[rohrpost] TELEPOLIS: Kunst im Zeitalter intelligenter Waffen

Krystian Woznicki krystian@snafu.de
Sun, 30 Dec 2001 00:40:40 +0100


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  Kunst im Zeitalter intelligenter Waffen

  Peter Nowak   30.12.2001

  Gespr=E4ch mit dem Filmemacher Harun Farocki =FCber intelligente Waffen

  Wie kaum ein anderer K=FCnstler in Deutschland besch=E4ftigt sich der
Filmemacher [1]Harun Farocki mit den Ver=E4nderungen von Macht und
Herrschaft durch die technische Revolution. Sein letzter Kurzfilm
"Auge/Maschine" ( [2]Kamerawaffen), der im Oktober auf 3sat Premiere
hatte, besch=E4ftigt sich mit der seit dem zweiten Golfkrieg forcierten
Entwicklung intelligenter Waffen und den Ver=E4nderungen f=FCr die
Kriegspropaganda. Die Arbeit ist bis 13. Januar 2002 begleitend zur
Wehrmachtsausstellung in den [3]Kunst-Werken in der Auguststrasse in
Berlin-Mitte zu sehen.

   Sie haben k=FCrzlich Ihre neueste Arbeit "Auge/Maschine" in den
Kunstwerken vorgestellt. Warum ging es dabei?

       Harun Farocki: Es geht um "intelligente" Waffen und ebensolche
Maschinen. 1991, beim Golfkrieg, da wurden ja zum ersten Mal die Bilder
von den sogenannten "smart bombs" von den US-Amerikanern publiziert.
Das waren Luftaufnahmen in schwarz/wei=DF, im Zentrum ein Fadenkreuz. Man
sah ein Projektil auf das Ziel zufliegen, dann kam die Detonation,
damit riss der Film ab. Es gab auch Bilder aus dem Kopf der Projektile.
Da flog die Kamera auf das Ziel zu und das Bild riss ab, weil sie
zerst=F6rt wurde. Obwohl diese Bilder inflation=E4r viel gezeigt wurden,
auch sp=E4ter, in den Kampagnen in Jugoslawien, unterliegen die
Fernlenkwaffen noch immer der Geheimhaltung. Es ist kaum m=F6glich,
Bilder zu bekommen, mit denen die Funktion dargestellt wird. Deshalb
wichen wir auf zivile Produkte aus, wir suchten und fanden Bilder von
Robotern, die Kamera-Augen haben und ein Bildverarbeitungsprogramm.
Damit finden sie ein Werkst=FCck und k=F6nnen es ergreifen, so, wie eine
Waffe ihr Ziel finden soll. Diese Substitution ist nicht willk=FCrlich,
es gibt nat=FCrlich einen Zusammenhang von G=FCterproduktion und
Kriegsf=FChrung, technisch wie geistig.

   Welche Auswirkungen haben die seit dem Golfkrieg ver=E4nderten "Bilder
vom Krieg" auf die Kriegspropaganda?

       Harun Farocki: Die Bilder, die wir im Golfkrieg zum ersten Mal
sahen, operative Bilder, die eigentlich nicht f=FCr die =D6ffentlichkeit
bestimmt waren, waren ja sehr anders als alles, was wir an Propaganda
kennen. Es gab keine Farbe, keine Musik, es gab kaum den =FCblichen
Soldatenkitsch, auf diesen Luftbildern waren =FCberhaupt keine Menschen
zu sehen. Dennoch sind auch diese operativen Bilder Propaganda. Der
Anschein soll erweckt werden, die Projektile tr=E4fen stets und tr=E4fen
das festgesetzte Ziel. Die Projektile treffen immer besser, aber
keineswegs immer und im Irak wurden sehr viele Menschen get=F6tet. Auch
Saddam Hussein war es recht, dass die wahrscheinlich mehreren
hunderttausend Toten gar nicht erschienen. Und au=DFerdem sind diese
"smart bombs" eine Reklame f=FCr den n=E4chsten Rationalisierungsschub, f=FC=
r
die Flexibilisierung der zivilen Produktion. Die Bilder zeigen
nachdr=FCcklich die =DCberlegenheit der - fr=FCher h=E4tte man gesagt: der
Industriestaaten. Diese Bezeichnung trifft nicht ganz, denn es geht um
Industrie plus Informatik.

   Die Arbeit l=E4uft im gleichen Geb=E4ude wie die Wehrmachtsausstellung.
Sehen Sie einen Zusammenhang?

       Harun Farocki: Die Ausstellung =FCber die Verbrechen der Wehrmacht
erinnert daran, dass es eine pers=F6nliche Verantwortung gibt. Wir werden
von "Entwicklungen" bestimmt, allgemeine Anschauungen pr=E4gen sich aus,
aber wir m=FCssen uns immer wieder daran erinnern, dass wir eine
pers=F6nliche Verantwortung f=FCr das tragen, was wir tun oder nicht tun.

   Ihre Arbeit war vor den aktuellen Krieg in Afghanistan abgeschlossen.
Die Diskussion bei der Er=F6ffnung drehte sich darum. Beeinflusst die
Aktualit=E4t die Sichtweise auf Ihre Arbeit?

       Harun Farocki: Die USA f=FChren den Krieg in Afghanistan wie einen
Kolonialkrieg. Es gibt Fl=E4chenbombardements, kaum Berichterstattung und
eine nur sehr allgemeine Legitimierung. F=FCr universelle Werte kann man
so kaum k=E4mpfen, die Frage ist, ob das mit den neuen Waffen, von denen
meine Arbeit handelt, eher m=F6glich ist.

   W=FCrden Sie Ihre Arbeit =FCber die Wirkungsweise des Krieges
gleichzeitig auch als Arbeit gegen den Krieg bezeichnen?

       Harun Farocki: Von Barbara Ehrenreich, die ein gro=DFartiges Buch
=FCber den Krieg geschrieben hat, "Blutrituale", habe ich gelernt, dass
man den Krieg auf allen Ebenen bek=E4mpfen muss. Auch im Dialog mit den
Milit=E4rs, mit der technischen Intelligenz, die Waffen entwickelt. Wohin
entwickelt sich der Krieg? Das ist die Frage, zu deren Stellung ich
beitragen will.

  Links

  [1] http://www.farocki-film.de/
  [2] http://www.taz.de/pt/2001/10/19/a0143.nf/text
  [3] http://www.kw-berlin.de/

  Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/kino/11394/1.html

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