[rohrpost] Fw: Genua-G8-Gefangene: Bericht einer deutschen Parlamentarierin

Oliver Schupp oli@demokratischelinke.de
Fri, 10 Aug 2001 23:04:35 +0200


----- Original Message -----
From: "Dirk Kretschmer" <dee.kay@uni-duisburg.de>
To: "Newsgroup@Niatu. Net" <newsgroup@niatu.net>
Sent: Friday, August 10, 2001 12:50 PM
Subject: WG: Genua-G8-Gefangene: Bericht einer deutschen Parlamentarierin



-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: www.lorraine.ch/genua [mailto:bgfz@bluemail.ch]
Gesendet: Freitag, 10. August 2001 08:48
Betreff: Genua-G8-Gefangene: Bericht einer deutschen Parlamentarierin


Genua: Reisebericht von MdB Heidi Lippmann
heidi.lippmann@bundestag.de
Vom 31.-7. ­ 2. 8. 2001 hielt ich mich in Norditalien auf, um alle im Rahmen
des G-8-Gipfels inhaftierten deutschen Staatsangehörigen zu besuchen
sowie Mitglieder verschiedener Nationalitäten der Volxtheatergruppe.
Begleitet wurde ich von Generalkonsulin Frau Uta Mayer-Schalburg, der ich
für
die gute Zusammenarbeit auf diesem Wege danken möchte. Eine Besuchserlaubnis
lag für alle deutschen Inhaftierten vor, der Zugang zu der Gruppe
der Volxtheaterleute wurde mir über das österreichische Konsulat bzw. das
Entgegenkommen der Leiterin der JVA Alessandria ermöglicht. Frau
Mayer-Schalburg begleitete mich bei allen Gefängnisbesuchen, die Gespräche
mit den Gefangenen führte ich teilweise allein.

Programm:

31.07.2001 Briefing durch Generalkonsulin Mayer-Schalburg; Besuch im
Marassi-Gefängnis, Zweiergespräche mit 6 inhaftierten männlichen
Gefangenen; Besuch bei den bei dem Angriff auf die Schule schwer verletzten
Daniel Albrecht und Melanie Jonasch, die am 1.8. aus dem
Krankenhaus entlassen wurden und sich mittlerweile wieder in Deutschland
befinden; Gespräch mit italienischen Indymedia-Journalisten; Briefing
durch den EA Mailand; Gespräche mit Angehörigen und Freunden der
Inhaftierten

01.08.2001 Besuch im Gefängnis von Pavia bei 4 männlichen Gefangenen aus
Leipzig und München; Besuch im Gefängnis von Pontedecimo bei 8
weiblichen und 3 männlichen Gefangenen aus Freiberg; Gespräch mit dem
Vorstand der kommunistischen Partei Italiens; Gespräch mit
Vorstandsmitgliedern des Genua Social Forums; Gespräch mit Angehörigen und
Freunden; Interview mit Liberacion

02.08.2001 Besuch im Männergefängnis von Alessandria bei Mitgliedern der
internationalen Volxtheatergruppe; Gespräche mit Angehörigen,
deutschen und österreichischen Journalisten und Rechtsanwälten .

Von derzeit 51 im Rahmen des G-8-Gipfels inhaftierten Gefangenen sind 49
nicht-italienischer Staatsangehörigkeit. Insgesamt sind 23 deutsche
Staatsangehörige angeklagt einschließlich der beiden, die gemeinsam mit 23
weiteren der aus Österreich stammenden internationalen
Volxtheatergruppe inhaftiert wurden. Alle sind nach § 419 des italienischen
Strafgesetzbuchs ­ wegen Plünderung und Vandalismus, die meisten auch
wegen "Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung" ­ dem sog. Black
Block. Nach § 416 ­ terroristischer Vereinigung ­ sind die Mitglieder des
Volxtheaters angeklagt. Bis auf einen sind alle 2 ­ 3 Tage nach der großen
Samstag-Demonstration im Rahmen von Verkehrskontrollen oder
Personen- und PKW-Kontrollen auf Plätzen in und außerhalb Genuas in
Gewahrsam genommen worden. Manche befanden sich auf der Rückreise
bzw. hatten aus Angst vor weiteren gewalttätigen Übergriffen Genua
schnellstmöglich verlassen.

