[rohrpost] 2001: Odysseen des Wissens: Symposion & networking
Heiko Idensen
Heiko Idensen <hei+Co@hyperdis.de>
Tue, 29 Feb 2000 01:45:08 +0100
<fontfamily><param>Geneva</param><bigger>Einladung zum Kolloquium
am 3.3. 2000 in Weimar
(und zur Mitarbeit ueber das Netz!)
2001: Odysseen des Wissens
Zur Diskurs-Poetik in digitalen Wissensordnungen
http://www.hyperdis.de
Kolloquium zu Erfahrungen mit Netzwerkumgebungen, Aufschreibesystemen
sowie Mapping- und Archivwerkzeugen fuer digitale Diskurse in
kulturwissenschaflichen Forschungsumgebungen. Umgesetzt werden sollen
diese in eine kollaborative online-Enzyklopaedie, an der
WissenschafterInnen und KuenstlerInnen aus den Bereichen Medientheorie,
Netzliteratur, Interfacegestaltung, Netzkritik, ... ueber eine
gemeinsame Schreib-Oberflaeche im www zusammenarbeiten:
http://www.nic-las.ch/enzyklopaedie/
Oeffentliche Vortraege:
=46reitag, 3.3.2000
im Glaspavillion im Limonagebaeude, Steubenstrasse 8, Weimar
9.00-9.30
Heiko Idensen, Nicole Heidtke
Begruessung & kurze Einfuehrung
9.30-11.30
Hans-Dieter Huber
Cut-Up Epistemology: Schnittstellen der Intermedialitaet
Michael Giesecke: Transformationsprozesse von der Gutenberg- zur
Postgutenberg-AEra
Walter Bauer-Wabnegg: home
(Pause)
12.00-14.00
Hartmut Winkler: UEber Komplexitaet und einige mediengeschichtliche
Versuche, sie wieder in den Griff zu bekommen
=46lorian Cramer: Freie Software: Wie Netzwissenschaften und -kuenste
sie nutzen und von ihr lernen koennen
Martin Rost: Selbstregulation von Mailinglistbeitraegen
im Anschluss: Ralf Chille: p=9Eng|p=F8ng (student. Praesentation aus der
Mediengestaltung)
14.00 -15.00: Imbisskussion
15.00 -17.00: Arbeitssitzung: online Enzyklopaedie
Christiane Heibach: Thesen zur Veraenderung wissenschaftlichen
Arbeitens in kooperativen Schreibumgebungen
Vorstellung weiterer Beispiele
Anknuepfungspunkte zwischen theoretischen Konzepten und Umsetzungen in
das kooperative Schreibprojekt
Veranstalter
Bauhaus Universitaet Weimar, Fakultaet Medien
Professur Multimediales Erzaehlen (Prof. Dr. Walter Bauer-Wabnegg)
Nicole Heidtke (kuenstlerische Mitarbeiterin)
Kooperationspartner
Heiko Idensen, Frank Kilian (Netz/Werk/Kultur/Techniken; Universitaet
Hildesheim)
Ren=E9 Bauer, Joachim Meier (www.nic-las.ch - eine autopoetische
Wissenslandschaft)
Projektseite mit Links zu=20
kollaborativen Schreiboberflaechen, Enzyklopaedien, Lexika, und
Archiven im Netz, sowie zu Text- und Projektseiten der Beteiligten
finden sich unter:
http://www.hyperdis.de
Wegbeschreibung zum Tagungsort:
Glaspavillion in der Limona
Steubenstrasse 8, Weimar
ab Hbf Weimar:
Mit der Buslinie 1 !!! (Richtung Ehringsdorf), 5 (Richtung Klinikum), 6
(Richtung Obergrundstedt) oder 8 (Richtung Merketal) zum Wielandplatz.
Die=20
Steubenstrasse links ein paar Meter hinuntergehen. Rechter Hand liegt
dann ein=20
roter Backsteinbau mit einem Glaspavillion ganz oben. Da tagen wir.
Wegbeschreibungen in die Texte:
http://www.nic-las.ch/enzyklopaedie/
Am Anfang war das Wort.
=2E... es wurde gesprochen, getanzt, gesungen, geliebt, verdoppelt,
erzaehlt, geknotet, gebetet, wiederholt, rezitiert, vergessen,
eingeritzt, eingebrannt, gemalt, gemeisselt, geschrieben, in Tabellen
gelistet, in magischen Formeln versteckt, gedruckt, gebunden, verlegt,
als Fussnote an den Rand gedraengt, indiziert, gereimt, gezaehlt,
formalisiert, codiert, compiliert, gespeichert, gescannt, als Muster
wiedererkannt, uebertragen, gefaxt, verschluesselt, komprimiert,
optimiert, transformiert, konvertiert, genormt, geloescht, gelinkt,
ueberschrieben, als Absprungsort markiert, zum Objekt erklaert, als
Programm aktiviert, das Worte schafft...
