcecode bei Software, da sie bestimmte Formen von
> Modifikationen erlauben, die ansonsten nicht oder nur unter
> Schwierigkeiten möglich wären.

ack.

Es gibt jedoch zwei Nachteile bei dieser Forderung:

1. Der Prozeß, eine Musikaufnahme zu erstellen, ist nicht
   einheitlich und nicht immer gleichwertig brauchbar. Wer mit
   einem Tracker arbeitet, erhält einen Source-Code, aus dem
   sich die Aufnahme mit jedem Universalrechner eindeutig
   erstellen läßt. Bei MIDI-Dateien hingegen hängt der Klang von
   der jeweiligen Soundkarte oder vom jeweiligen Synthesizer ab.
   Proprietäre Formate wie Cubase wiederum verlangen die
   Anschaffung kostenintensiver Software (oder ihre Raubkopie)...

   Demzufolge ist schwer zu definieren, was zum Sourcecode
   dazugehören muß.

2. Je nachdem, wie viel am Stück "echt" ist, d.h. nicht
   computergeneriert, kann der Sourcecode eines Stückes leicht
   CD-füllend werden. Eine ganze CD mit Datenmüll mit jedem MP3
   mitkopieren zu müssen, stellt eine monströse Zumutung dar.

Wie du selbst sagst, sind "unter Schwierigkeiten" oder in 
verminderter Qualität, Modifikationen auch ohne Sourcen möglich. 
Daher halte ich eine freiwillige Herausgabe ohne 
Weitergabeverpflichtung für eine sinnvolle Sache.

> 6.
> Der Interpret erwirbt durch die Darbietung eines Musikstückes
> selbst (ausschließliche) Leistungs-schutzrechte. Dem Gedanken
> der GPL folgend, ist dabei zwischen kommerzieller und
> proprietärer Nutzung zu unterscheiden. Dem ausübenden Künstler
> soll es gestattet sein, für die Dienstleistung „Darbietung“
> eine Vergütung zu verlangen.

Ich finde das Wort "Vergütung" irreführend. Das klingt zu sehr 
nach "royalties". Besser: "Bezahlung".

Es sollte jedem Interpreten erlaubt sein, freie Stücke 
aufzuführen, wenn die Aufführung ebenso frei ist. D.h. es ist in 
Ordnung, Eintritt zu der Veranstaltung zu verlangen; es muß aber 
jedem Zuhörer möglich sein, die Aufführung aufzunehmen und dann 
die Aufnahme als Open Content zu verbreiten. Für letzteres Recht 
dürfen nachträglich keine Vergütungen mehr anfallen.

> Allerdings würde es den
> Grundgedanken einer freien Content Lizenz widersprechen, wenn
> er seine Leistungsschutzrechte proprietär nutzen dürfte(d.h.
> Lizenzgebühren verlangen, die Weiterverbreitung verbieten).

ack

> Daher müsste in einer Lizenz klar geregelt sein, dass nicht
> nur Urheberrechte, sondern auch Leistungs-schutzrechte, die
> durch die Nutzung eines freien Werkes erworben werden,
> ebenfalls wieder unter der Content Lizenz freigegeben werden
> müssen.

ack

(Das hab ich in meinen beiden Lizenz-Entwürfen übrigens auch 
gemacht)

Es muß also klargestellt werden, daß wenn in der Lizenz von 
"Werken" die Rede ist, nicht nur "Werke" i.S.d. UrhG, also 
urheberrechtlich geschützte Objekte, sondern auch 
leistungsschutzrechtlich geschützte Objekte (Aufführungen, Bild- 
und Tonträger usw.) gemeint sind.

Tschüß,
Thomas
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