Folgende Gruppen wurden gemeinsam inhaftiert: 10 Personen aus zwei
Campingmobilen aus verschiedenen Städten, darunter 7 Frauen, die sich im
Gefängnis von Pontedecimo befinden und 3 Männer, die im Zentralgefängnis in
Genua im Marassi-Gefängnis inhaftiert sind. Eines der
Campingmobile ist mit dem Symbol der Toten Hosen gekennzeichnet, das sich in
der Anklageschrift als "Terrorsymbol" wiederfindet. 3 Männer aus
Leipzig ­ gemeinsam in einem PKW ­ bisher in Pavia inhaftiert, nach unserem
Besuch und Protesten gegenüber der Anstaltsleitung nach Marassi
umverlegt 3 Männer aus Freiberg ­ gemeinsam in einem PKW ­ in Pontedecimo
inhaftiert ein Mann und eine Frau aus Oberhausen, inhaftiert in
Marassi bzw. Pontedecimo ein 18jähriger aus Schwelm ­ sein Freund wurde
wegen Minderjährigkeit entlassen ein Münchner, der in der Schule Diaz
verhaftet wurde und dessen Beifahrer aus der Haft entlassen wurden ein
Berliner, der in Marassi inhaftiert ist 25 Personen verschiedener
Nationalitäten des Volxtheaters, davon 16 Männer im Männergefängnis von Ales
sandria und 9 Frauen, die im Gefängnis von Voghera inhaftiert sind.
Zwei von ihnen haben deutsche Staatsangehörigkeit und leben bzw. studieren
in Wien. Einer von ihnen war ursprünglich als Österreicher gemeldet
worden, der andere war im Rahmen von Haftentlassungen mehrere deutscher
Gefangener aus dem Gefängnis von Alessandria vom Generalkonsulat
Genua versehentlich als "entlassen" geführt worden. Misshandlungen bei den
Verhaftungen und im Polizeigewahrsam.

Alle Inhaftierten wurden bei der Festnahme bzw. im Polizeigewahrsam zum Teil
schwer misshandelt.
Bei einigen waren 10 Tage danach noch eindeutige Spuren erkennbar, so z.B.
Hämatome im Gesicht, an den Armen, Abschürfungen von
Handschellen. Die Gefangenen berichteten unabhängig von einander von

a..   Schlägen, Fausthieben, Schlagstockschlägen, Tritten (z.T. in den
Magen)
a..   Fesselung in Handschellen ­z. T. über Stunden hinweg auf dem Boden
kniend, Gesicht zur Wand, Hände auf den Rücken gefesselt
a..   Ständigen Beleidigungen und Beschimpfungen
a..   Redeverbot
a..   Permanenter Androhung von Gewalt mit Schlagstöcken
a..   Abschneiden von Haarsträhnen mit Messern oder Scheren
a..   Androhung sexueller Gewalt bei den Frauen
a..   Demütigungen wie nackt ausziehen vor den versammelten
Sicherheitskräften, wobei sie zu Kniebeugen u.ä. gezwungen wurden
a..   Erpressen von Unterschriften unter Dokumente, die ihnen lediglich in
italienischer Sprache vorgelegt wurden.
  Einige berichteten, dass man ihnen während der Verhöre fremde Gegenstände
in die Hand drücken wollte, um sie damit zu fotografieren, so z. B.
Eisenstangen, Stempel u.a. nicht den Betroffenen gehörende Dinge.
Manche hielten sich in mehreren Polizeistationen auf bzw. in der Kaserne von
Bolzaneto, wo besonders hart mit den Verhafteten umgegangen wurde.
Einige berichteten darüber, dass sehr junge Sicherheitskräfte von älteren
"angelernt" wurden. Manche wurden mit "Heil Hitler" begrüßt, einer als
"Jude" beschimpft, immer wieder gab es Gesten, die "Kopf ab" symbolisieren.

Mitglieder der Volxtheatergruppe mussten sich bei ihrer Verhaftung mit hoch
erhobenen Händen und abgewandten Gesicht an ihren Bus stellen,
während hinter ihnen 2 ­ 3 Sicherheitskräfte mit Maschinenpistolen auf- und
abgingen, den Finger am Abzug. Als alle anderen Sicherheitskräfte
(Carabinieri, Zivilpolizisten und Angehörige eines Spezialkommandos) sich in
einigen Metern Entfernung in einer Reihe aufstellten, stellte sich den
Festgenommenen das Bild von einer Exekution dar.

Manche berichteten davon, zu Beginn und am Ende des Aufenthaltes im
Polizeigewahrsam ärztlich untersucht worden zu sein. Am Ende hätte der Arzt
allerdings noch nicht einmal mehr den Kopf gehoben, um den Inhaftierten
anzusehen, sondern lediglich seine Unterschrift unter einen Bericht gesetzt.