Das Universum, das andere die Bibliothek nennen, setzt sich aus einer
undefinierten, womoeglich unendlichen Zahl ineinander verschachtelter
Bildschirme zusammen. Weite, in die Tiefe fuehrende Wege, die nur ueber
das Aktivieren bestimmter Schalter zu erreichen sind, werden eingefasst
durch Markierungen am Rande dieser Blaetter aus vergessenen Schaetzen
geschriebener, gezeichneter, imaginierter Buch-Utopien.
Die Anordnung der auf dem Bildschirm erscheinenden Buecher ist niemals
dieselbe, ebensowenig die Art und Weise, in der sich der Benutzer durch
die verschiedenen Gebiete der Bibliothek hindurchbewegt.
Das Buch ist bisher das radikalste Interface fuer den Entwurf
virtueller Welten. Alle anderen Maschinen an die sich der Mensch
derzeitig anschliessen kann, spiegeln hauptsaechlich ihre eigene
=46unktionalitaet zurueck oder lassen den gelangweilten Geist in
raffinierte Rueckkopplungsschleifen eintreten: Brainmachines. Sie
erscheinen als blasse Abbilder eines phantasmagorischen Lesens.
Bibliothek der Gnade
"Die Bibliothek der Gnade wurde im Jahre 1997 gegruendet. (...) in
saemtlichen Zeitungen erschien eines Novembertages 1997 die gleiche
Annonce. Es sei, hiess es dort, eine Spezialbibliothek geschaffen
worden. Ihr Ziel bestuende in der Sammlung, Archivierung und dem
oeffentlichen Zurverfuegungstellen all derjenigen Werke, die keinen
Verlag gefunden hatten. Arbeiten jeder Art und jeglichen Umfangs seien
willkommen. Die Bibliothek mache keine Unterschiede. Tagebuecher,
verschmaehte Enzyklopaedien, Waschzettel, Abhandlungen, Traeume,
Spruchsammlungen, Witze, Pamphlete, Romane - was auch immer in
Schriftform vorliege und gedemuetigt sei, es faende nun seinen Ort und
seine Signatur. (...) Jedes eingereichte Manuskript werde mit Freuden
angenommen und zugleich einer konservatorischen Behandlung unterzogen,
um es fuer spaetere Jahrhunderte und deren kluegeres Urteil haltbar zu
machen. Jedermann habe, Tag und Nacht, Zutritt zur Bibliothek. Auf
Verlangen erhielte man eine mit neuartigen Reproduktionstechniken
blitzschnell hergestellte Kopie jeder beliebigen Arbeit kostenlos
ausgehaendigt. Modernste Computertechnologie mit ausgekluegelten
Retrievalsystemen ermoeglichen den uneingeschraenkten Zugriff auf die
Bestaende, in saemtlichen Sprachen der Welt. (...) Es ist kein
Geheimnis, dass sich gerade in den Anfaengen der Bibliothek die
Mehrzahl der Benutzer aus Autoren rekrutierte. (...) Mit dem
unaufhaltsamen Anwachsen der Gnadenbibliothek (...) spitze sich der
Konflikt zwischen der althergebrachten Lese- und Schreibkultur auf der
einen Seite und der anarchistischen Flut der Freien auf der anderen
Seite zu. Die Beliebtheit der Gnadenbibliotheken verkleinerte die
Absatzchancen des selektierenden Verlagswesens drastisch. (...)
Energisch wies man auf die eigene Bedeutsamkeit hin. Die Flut
einzudaemmen, aus dem Strom aus Hoechstem und Tiefstem, aus Geschmiere,
Mittelmaessigen, Dilettantischem, Widerwaertigem (...) die wenigen
=46ische herauszuangeln, die der Lesemuehe wert seien, muesse als
undankbares und edles Geschaeft hoch geachtet werden. (...)"
(Thomas Lehr: Zweiwaser oder die Bibliothek der Gnade, Berlin 1992, S.
347 ff)
Cut-up
Der Leser als Reisender im elektronischen Raum entnimmt den
vorgefundenen Informationspartikeln keinen Sinn mehr, sondern schafft
im Akt des Navigierens selbst Sinnbezuege ...
Ich wechsele in eine andere Datenbank, die wirklich ein vernetztes
Schreiben unterstuetzt:
http://www.everything2.com/
(everything: ein multidirektionales Linking-System mit bidirektionalen
links und tracking-mechanismen)
Ich lande direkt am Anfang von Michel Foucaults "Ordnung der Dinge":
"Dieses Buch hat seine Entstehung einem Text von Borges zu verdanken.
