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lerone@iname.com
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Wed, 12 Sep 2001 22:21:06 +0800
Das terroristische Wettrüsten
Florian Rötzer 12.09.2001
Der Aufmerksamkeitsterror und die erhabenen
Spektakel
Die terroristischen Anschläge auf die USA zeigen
neben der Entschlossenheit der Täter, ihr Leben
und das möglichst vieler anderer Menschen, die
zufällig am Ort sind, zu opfern, dass trotz aller
militärischer Aufrüstung und technischer Systeme
nirgendwo auf der Welt mehr Sicherheit garantiert
werden kann. Gerade die neue amerikanische
Regierung, die die Aufrüstungsspirale etwa mit
dem Aufbau des Raketenabwehrsystems zum
Schutz vor Angriffen auf das Land vorantreiben
wollte, muss jetzt sehen, dass selbst eine
technisch hochgerüstete Supermacht den
Angriffen einer vermutlich kleinen Zahl von
Terroristen wehrlos ausgesetzt ist, die zudem in
einem furchtbaren und brachialen Showdown
bislang unerreichter Dimension mit dem World
Trade Center und dem Pentagon nationale
Symbole der wirtschaftlichen und militärischen
Macht zerstören konnten.
Im Grunde hat sich mit den offenbar gut
koordinierten Anschlägen die schon seit Jahren
befürchtete Eskalation des Terrors bestätigt. In
der nach dem Ende des Kalten Krieges und dem
Zusammenbruch der Sowjetunion als
uneingeschränkte Supermacht agierenden USA
wurde schon bald befürchtet, dass gerade wegen
der militärischen Überlegenheit vermehrt
"asymmetrische" Angriffe zu befürchten seien.
Unter Präsident Clinton wurde der Schutz der
nationalen Infrastruktur zu einem vorrangigen
Thema der nationalen Sicherheit und damit auch
der Orientierung von Militär und Geheimdiensten.
Allerdings glaubte man vielfach, dass in Zukunft
Gefahren von Angriffen mit den neuen
Massenvernichtungswaffen aus der Biologie oder
mit digitalen Mitteln ausgeführt oder zumindest
die informationstechnische Infrastruktur treffen
werden.
Präsident Bush jedoch setzte wieder eher auf
konventionelle Aufrüstung als Schutz vor Angriffen
durch Langstreckenraketen und forcierte
Szenarien, die Amerikas Schutz im Weltraum
anstrebten ( Pearl Harbor im Weltraum). Dass
nicht Raketen, biologische Agenten oder
Computerbomben, sondern zivile
Passagierflugzeuge, die im Inland entführt
wurden, als Angriffswaffen der
Selbstmordattentäter eingesetzt wurden, zeigt
zwar, dass auch die modernen Nihilisten mit der
Technik mitgehen, aber zu Mitteln greifen, mit
denen schon Generationen von Terroristen
vertraut waren und die primär keine
Zerstörungswaffen sind ( Warum auch militärisch
die teure Großtechnologie ein Auslaufmodell sein
könnte).
Die Anschläge zeigen aber auch, dass sich der
Terrorismus, entstanden im Zeitalter des
Dynamits und der Zeitungen, in einer
entsetzlichen Spirale der Überbietung immer
weiter hoch schaukelt. Während immer neue
Techniken der Beschleunigung entstanden, die
den Menschen neue und schnellere Reaktionen
abverlangten, trat zusammen mit der Werbung
und Propaganda, also der einzig auf die
Erweckung von Aufmerksamkeit zugeschnittenen
ästhetischen Information, im 19 Jahrhundert auch
eine politische Aktionsform auf die Bühne, in der
bereits die Ästhetik des Schocks kulminierte: der
Terrorismus. Sein Konzept begründet sich
bekanntlich auf der "Propaganda der Tat", die sich
an den Gesetzen der kollektiven
Aufmerksamkeitsorgane der freien Medien
orientierte, die wiederum im umkämpften Markt
der Aufmerksamkeit stets nach Sensationen
suchen müssen, um Interesse zu wecken. Die
Mitte des Jahrhunderts mit den Großstädten
entstandene Massenpresse konnte schnell an
Hunderttausende von Lesern eine Nachricht
vermitteln. Rundfunk, Fernsehen und heute das
Internet haben diesen Prozess lediglich noch
einmal beschleunigt und den Konkurrenzdruck
stetig vergrößert, Informationen als
Aufmerksamkeitswaren zu "verpacken", wofür
selbstverständlich schockierende Inhalte am
günstigsten sind. Aus dieser Perspektive bilden
Massenmedien als kollektive, aber um die
Aufmerksamkeit der einzelnen konkurrierende
Aufmerksamkeitssysteme mit den Terroristen -
auch im übertragenen Sinn -, die in der
Konkurrenz mit allen anderen Informationen eine
herausragende Nachricht inszenieren, ein
verschweißtes und sich aufschaukelndes
Gespann.