Ausschlaggebend waren für die Verhaftungen immer wieder das Auffinden
bestimmter Kleidungsstücke, so z. B. T-Shirts und Hosen in den Farben
schwarz und grau, und Gegenstände, die zu Campingausrüstungen gehören, z. B.
Zeltstangen oder Küchenmesser. Bei der Volxtheatergruppe darüber
hinaus eine Menge Gegenstände, die als Requisiten für ihre Vorführungen
benutzt werden.

Eine Gruppe wurde bereits einmal am Vormittag durchsucht, durfte nach der
PKW- und Personenkontrolle aber unbehelligt weiterfahren. Erst gegen
abend bei einer erneuten Kontrolle an einem anderen Ort wurden sie als
"verhaftungswürdig" befunden. Die Überstellung in die Gefängnisse erfolgte
wiederum unter Schlägen und gefesselt.

Zur Situation in den Gefängnissen

Marassi
Die 6 dort befindlichen Männer aus der 10er-Gruppe und drei weitere
Einzelinhaftierte befanden sich in einer Gemeinschaftszelle. Sie klagten
insbesondere über fehlende Möglichkeiten der Kontaktaufnahme zu
Rechtsanwälten, Angehörigen und Konsulat. Telefongespräche und Faxe waren
verboten, hygienische Artikel, Briefumschläge u.a. wurde nicht ausgehändigt.
Hofgang gab es alle paar Tage. Durch mangelnde sprachliche
Verständigung sind die Kontakte zum Wachpersonal stark eingeschränkt. Ebenso
zu Mitgefangenen. Mittlerweile sind auch die vier vorher in Pavia
Inhaftierten in Marassi und sind gemeinsam mit den o.g. 6 in einer Zelle
untergebracht.

Pavia
Von den 4 in Pavia untergebrachten deutschen Gefangenen saßen 2 gemeinsam in
einer Zelle, die beiden andern sowie ein im Rahmen von G-8
inhaftierter Ire waren jeweils in Zweierzellen alleine untergebracht, obwohl
uns die Anstaltsleiterin zu Beginn unseres Besuches etwas anderes
erzählte. Im Abschlußgespräch trugen wir den Wunsch vor, die beiden in
Einzelhaft befindlichen Männer zusammenzulegen. Am nächsten Tag
erfuhren wir von ihrer Verlegung nach Genua ins Marassigefängnis.
Alle hatten ähnliche Probleme wie die Gefangenen in Marassi, ein am Vortag
unseres Besuches an das Generalkonsulat abgeschicktes Fax mit der
dringenden Bitte um sofortige Kontaktaufnahme lag noch nicht vor. Aufgrund
des Fehlens von Außenkontakten waren die 3 Leipziger und der
Münchener soweit, in den Hungerstreik treten zu wollen. Stattdessen
fertigten sie eine Resolution an, in der sie gegen ihre Inhaftierung und die
Haftbedingungen protestieren. Bis auf einen hatte drei Gefangene noch keinen
Wahlverteidiger. Einer war selbst bei der Haftüberprüfung ohne
anwaltliche Vertretung, weil die Pflichtverteidigerin nicht erschienen war.
Auch hier gelang die Vermittlung einer anwaltlichen Vertretung. Kontakte zu
Mitgefangenen wurden mit dem Verweis auf "Isolation" strikt untersagt.

Pontedecimo
Auch für die 3 Freiberger Gefangenen traf ähnliches zu wie für Marassi und
Pavia: mangelnde hygienische Ausstattung (z.B. keine Einwegrasierer,
keine Handtücher ...), Kommunikationseinschränkungen, Hofgang alle paar Tage
... Unsere Bemühungen dieses abzuändern wurde vom
Commandante dahingehend beantwortet, er wollte sie nur ungern mit den
anderen "Ausländern" rauslassen, da sich darunter üble Elemente befinden
würden ... Für Einzelausgang fehle ihm das Personal ...
Im Gegensatz zu allen männlichen Gefangenen haben die 8 Frauen in
Pontedecimo relativ gute Haftbedingungen. Sie sind zu viert in 2 Zellen
untergebracht, können sich mehrere Stunden lang im Hof aufhalten und haben
durch Kontakte zu Mitgefangenen schnell erfahren, welche Rechte sie
haben. Dementsprechend war ihre psychische Situation positiver als bei allen
o.g. männlichen Gefangenen. Nichtsdestotrotz fühlen sie sich ebenso zu
unrecht inhaftiert wie alle im Rahmen des G-8 Inhaftierten und fordern ihre
umgehende Freilassung.