Dem Lachen, das bei seiner Lektuere alle Vertrautheiten unseres Denkens
aufruettelt, des Denkens unserer Zeit und unseres Raumes, das alle
geordneten Oberflaechen und alle Plaene erschuettert und unsere
tausendjaehrige Handhabung des Gleichen und des Anderen schwanken
laesst und in Unruhe versetzt. Dieser Text zitiert "eine gewisse
chinesiche Enzyklopaedie", in der es heisst, dass "die Tiere sich wie
folgt gruppieren: a) Tiere, die dem Kaiser gehoeren, b) einbalsamierte
Tiere, c) gezaehmte, d) Milchschweine, e) Sirenen, f) Fabeltiere, g)
herrenlose Hunde, h) in diese Gruppierung gehoerige, i) die sich wie
Tolle gebaeren, k) die mit einem ganz feinen Pinsel aus Kamelhaar
gezeichnet sind, l) und so weiter, m) die den Wasserkrug zerbrochen
haben, n) die von weitem wie Fliegen aussehen. (Jorge Luis Borges, Die
analytische Sprache John Wilkins', in: ders., Das Eine und die Vielen.
Essays zur Literatur, Muenchen 1966, S.212) Bei dem Erstaunen ueber
diese Taxinomie erreicht man mit einem Sprung, was in dieser
Aufzaehlung uns als der exotische Zauber eines anderen Denkens
bezeichnet wird - die Grenze unseres Denkens: die schiere
Unmoeglichkeit, das zu denken. (Michel Foucault, Die Ordnung der Dinge.
Eine Archaeologie der Humanwissenschaften, Frankfurt/Main, 1971, 17)
Wunschmaschinen
"Die Wunschmaschinen stecken nicht in unserem Kopf, sind keine Produkte
der Einbildung, sondern existieren IN DEN TECHNISCHEN UND
GESELLSCHAFTLICHEN MASCHINEN SELBST."=20
(Gilles Deleuze; Felix Guattari, Anti-OEdipus, Frankfurt am Main 1974,
512)
"Weder sind die Wunschmaschinen imaginaere Projektionen, Phantasien,
noch reale Projektionen, Werkzeuge. Das gesamte Projektionssystem aber
ist von Maschinen ableitbar, nicht umgekehrt. Sollte demnach die
Wunschmaschine durch eine Art Introjektion, einen bestimmten perversen
Gebrauch der Maschine definiert werden? Nehmen ein Beispiel aus dem
geheimnisvollen Bereich des Telefonnetzes: die Nummer eines nicht
besetzten, aber einem automatischen Anrufbeantworter angeschlossenen
Telefons waehlend ("diese Nummer ist nicht besetzt"),kann man ein
Gewirr summender, sich ueberlagernder Stimmen vernehmen, Stimmen, die
sich gegenseitig rufen, sich antworten, die sich ueberkreuzen und
verlieren, die ober- oder unterhalb des Anrufbeantworters laufen oder
in dessen Inneren, sehr kurze Mitteilungen, in schnellen und monotonen
Codes abgefasste AEusserungen. Das normale Telefon,bestimmt,
Kommunikationsmaschine zu sein, funktioniert doch solange noch gleich
einem Werkezeug, als es dazu dient, Stimmen, die als solche nicht Teil
der Maschine sind, nur zu projezieren oder weiterzutragen. Dort aber
hat die Kommunikation eine hoehere Stufe erreicht, insofern die Stimmen
mit der Maschine ein Stueck (eine Einheit) bilden, Teile der Maschine
geworden sind und vom automatischen Anrufbeantworter auf Zufallsbasis
ausgesendet und verteilt werden. Unter dieser Perspektive findet nicht
allein ein perverser Gebrauch oder Anpassung einer
technisch-gesellschaftlichen Maschine statt, sondern die UEberlagerung
durch eine wirkliche objektive Wunschmaschine ..."
(Gilles Deleuze; Felix Guattari; Anti-OEdipus, Frankfurt/Main 1974, ,
498)
Zensor, der Leser als
"Als die Abonnenten dem Band mit dem Buchstaben B erhielten, fanden sie
darin einen zweiseitigen Artikel ueber Berija, in dem dieser als
grosser Held der Sowjetunion gefeiert wurde. Nach seinem Sturz und
seiner 'Entlarvung' als Verraeter und Spion wurden alle Abonnenten vom
Verlag schriftlich aufgefordert, den Artikel ueber Berija
auszuschneiden und zurueckzuschicken. Im Gegenzug erhielten sie
unverzueglich einen zweiseitigen, mit Fotos bebilderten Eintrag ueber
den Beringsee. Das Mysterium hierbei ist natuerlich die Frage: Fuer wen
wurde an dieser (scheinbaren) Vollstaendigkeit festgehalten, wenn alle
Abonnenten von der Manipulation wussten, weil sie sie ja selbst
durchfuehren mussten? Die einzige Antwort lautet: fuer das
nicht-existierende Subjekt, dem unterstellt wird, dass es glaubt."
