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Fri, 22 Jun 2001 09:27:32 GMT


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22.06.2001

Gibt es unzensierten Informationsaustausch?
junge Welt sprach mit Jan Möller
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* Bei den Protesten in Göteborg spielte das internationale
Nachrichtennetzwerk Indymedia eine wichtige Rolle. Jan Möller arbeitet
bei diesem Internetportal in Berlin mit

F: Was ist das Konzept von Indymedia?

Indymedia ist eine Plattform für alle Leute, die sonst nicht die
Möglichkeiten haben, sich in den bisher existierenden Medien zu
artikulieren. Sie richtet sich an alle Menschen, die die Möglichkeit
haben, im Internet an Informationen zu gelangen und selber
Informationen zu produzieren. Es gibt keine Redaktion, die die
Nachrichten verzerrt darstellen kann. Informationen und Nachrichten
sollen keine Ware, sondern allen frei zugänglich sein. Darin besteht
der emanzipatorische Moment des Projekts.

F: Wie ist Indymedia entstanden?

Die Idee entstand Ende der 90er Jahre in Melbourne. Aktivisten von
»critical mass«, einer weltweiten Bewegung politisch aktiver
Fahrradfahrer, wollten ihre Aktionsberichte sofort ins Netz stellen
und entwickelten dazu eine spezielle Software. In den USA fand diese
Idee schnell Nachahmer. Während der Proteste gegen den
Weltwirtschaftsgipfel in Seattle im Herbst 1999 wurde Indymedia
erstmals international bekannt. Mittlerweile gibt es weltweit zirka 60
Indymedia-Center, davon rund die Hälfte in den USA und 13 in Europa.
Seit März 2001 ist das deutsche Indymedia im Internet.

F: Viele gehen statt zur Demo lieber ins Internet, lautet einer der
Kritikpunkte an solchen Konzepten. Fördert Indymedia nicht eher die
Konsumhaltung in der Linken?

Sicher gibt es diese kritisierte Konsumhaltung. Manche sitzen halt
jetzt statt vor dem Fernsehgerät vor dem Computer, um sich zu
informieren. Es gibt aber auch genügend Beispiele, wo über Indymedia
Leute mobilisiert und aktiviert worden sind. Das war bei den Castor-
Transporten im Frühjahr schon so, und das hat sich auch jetzt bei den
Protesten gegen den EU-Gipfel in Schweden wieder bestätigt.
Schließlich erreichen wir über das Internet ganz andere Kreise als
kleine linke Szenezeitungen. Wie hoch sind die Zugriffszahlen auf die
Seite? Die Anzahl der täglichen Zugriffe schwankt durchschnittlich
zwischen siebentausend und zwanzigtausend. Wenn Aktionen wie im
Wendland oder in Göteborg anstehen, steigt die Anzahl der Zugriffe
natürlich sprunghaft.

F: Gab es schon Reaktionen von den traditionellen Medien?

Indirekt. So kam es des öfteren vor, daß wir die Meldungen von
Indymedia in bürgerlichen Medien wiedergefunden haben. So hat der
Guardian in Großbritannien die Indymedia-Meldungen über die 1.-Mai-
Aktivitäten dieses Jahres in London im Wortlaut übernommen. Die haben
sich nachher sogar per Mail bei uns bedankt.

F: Wird Indymedia nicht dadurch zum unentgeltlichen Zuarbeiter für
bürgerliche Medien?

Da wir das Prinzip der freien Informationen verfolgen, können wir
nicht verhindern, daß sich andere Medien bei uns bedienen. In den
Indymedia-Zentren der USA wird es allerdings als legitim angesehen,
daß Autoren auf ihre Copyrightrechte bestehen. Bei
Indymedia-Deutschland gibt es dazu noch keine abschließende Meinung.

F: Wie gehen Sie als Verfechter der freien Informationen mit
faschistischen, antisemitischen oder sexistischen Meldungen um?

Der Umgang damit ist auch ein Punkt, der unter den verschiedenen
Indymedia-Zentren noch diskutiert wird. Zunächst bestand der Anspruch,
alles ohne Einschränkungen ins Netz zu stellen. Doch davon ist man in
der internationalen Indymedia-Gemeinde mittlerweile abgekommen. Dazu
haben die Internet-Reaktionen auf den Nah-Ost-Konflikt beigetragen, wo
regelrechte Haßmails verschickt worden waren. Jetzt ist jedem
Indymedia- Zentrum der Umgang freigestellt. Bei uns werden Meldungen
mit rechten Inhalten nicht ins Netz gestellt, können aber auf Wunsch
Interessierten zugemailt werden. Bisher gab es bei uns allerdings erst
wenige Fälle, wo wir darauf zurückgegriffen haben.

F: Welche Perspektive hat Indymedia?

Durch den enormen Boom in den letzten Monaten ist das Projekt an
technische Grenzen gestoßen. Zur Zeit ist man auf der Suche nach neuen
Servern, wofür auch viel Geld gebraucht wird. Perspektivisch will
Indymedia über das Internet hinausgehen. Eine Indymedia-Printausgabe
ist ebenso im Gespräch wie Indymedia-Radios und - Satellitenfernsehen.

Interview: Peter Nowak

* Indymedia ist im Internet unter http://de.indymedia.org zu finden

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