Alessandria
Mit großer Freundlichkeit wurden wir von der Anstaltsleiterin begrüßt, die
uns sofort anbot, die Zellentrakte zu besuchen sowie freie Hand bei der
Auswahl der zu besuchenden Häftlinge ließ. Rechtzeitig zum Gipfel hatte man
hier die Gefangenenzahl von 350 auf 100 reduziert um Platz für die
erwarteten "gewalttätigen" Demonstranten zu haben. Eigens zu diesem Zweck
wurden alle beweglichen Dinge aus den Zellen demontiert und sogar
die Betten aneinander geschweißt.
Unser Besuch im Zellentrakt zeigte offene leere Zellen, da alle Gefangenen
sich mehrere Stunden lang täglich gemeinsam in einem
Gemeinschaftstrakt aufhalten können, wo Besucher- und Anwältezimmer sind
sowie eine grosse Raucherzelle. Darüber hinaus können sie regelmäßig
mehrmals täglich nach draußen zum Hofgang. Sowohl die Gefängnisleitung als
das Wachpersonal schien überrascht durch die Freundlichkeit und
Friedfertigkeit der Gefangenen, so dass man ihnen mehr Rechte einräumt als
anderen Gefangenen. Trotz der massiven psychischen und physischen
Beeinträchtigungen, die die Gefangenen bei ihrer Verhaftung und im
Polizeigewahrsam erlitten haben, war die Stimmung relativ gut. Hier wurden
auch Besuche von Freundinnen zugelassen.
Intensiv erschien mir die anwaltliche Betreuung. Auch das österreichische
Konsulat hatte wohl eigens einen Rechtsberater entsandt, um die
Gefangenen über das Nötigste zu informieren.