(Zizek, Slavoj (1999): Liebe deinen Naechsten? Nein, danke! Die
Sackgasse deds Sozialen in der Postmoderne, Berlin, 206,207)
Benjamins Zettelkasten
"Die Schrift, die im gedruckten Buch ein Asyl gefunden hatte, wo sie
ihr autonomes Dasein fuehrte, wird unerbittlich von Reklamen auf die
Strasse hinausgezerrt [...]. Wenn vor Jahrhunderten sie allmaehlich
sich niederzulegen begann, von der aufrechten Inschrift zur schraeg auf
den Pulten ruhenden Handschrift ward, um endlich sich im Buchdruck zu
betten, beginnt sie nun ebenso langsam sich wieder vom Boden zu heben.
Bereits die Zeitung wird mehr in der Senkrechten als in der Horizontale
gelesen [...] Und ehe der Zeitgenosse dazu kommt, ein Buch
aufzuschlagen, ist ueber seine Augen ein so dichtges Gestoeber von
wandelbaren, farbigen, streitenden Lettern niedergegangen, dass die
Chancen seines Eindringens in die archaische Stille des Buches gering
geworden sind. Heuschreckenschwaerme der Schrift [...] Andere
Erfordernisse des Geschaeftslebens fuehren weiter. Die Kartothek bringt
die Eroberung der dreidimensionalen Schrift, also einen ueberraschenden
Kontrapunkt zur Dreidimensionalitaet der Schrift in ihrem Ursprung als
Rune oder Knotenschrift. (Und heute schon ist das Buch, wie die
aktuelle wissenschaftliche Produktionsweise lehrt, eine veraltete
Vermittlung zwischen zwei verschiedenen Kartotheksystemen. Denn alles
Wesentliche findet sich im Zettelkasten des Forschers, der's verfasste,
und der Gelehrte, der darin studiert, assimiliert es einer eigenen
Kartothek."
(Walter Benjamin (1972): Einbahnstrasse. In: Gesammelte Schriften IV-1.
=46rankfurt am Main. S. 84-148, hier: 103)
Werkzeug
=46indet die Stellen..mit denen ihr etwas anfangen koennt. Wir lesen und
schreiben nicht mehr in der herkoemmlichen Weise. Es gibt keinen Tod
des Buches, sondern eine neue Art zu lesen. In einem Buch gibt`s nichts
zu verstehen, aber viel, dessen man sich bedienen kann. Nichts zu
interpretieren und zu bedeuten, aber viel, womit man experimentieren
kann. Ein Buch muss mit etwas anderem "Maschine" machen, es muss ein
kleines Werkzeug fuer ein Aussen sein. (Deleuze/Guattari)
=2E.........................................................................=
=2E.........................................................................=
=2E.....
Nova Film Express Entwicklung
Ich setze die E-troden auf und greife nach dem Schalter vom Fast-Wipe.
Die Expertensystemroutinen habe ich rausgeschmissen. "Los!" sage ich
und druecke den Schalter. Worte. Worte reichen nicht aus: Du faehrst
gewissermassen um Mitternacht auf einem Motorrad ohne Licht.. ueber
eine Kuestenstrasse am Abgrund entlang.. in einem Tempo, so dass dich
voellige Stille umgibt, weil du das Motorraddroehnen abhaengst..
blosses Dahinschiessen .. Hoellen-Teufel-Killer-Stoff, ungeschnitten,
echt, der achtmal am Sonntag in eine Leere explodiert.. dieses
Dahinschiessen, von innen gesehen ...
"Wort faellt-- Foto faellt-- Strassen aufrollen". Maschine dreht
durch.. das Realitaetsstudio stuermen.. die Bandmaschine laeuft..
Durchbruch in den Grauen Raum... Foto faellt, Wort faellt. Der
Realitaetsfilm gibt nach und beult sich aus wie ein Schott kurz vor dem
Bersten.. die Zeiger stehen auf HYPER ..Eingaenge freikaempfen
Wortverbindungen druchschneiden.. die Zeitmaschine dreht durch und
setzt wahnwitzige Befehle und Gegenbefehle ab - elektrische Stuerme der
Gewalt fegen ueber den Planeten - Staatschefs drehen ihre Bildstrahlen
auf und versuchen die Welt mit billigen Kopien zu ueberschwemmen - Die
wiederum werden von Anti-Bildern hinweggefegt.. was ist das bloss fuer
ein Scheissapparat hier - Wo schaltet man denn hier um? - Ah da -
Bitte kommen...
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