Für diesen Aufmerksamkeitsterror ist weniger
wichtig, wie "fortgeschritten" die Mittel des
Anschlags sind, sondern primär, wie viel
Schaden angerichtet werden kann, d.h.
vornehmlich, wie viele Menschen, die zufällig am
Ort des Anschlags anwesend sind, getötet oder
verletzt werden können. Zentral sind aber auch
die Bilder des Schreckens, die dadurch
entstehen. "Gelungener" Terrorismus gipfelt in
Bildern des blutigen und zerstörerischen
Spektakels, das vom Zufall der Opfer Zeugnis
ablegt, aber auch die Ästhetik der Destruktion
zelebriert. Das Flugzeug, das in den Turm des
World Trade Center einschießt und explodiert, ist
sicherlich, so zynisch das ist, eine der bislang
beeindruckendsten Bildsequenzen geworden,
das sich in der Fantasie der Menschen (und der
künftigen Attentäter) festsetzen wird. Aufgrund
ihrer ästhetischen Eigenschaften der
schrecklichen Erhabenheit wurden sie denn auch
pausenlos auf allen Sendern gezeigt (was
nebenbei auch demonstriert, dass das
Fernsehen hier dem Internet noch immer weit
überlegen ist, weil es den ungestörten Empfang
eben dieser permanent wiederholten Bilder bis
hin zur mentalen Betäubung erlaubte).
Die Dynamik des Aufschaukelns, die vornehmlich
auf die Erzielung von Aufmerksamkeit zielt, wird
weiterhin die terroristischen Strategien
beherrschen und vorantreiben, solange
Menschen verzweifelt und verblendet genug sind,
mit Kamikazeangriffen um den Preis des eigenen
Lebens ein blutiges Fanal setzen zu wollen, das
die schnelle Aktion über die Geduld und
Kompromisse verlangenden politischen Arbeit
setzt und wohl auch eine persönliche Macht
beweisen soll, die keine Lösungen, aber
immerhin Spektakel realisiert und Prominenz
erzeugt.
Die Anschläge haben auch demonstriert, dass
der Terrorismus wie alles andere global
geworden ist und sich ebensowenig wie die
hinter ihm stehenden Probleme an Grenzen
stoppen lässt. Sicherheitsstrategisch haben
amerikanische Militärs bereits vom Panikkrieg als
neuer Dimension gesprochen und darauf
aufmerksam gemacht, dass die herkömmlichen
Unterscheidungen von Innen- und Außenpolitik,
militärischen und zivilen Bereichen einbrechen (
Panikkrieg). Das kann zu einer Militarisierung der
Gesellschaft und vermehrt zu militärischen
Eingriffen im Ausland führen, könnte aber auch
bedeuten, dass die Zeit des Militärs abläuft,
während die Überwachung ausgebaut wird, weil
jeder potentiell zu einem Attentäter wird, der
Furchtbares anrichten könnte. Das terroristische
Wettrüsten vollzieht sich nicht mehr zwischen zwei
oder mehr Gegnern, sondern hat eine
Eigendynamik der Überbietung entfaltet, die sich
nur noch in der medialen Aufmerksamkeit
spiegelt. Die aber ist verwurzelt im faszinierten
Schrecken, einer fatalen Ambivalenz.
"Wir sind alle der gleichen Einschätzung und alle
der gleichen Meinung, dass es jetzt darum geht,
gegen diesen Angriff auf die zivilisierte Welt
Solidarität mit den Vereinigten Staaten zu üben."
(Bundeskanzler Schröder)
Wie immer die USA und mit ihr die anderen
Länder auf diese Anschläge außen- und
innenpolitisch, militärisch und
sicherheitsstrategisch reagieren werden, so
werden es die wenigen Terroristen erst einmal
geschafft haben, dass sich durch diesen "Angriff
auf die zivilisierte Welt" (Bundeskanzler Schröder)
viele kritiklos hinter die Politik der USA stellen
werden ( Aufkündigung der Zivilisation). Das aber
könnte in der Tat die von vielen beschworene
Veränderung der Welt bewirken. Die Reaktion des
CEO von CoffeeCup Software ist dafür
möglicherweise symptomatisch:
"We feel very strongly about this. We think that
whoever is found responsible for this should pay
the ultimate price. If any country is found
responsible, that country should be destroyed. If it
is a terrorist organization, it should be destroyed."
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