Anwaltliche Betreuung
Erst am Tag meines Besuches erfuhr ein Angeklagter im Marassi-Gefängnis
durch einen Besuch seines Rechtsanwaltes, dass er ­ wie nahezu alle ­
wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, dem sog. "Black
Block" angeklagt sei. Alle anderen kannten bis dahin ihre Anklageschrift
nicht. Die meisten Gefangenen hatten lediglich eine Liste der bei ihnen
beschlagnahmten Gegenstände erhalten ­ zum überwiegenden Teil in
italienisch. Einige von ihnen hatten bis auf den gestellten
Pflichtverteidiger noch keinen eigenen Anwalt. Durch Gespräche mit den
Gefangenen,
Angehörigen und Freunden konnten Kontakte zu Anwälten hergestellt werden.
Listen mit Namen von deutsch- und englischsprechenden
Rechtsanwälten, die das Generalkonsulat zum Teil an die Gefängnisleitungen
überstellt hatten, waren nach Auskunft mehrerer Gefangener ihnen nicht
ausgehändigt worden. Die Suche nach adäquaten Anwälten ist für Außenstehende
schwer, obwohl das Genua Social Forum sich bemühte zu helfen.
Viele Anwälte waren jedoch durch die vielen Verhaftungen im Rahmen des
G-8-Gipfels überlastet, so dass einige der Gefangenen sich nicht
ausreichend vertreten fühlten. Durch die eingeschränkten
Kommunikationsmöglichkeiten der Gefangenen war es äußerst schwierig,
Informationen
über Anwälte in die Gefängnisse hinein und hinauszubringen. Wir haben
mehrfach Erklärungen über die Anwaltswahl an Gefängnisleitungen und
Rechtsanwälte weitergeleitet, so dass jetzt hoffentlich eine adäquate
anwaltliche Vertretung möglich ist. Natürlich ist auch die finanzielle Seite
ein
Problem, da Angehörige mit der Forderung z.B. eines Anwalt auf 10.000 DM
Vorschuß eindeutig überfordert sind.
Durch die vermutete Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, dem
sog. Black Block wird den Gefangenen unterstellt, an bestimmten
Gewaltaktionen beteiligt gewesen zu sein, so z.B. Zerstörungen,
Plünderungen, dem Werfen von Molotow-Cocktails u.a. Keine Rolle spielt
hierbei
scheinbar, dass alle mehrere Tage nach den Auseinandersetzungen in Genua und
teilweise weit entfernt inhaftiert wurden. Lediglich das Auffinden
dunkler Kleidungsstücke und bestimmter Gegenstände reicht für diese
Vermutung aus. Mehrere Gefangenen klagten darüber, dass man bei der
Durchsuchung ihrer Fahrzeuge Gegenstände gefunden haben will, die ihnen
nicht gehörten, trotz allem wurden sie gezwungen, die entsprechenden
Beschlagnahmeprotokolle zu unterzeichnen.
Welche Relevanz dieses in einem Verfahren haben wird, bleibt zu prüfen. Die
Frage der Prozessführung und anwaltlichen Taktik war für Angehörige
immer wieder ein Thema.
So spielte eine Rolle, inwieweit die Gefangenen darauf verzichten sollten,
über die schweren Misshandlungen im Polizeigewahrsam auszusagen in der
Hoffnung, dass es durch derartigen Verzicht zu einer Haftentlassung kommen
möge. Mehrere Angehörige möchten keine politische Thematisierung.
Auch gab es Versuche, die Veröffentlichung der mir von einigen
Gefangenengruppen überreichten Resolutionen zu verhindern. Dem gegenüber
stehen die Aussagen der Angeklagten, die sich durchaus als politische
Gefangene verstehen und mir entsprechende Resolutionen überreichten ­ aus
Angst vor Repressionen größtenteils namenlos. In Gesprächen mit Vertretern
des Genua Social Forum und der kommunistischen Partei ging es
insbesondere um die notwendige Solidarität mit dem ausländischen Gefangenen
und wie sich diese gestalten könne. Die angespannte innenpolitische
Situation nach den G-8-Ausschreitungen hat anfänglich zu einer gewissen
Zurückhaltung im politischen Aktionsradius geführt, die mittlerweile aber
überwunden ist. Es gibt mittlerweile eine breite Solidarität. Dringend
erforderliche Schritte des Generalkonsulats/Auswärtigen Amtes Prüfung der
juristischen Situation, z.B. ob die Möglichkheit einer Haftentlassung und
Ausreise an die Heimatorte besteht im Rahmen des Schengener
Abkommens, von wo aus ggf. der Prozess abgewartet werden kann. Druck auf die
italienische Regierung, die Anklage fallen zu lassen, da es sich
offensichtlich um reine Willkür handelt und die Anklagepunkte einer
ernsthaften juristischen Überprüfung nicht standhalten dürften. Es gibt
keinerlei
Anhaltspunkte dafür, dass die deutschen Inhaftierten ebenso wenig wie die
Angehörigen der Volxtheatergruppe an Ausschreitungen, Gewalttaten,
Plünderungen o.ä. beteiligt waren. Der Vorwurf Angehörige einer kriminellen
oder gar terroristischen Vereinigung ist absurd und entbehrt jeder
Grundlage. Der Besitz schwarzer oder dunkelgrauer Kleidungsstücke ist ebenso
wenig ein Straftatbestand wie der Besitz von Campingausrüstungen,
Küchenmessern oder Korkenziehern.
Die Bundesregierung muß dieses der italienischen Regierung gegenüber
deutlich zum Ausdruck bringen und die sofortige und bedingungslose
Freilassung fordern und die Herausgabe aller beschlagnahmten Sachen und
Fahrzeuge. Das gleiche gilt für alle Regierungen, deren Staatsangehörige
im Rahmen des G-8 Gipfels inhaftiert, verletzt oder abgeschoben wurden.
Das Generalkonsulat muß personell aufgestockt werden, um den Gefangenen und
Angehörigen eine adäquate und ständige Betreuung zu
gewährleisten. Darüber hinaus sollte ein Rechtsberater vor Ort Angehörigen
beratend zur Seite stehen, z.B. über Verfahrensschritte informieren, da die
Kommunikation mit den Anwälten durch mangelndes Sprachverständnis schwierig
ist. Im Gefängnis selbst sollten mindestens zweiwöchentliche
Besuche stattfinden.
In der deutschen und internationalen Öffentlichkeit ist dringend eine breite
Solidarität erforderlich. Es kann nicht hingenommen werden, dass
Globalisierungskritiker auf diesem Wege a) kriminalisiert werden und b) eine
legitime und berechtigte Kritik an der Globalisierungspolitik auf diese
Art und Weise zum Schweigen gebracht werden soll.
Ich fordere die sofortige Freilassung aller im Rahmen des G-8-Gipfels aus
politischen Gründen Inhaftierten, die Einstellung aller Verfahren sowie die
Herausgabe aller beschlagnahmten Gegenstände. Dringend erforderlich ist eine
Internationale Untersuchungskommission, die sich umgehend an die
Arbeit macht, bevor weitere Beweismittel für die brutale Gewalt im Vorgehen
gegen G-8-Gipfeldemonstranten verschwinden.

Göttingen, den 8.8.2001
Heidi Lippmann




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