[rohrpost] Cyberfeministische Internationale, 13.12.2001, Hamburg
Anne Schreiber
anne.schreiber@student.hu-berlin.de
Mon, 19 Nov 2001 22:26:42 +0100
Hi,
die 3. Cyberfeministische Internationale Konferenz findet vom 13.12.
2001 bis 16. 12. 2001 in Hamburg statt.
Weitere Infos unter: http://www.kuni.org/v/obn/obn-pro.htm#vci
Aus aktuellem Anlass nachfolgend eine weiterfuehrende
Gespraechsanregung: ein kurzer Beitrag von Verena Kuni zu
Cyberfeminismus, der in der Berliner Gazette, 26.09. [thatcher]
erschien.
Viele Gruesse,
Anne Schreiber
- http://www.berlinergazette.de
Soft Skills
oder: >>Warum Cyberfeminismus kein gruenes Haekeldeckchen ist.<<
[ ] E-Glosse: Verena Kuni, Medienwissenschaftlerin [1]
Alle reden von Cyberfeminismus? Das klingt wie ein Maerchen aus der
Zeit, als der >Cyber<-Hype noch geholfen hat. Doch in Kombination mit
dem Neue-Medien-Kompetenz signalisierenden Appendix scheint das sonst
so verpoente >F*********<-Wort nicht wenigen Menschen erstaunlich leicht
ueber die Lippen zu gehen.
Und zwar nicht nur im Umfeld der akademischen Gender-Studies, wo
mittlerweile sogar schon ganze Abschlussarbeiten zum Thema
Cyberfeminismus verfasst werden. Die deutsche Uebersetzung von >Zeros
and Ones<, dem Buch, mit dem die britische Kulturwissenschaftlerin Sadie
Plant den Begriff Mitte der neunziger Jahre - und damit parallel zu der
australischen Kuenstlerinnengruppe VNS [sprich: Venus] Matrix [2] -in
den Fachjargon der Cybergemeinde einbrachte, erschien vergangenen Herbst
sogar bereits in zweiter Auflage - und zwar als Goldmann-Taschenbuch.
Mithin also in einem publizistischen Umfeld, das sich normalerweise
nicht gerade als Sprachrohr fuer Nischenkulturen wie
ElfenbeinturmbewohnerInnen oder gar Feministinnen versteht.
Nun ist bei Sadie Plant selbst weniger von Feministinnen und von den
Technologien des Geschlechts als vielmehr von >Digitalen Frauen< als
Protagonistinnen der neuen Technokultur die Rede, jenen mythischen Wesen
also, die man leicht mal eben mit der Robotermaid >Maria< aus Fritz
Langs und Thea von Harbous >>Metropolis<< verwechseln kann. Zur
Popularitaet des Zauberwortes Cyberfeminismus hat Plant auf diese Weise
sicherlich beigetragen - den Bezug zu einer real existierenden
(cyber)feministischen Netzpraxis bzw. deren Potentialen und Perspektiven
bleibt sie jedoch weitgehend schuldig. Das waere vor der Hand vielleicht
nicht weiter problematisch (zumal es ja u.a. noch die oben erwaehnten
akademischen Abschlussarbeiten gibt). Wenn aus diesem schnoeden Umstand
nicht auch die KritikerInnen von Cyberfeminismus ihre Argumente beziehen
wuerden, deren schlichte Formel man wie folgt zusammenfassen koennte:
Cyberfeminismus ist das Ergebnis einer oberflaechlichen Lektuere der
Schriften Donna Haraways, gewuerzt mit ein paar flotten Stories aus der
Geschichte der digitalen Technologien (= Plant) und anschliessend
dekoriert mit ein bisschen Kunst (= VNS Matrix).Stell dir vor, alle
reden von Cyberfeminismus - und keine(r) weiss, worum es dabei geht.
Selbst schuld, liebe Cyberfeministinnen koennte man da natuerlich sagen.
So macht man das doch auch nicht. In einem Manifest z.B. sollte ganz
klar stehen, was Cyberfeminismus ist. Und nicht, was Cyberfeminismus
nicht ist: >>Cyberfeminismus ist kein gruenes Haekeldeckchen<< [3]. Und
dann hiess das, was ihr damals zum Abschluss der Ersten
Cyberfeministischen Internationalen im Hybrid Workspace auf der
documenta X in Kassel veroeffentlicht habt, noch nicht mal Manifest,
sondern >100 Anti-Thesen<. Woran soll man sich denn da halten, bitte
schoen?
Dass Cyberfeminismus - anders als es Plants farbenfrohe
Gegenwartsmythologie suggerieren mag - keine schlichte Differenzrechnung
aus Einsen und Nullen ist (im Sinne von: Die Mathematik wie gehabt, nur
unter umgekehrten Vorzeichen) und auch kein Allzweckwerkzeug, bei dem
die idiotensichere Bedienungsanleitung gleich mitgeliefert wird, scheint
fuer manche ein echtes Problem zu sein. Aber moeglicherweise geht es
doch gerade darum, sich immer wieder ganz gezielt Probleme zu machen und
die Gender Troubles im Umgang mit Informations- und Biotechnologien
gerade dort, wo sie laengst auf der Hand zu liegen scheinen, neu zu
formulieren - anstatt sich von anderen sagen zu lassen, welche Probleme
man als >Frau< mit digitalen Technologien haben soll?
Mit Bastelanleitungen (>Cyberfeminismus - leicht gemacht!<) und
kanonischen Definitionen (>Die Wahrheit ueber Cyberfeminismus<) ist da
niemandem gedient. Wohl aber mit dem Austausch ueber Werkzeuge und
Strategien, ueber theoretische und praktische Anwendungen also, die das
Label Cyberfeminismus mit Leben fuellen. Dem dienen neben Mailinglisten
und face2face-Treffen im Rahmen von Medienfestivals, Ausstellungen und
Symposien die >Cyberfeministischen Internationalen<, zu deren
mittlerweile dritter - der >Very Cyberfeminist International< - das Old
Boys Network (OBN) [4] fuer diesen Dezember nach Hamburg einlaedt
[5].Stell Dir vor, alle reden von Cyberfeminismus - im Singular. Dabei
kann man ihn im Plural vielleicht sogar praktizieren. Im (Old Boys')
Netzwerk beispielsweise. Neugierig geworden? Mailto: boys@obn.org!
1. http://www.kuni.org/v/
2. http://sysx.org/vns
3. http://www.obn.org/kassel/index.html
4. http://www.obn.org
5. http://www.kuni.org/v/obn/obn-pro.htm#vci