[rohrpost] Re: Ich und mein Medium SZ

Ruine der Kuenste Berlin ruine-kuenste.berlin@snafu.de
Wed, 14 Aug 2002 18:20:15 +0200


Ach ist das immer wieder lustig, wenn Nichtkünstler sich zu den Intentionen
der Künstler äussern, egal, ob es um Künstler geht, die kaum wissen was sie
tun und doch grossartig sind oder auch, wenn es um Wissende und Machende
geht, die trotzdem nicht schlecht sein müssen, von wegen 'Künstler rede
nicht...'. Groys, wenn er das wirklich so gesagt haben sollte, spinnt
natürlich, so ein Verhalten wünscht er sich, so wie viele Nichkünstler sich
den Künstler nach ihren Wünschen bilden wollen, erfundene Stile und
Ausstellungstitel dieser Art gibt es en masse in der 'Kunstanwender-Zeit'.
Der grösste Flop schon 1965 war Lawrence Alloways Guggenheim Show Systemic
Painting, von der keiner heute noch so arbeitet. Ein Künstler, der medial
arbeitet, wofür wir in den sechziger Jahren obsessioniert brotlos geblieben
sind, sollte heute in einer Zeit der (fast) nur noch manieristischen
Anwendung von Video, die natürlich aufregender ist als die puristische, das
hat der Manierismus nun mal an sich, wenigstens wissen, dass sein Material
Zeit ist.
Darum liegen einerseits alle, die das globale Hin-und Weggucken nicht
berücksichtigen, daneben, andererseits sind sie werkzeugblind. Denn ihre
Kunstanwendungsprodukte sind merkwürdigerweise (fast) immer noch
zeitstrukturiert. Diese 'Farbenblinden' kann man getrost als Medienmaler
vergessen. Oder sind sie nur opportunistisch: sie wissen doch, dass sie in
Gruppenshows landen?
Es gibt immer noch nichts Besseres, tut mir leid, als was ich schon 1975 im
Haus am Lützowplatz in meiner Ausstellung (von nur Videos): Zyklus 25
An-Gleichungen gemacht habe und was Herzogenrath dann auch auf der Documenta
6 1976 quasi (ohne Zelte)wiederholte: Ich hatte damals drei schwarze Zelte
für maximal zwei Leute aufgebaut, an der Wand hingen Photoreihen der
jeweiligen Tapes wie Filmkader, man suchte sich was aus und es wurde im Zelt
(damals noch) aufgelegt (open reels). Das hatte die Intimität, die damals
für uns das Wichtigste war. Dass heute was Anderes wichtig sein kann, ist
möglich und nötig. Wollte man Groys ernst nehmen, dann müssten die Tapes
gleich alle nebeneinander auf allen Wänden a la Erimitage-Hängung in einem
einzigen Saal laufen. Aber das hat bisher kein Künstler gefordert. Hört
bitte auf, den Künstlern Ideen zu geben, das ist ja gr(oy)eusslich.
Wolf Kahlen