[rohrpost] FAZ-Feuilleton: "CNN-Fake" ist Indymedia-Fake

Florian Cramer cantsin@zedat.fu-berlin.de
Tue, 18 Sep 2001 14:18:52 +0200


Vorab: In seiner Berichterstattung über das WTC-Attentat und seine
Folgen übertrifft das FAZ-Feuilleton wieder einmal sich selbst. Neben
den Essays von Susan Sontag und Charles Sinic erschien dort heute 1. ein
lesenswerter Aufsatz von Hans Magnus Enzensberger über den Terror als
globalisiertes Menschenopfer, der sich arbiträrer ideologischer
Legimitationen bedient und 2. die deutsche Übersetzung eines Texts des
amerikanischen Exil-Afghanen Tamim Ansary, der seit Ende letzter Woche
in diversen Netzkultur-Mailinglisten zirkuliert.

Daß das FAZ-Feuilleton aufmerksam im Internet mitliest, beweist auch ein
Replik des Medienredakteur Michael Hanfeld auf die "Indymedia"-Meldung,
die Fernsehbilder der jubelnden Palästinenser nach dem WTC-Attentat
seien eine Fälschung. Ich zitiere:


"Den offenbar weltweit verbreiteten E-Mails zufolge soll es sich bei
einigen dieser Aufnahmen um Bilder aus dem Jahr 1991 handeln, die
zeigten, wie sich Palästinenser über Saddam Husseins Angriff auf Kuweit
freuten. Einer der Autoren, die als Heimatadresse "www.indymedia.org"
oder "www.awakenedwoman.com" angeben, spricht sogar davon, daß er in
seiner Heimat brasilien jemanden kenne, der heute als Universitätslehrer
arbeite und zuvor Bilder dieser Art ("the very same images") aufgenommen
habe. Das sei, wie gesagt 1991 gewesen.

Entsprechende Reaktionen auf diesen Verdacht, der darauf hinausläuft,
daß die "Propagandamaschine" CNN nichts anderes zu tun habe, als Haß
zwischen den Völkern zu schüren und die Welt auf einen Krieg
vorzubereiten, finden sich in den einschlägigen E-Mails
selbstverständlich auch. Zu ihrer Selbstvergewisserung bruachen die
Autoren nicht die kleinste Bestätigung. Ein Anruf bei CNN oder bei
Reuters TV in London, welche CNN die ersten Bilder aus Palästina
zugeliefert haben, hätten ihnen nicht nur das Dementi, sondern auch die
Erklärung gebracht, woher genau die Bilder kamen. Wie Peter Thomas
mitteilt, der Chef der Presseabteilung von Reuters TV London, wurden die
Bilder der Palästinenser, die sich über das brennende New York freuten,
direkt am Dienstag nachmittag von Reuters-Kameraleuten in Ost-Jerusalem
aufgenommen. Es sei "vollständig unwahr", wenn behauptet werde, diese
Bilder stammten aus dem Archiv.

Es sei bezeichnend, daß die Urheber solcher Gerüchte erst gar nicht den
Versuch unternommen hätten, sich um eine "Klarstellung von Reuters TV"
zu bemühen. Die Aufnahmen seines Hauses stammten aus Ost-Jerusalem,
aufgenommen am Nachmittag des 11. September 2001. Die Bilder der
Nachrichtenagentur AP, die ähnliche Szenen zeigten, seien seines Wissens
im Libanon gedreht worde. Die Vertreterin von CNN in Deutschland, Amelie
von Herinchrichdorff. weost doe Gerüchte ebenfalls "vollständig" zurück:
"Es ist sehr bedauerlich, inmitten dieser grauenhaften Ereignisse auf
Leute zu treffen, die in unverantwortlicher Weise per E-Mail falsche
Informationen verbreiten, um ihre eigenen poltischen Themen zu setzen",
sagte sie dieser Zeitung.

[...]

Inwiefern diese Szenen [Jassir Arafat beim Blutspenden, Anm.] oder die
zuvor gezeigten als pars pro toto gelten dürfen, ist dem Urteil des
Betrachters überlassen. Daß, wer glaubt, die Bilder mit
verschwörungstheoretischen Hinweisen entkräften zu können, es sich
ebenso zu einfach macht wie jene, welche Muslime unter Generalverdacht
stellen, zeigten nicht zuletzt Fernsehbeiträge wie jener, der Reaktionen
der islamischen Gemeinde in Paris sammelte. Bei den Stimmen, die hier zu
hören waren, überwog das Entsetzen. Es gab jedoch auch einen jungen
Mann, der ziemlich erregt sagte, am Dienstag "sehr zufrieden" gewesen zu
sein."

(Michael Hanfeld, Genau dieselben Bilder. Die erste Verschwörung geht
um: Wie man Zweifel an CNN sät, FAZ, Feuilleton/Medien, 17.9.2001, S.57)


-- 
http://userpage.fu-berlin.de/~cantsin/homepage/
http://www.complit.fu-berlin.de/institut/lehrpersonal/cramer.html
GnuPG/PGP public key ID 3200C7BA 
"c u in he][l][avan" (mez, _Viro.Logic Condition][ing][ 1.1_)