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Wed, 12 Sep 2001 06:00:03 +0200


Die Nachrichten

Zu Beginn der Ausschusssitzung wurde zun=E4chst gar nicht nach den
Fl=FCgen gefragt, sondern nach dem Mazedonieneinsatz. Jetzt kocht die
Ger=FCchtek=FCche =FCber. Es hat eine Stunde gedauert, doch nun brodelt e=
s
in den Newsgroups. "Das deutsche Volk steht in dieser schweren Stunde
an der Seite der Vereinigten Staaten von Amerika", schrieb Schr=F6der.
Zahlreiche Diskutanten rufen nach Krieg. Man wisse zwar nicht, wer die
T=E4ter seien, aber das Attentat h=E4tte die USA als Freunde Israels
getroffen, wurde argumentiert. Nur Hollywood wusste es besser, seine
Produzenten, seine Drehbuchautoren. "Die Freiheit selbst wurde heute
Morgen von einem gesichtslosen Feigling angegriffen, und die Freiheit
wird verteidigt werden." Vor laufenden Fernsehkameras, vor den Augen
von vielen hundert Millionen Menschen, hat eine ungeheuerliche und
extrem skrupellose Terrororganisation die Supermacht USA direkt und in
ihrem Herzen angegriffen. "Diese barbarischen Akte stellen eine nicht
zu tolerierende Aggression gegen die Demokratie dar und unterstreichen
die Notwendigkeit, dass die internationale Gemeinschaft und die
Mitgliedstaaten der Allianz ihre Kr=E4fte vereinigen, um die Geissel des
Terrorismus zu bek=E4mpfen." Sprecher Rainer K=FCppers sagte am Dienstag
in M=FCnchen, die Schadenslast der Anschlagswelle in den USA k=F6nne f=FC=
r
die M=FCnchener R=FCck erheblich sein. Er hatte das Geschehen am
Fernsehbildschirm verfolgt. Lichtblick: Die OPEC verspricht stabile
=D6lpreise. Im Libanon schossen radikale Pal=E4stinenser dagegen
Freudensalven in die Luft. Die Er=F6ffnung des J=FCdischen Museums sollte
jedoch wie geplant am Abend stattfinden. F=FCr die zigtausend
Mitarbeiter der zahlreichen amerikanischen Sicherheitsdienste hat sich
etwas ereignet, das in ihren Augen eigentlich v=F6llig unm=F6glich war.
Die Webcams sind offline, die Chatr=E4ume leer. Auch AmyKathren hat nur
den Fernseher, das Radio. "Das Pentagon soll brennen", sagt sie.
"Welches Volk auch immer daf=FCr verantwortlich ist", schreibt ein
Diskutant, "sollte in Grund und Boden gebombt werden!" Die Frage,
welche fanatischen Hirne hinter dieser barbarischen Terrorwelle
stecken, ist noch nicht beantwortet. "Es besteht kein Zweifel daran:
Die Vereinigten Staaten werden die, die f=FCr diese feigen Taten
verantwortlich sind, zur Strecke bringen und bestrafen." Doch noch ist
nicht klar, ob die USA zur=FCckschlagen werden - und gegen wen.
Wahrscheinlich haben sie das, wenn diese Zeitung ausgeliefert ist,
bereits getan. Der Vergeltungsschlag kann schon bald beginnen. Auch
der ehemalige US-Aussenminister Henry Kissinger forderte w=E4hrend
seines Berlin-Besuchs eine konsequente Vergeltungsaktion. Er sei bei
seinem Besuch in Mazedonien am 30. August von Journalisten mit
Pressemeldungen konfrontiert worden, in denen bereits der Weg der
Soldaten nach Mazedonien geschildert worden sei. Die Pressekonferenz
erfolgte auch vor dem Hintergrund, dass Afghanistan f=FCrchtet, Ziel
eines schnellen US-Vergeltungsschlags zu werden. Auch die =E4gyptische
Regierungszeitung "El Ahram" mahnte Ende August, dass der
israelisch-arabische Konflikt zu einem "umfassenden und gef=E4hrlicheren
US-arabischen Konflikt" geworden sei. "Es ist Zeit, die Pal=E4stinenser
aus Jerusalem herauszuwerfen. Sofort." Schreibt einer - und f=E4llt
damit als moderate Stimme auf. Der franz=F6sische Pr=E4sident Jacques
Chirac hielt am Abend eine kurze Fernsehansprache, um =C4ngste zu
beruhigen. "Ich gebe alle Ausk=FCnfte, um die man mich bittet." Vor
wenigen Minuten noch habe er mit einer Frau gesprochen, die den
Einschlag des zweiten Flugzeuges habe sehen k=F6nnen. "Gott segne
Amerika." Ein Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Aussenwirtschaft der
Deutschen Wirtschaft sagte, drei deutsche Firmen seien in den beiden
B=FCrot=FCrmen untergebracht gewesen. Die Namen der Firmen w=FCrden aber
zun=E4chst nicht bekannt gegeben. "Ein Land, dass diesen Schurken
Unterschlupf gew=E4hrt, tr=E4gt auch einen entsprechenden Anteil an der
Verantwortung." Verteidigungsminister Rudolf Scharping hat im
Verteidigungsausschuss eine Liste seiner s=E4mtlichen 349 Flugreisen
seit seinem Amtsantritt vorgelegt. "Europ=E4er, die USA und alle
friedliebenden Menschen der Welt halten zusammen und verurteilen und
widerstehen dem Terrorismus mit aller Kraft." Das Ausw=E4rtige Amt hat
eine Hotline eingerichtet: 01888/174600. Der Euro stieg unmittelbar
nach den Anschl=E4gen zwischenzeitlich um bis zu einen Cent auf =FCber
0,91 Dollar. "Hier geht das Menschliche vor", sagte der Sprecher. CDU
und CSU sowie FDP und PDS hielten an ihren Forderungen fest, dass
Scharping zur=FCcktreten m=FCsse. Die UNO und Holland mahnen dagegen vor
=DCberreaktionen. Die Grenzen zu =C4gypten und Jordanien wurden
geschlossen. Die Staaten m=FCssten zudem besser bei der Umsetzung von
Anti-Terror-Vertr=E4gen kooperieren. Die London Stock Exchange wurde
evakuiert, der Handel aber fortgesetzt. Innensenator Ehrhart K=F6rting
wollte den Regierenden B=FCrgermeister Klaus Wowereit (beide SPD) und
die Kabinettsmitglieder dar=FCber informieren, wie die innere Sicherheit
in der Stadt zu gew=E4hrleisten ist. Das Land m=FCsse wachsam sein und
ruhig die Lage er=F6rtern. Derweil tobt in den Newsrooms der Ruf nach
Rache. "Unsere Armee zu Hause und in der ganzen Welt steht in hoher
Alarmbereitschaft, und wir haben die n=F6tigen Sicherheitsmassnahmen
getroffen, um die weitere Funktionsf=E4higkeit Ihrer Regierung sicher zu
stellen." So habe Paris Massnahmen ergriffen, die die Sicherheit in
Frankreich erh=F6hen sollen. "Die Entschlossenheit unserer grossen
Nation wird gepr=FCft." Um Hunderte Passagiere einfach und bequem von
einem Ort zum anderen zu transportieren, ben=F6tigt ein Flugzeug
gewaltige Mengen Energie. Unmittelbar nach den Terroranschl=E4gen auf
das WTC und Regierungsgeb=E4ude war der =D6lpreis um bis zu 4 US-Dollar
auf 31 Dollar je Barrel (159 Liter) in die H=F6he geschossen. Sie sind
Anschl=E4ge auf die eine, freie und offene Welt. Bei der Bundeswehr
wurden zun=E4chst keine Sondermassnahmen ergriffen. R=FChe habe binnen 18
Monaten die Flugbereitschaft f=FCr 361 Fl=FCge in Anspruch genommen. Dies
mache im kommenden Jahr zwei Milliarden Mark aus, sagte Eichel. Er
k=F6nne nicht ausschliessen, dass die umliegenden Strassen im beliebten
Szeneviertel am Abend gesperrt werden. Alle Fl=FCge Richtung USA wurden
zur=FCckbeordert oder umgeleitet. Die Zwillingst=FCrme des World Trade
Center, in denen t=E4glich 40.000 Menschen arbeiten, gingen nach den
schweren Explosionen in Flammen auf. Die M=FCnchener R=FCckversicherung
ist an der Feuerversicherung des World Trade Centers beteiligt. 50 000
Menschen sollen im World Trade Center arbeiten. Sie richten sich gegen
eine Welt, in der man zwar in dem einen oder anderen Fall einander
=FCbers Ohr haut, sich aber nicht die Sch=E4del einschl=E4gt. Israels
Ministerpr=E4sident Sharon forderte in einem Interview Reaktionen, "die
genauso radikal sind, wie diese Teufel es selbst gewesen sind." Es
gehe nicht um einzelne Fl=FCge, sondern um das Gesamtbild. Die Sicht in
New York war vollkommen klar, und die Zone im S=FCden Manhattans war
nicht f=FCr Fl=FCge zugelassen. Nur wenig sp=E4ter fiel auch der zweite T=
urm
in sich zusammen. Am 11. September 2001 wurde der Kampf gegen den
internationalen Terrorismus und gegen die, die ihn unterst=FCtzen oder
auch nur nicht bereit sind, den Kampf gegen ihn zu unterst=FCtzen, auf
Platz Eins der Agenda der Weltpolitik gesetzt. Kuriosum: Euro stieg
als Terrorfolge. Ein amerikanischer Albtraum ist wahr geworden.

[Eine Montage aus Beitr=E4gen in Spiegel online, BerlinOnline, SZ online
vom 11./12.09.2001]

http://www.woerterberg.de/archiv/2001_09_09_index.html#5628592