[rohrpost] ZKM-Medienkunstpreis

geert lovink geert@desk.nl
Wed, 9 Jan 2002 12:50:31 +1100


From: "Ralf Knüfer" <ralf.knuefer@berlin.de>

> Very polemisch, Geert, und auch das ist ja ok, so als libertärer ansatz,
> damit aber zu meinen, es handele sich um eine überflüssige frage, ist
> quatsch. die soziale praxis der bilderproduktion in den medien dient
> klar den herrschaftsinteressen, bebildert eine erzählung nur aus einer
> perspektive, zumindest gilt das fürs fernsehen und auch für die meisten
> bilder die tag für tag in den zeitungen erscheinen. so gut wie nie wird
> damit auch nur im ansatz die erlebensmöglichkeit des individuums
> erweitert. das gilt nicht minder für die texte.

das hiesse aber das "die erlebensmöglichkeit des individuums"
ueberhaupt nicht mit der medienfrage verbunden ist, verstehe
ich dich richtig? ich glaube schon das information und
kommunikation, sei es von weitem oder aus der nähe die
erlebensmöglichkeit der einzelnen vergrößert. oder meinst
du etwa das es nur eine richtige entfaltung nach der revolution
geben kann, wenn der kapitalismus einmal besiegt ist?
wenn die grenzen in der heutigen konstellation eh klar sind,
was schlagt du dann vor?

From: "Marian Bichler" <marian_bichler@magicvillage.de>

> 1) Was hat Bildkompetenz mit Interaktivität zu tun?

Für mich persönlich nicht viel aber für die Weibel Generation
ist das schon wichtig weil die Bilderströmen mit interaktiven
Geräten und Software theoretisch umgedreht werden könnten.
Der Ruf nach Interaktivität ist also direkt mit der Kritik
der passiven Medienkonsumenten verbunden.

> 2) Bilder lesen lernt man nicht in der Schule.

Kann sein, könnte sich aber ändern.

> 3) Ob Peter Weibel ein Bildermensch ist, bezweifel ich.

Darüber weiß ich nicht genug.

> 4) Ob Geert Lovink ein Bildermensch ist, bezweifle ich auch.

Das stimmt. Ich produziere keine Bilder, schaue mir aber
gerne Filme an. Websites auch. Gehe sogar manchmal ins
Museum.

> 5) Die Explosion der Visualisierungsmöglichkeiten ist m.E. in ihren
> kulturellen Folgen gar nicht einschätzbar.

Klar, wir stehen da erst am Anfang. Trotzdem gibt es seit fast
40 Jahren Videokunst und fast ein Jahrhundert Film, usw.
Daraus läßt sich doch etwas lernen?

> 6) Vielleicht ist es ja nur eine altbackene Vorstellung, man könne
> "Bilder schlüssig interpretieren".

Interpretieren wäre eine Sache. Bilderkompetenz ist schon
ziemlich wichtig. Damit verbunden aber ist für mich die
Möglichkeit selber Bilder herzustellen. Ich glaube das
heutzutage Interpretation nicht länger eine exklusiv
intellektuelle Tätigkeit ist. Ich habe die naive Hoffnung das die
Kritik der Bilder aus einer alternativen Bilderproduktion
herauswächst.

> Hast Du vielleicht auch einen Vorschlag, Geert, wie man abseits
> abgegessener Kunstdiskurse für die Frage der Bilder frische
> Perspektiven formulieren könnte?

Ja, ich bin sehr begeistert von den enormen Demokratisierungs-
potentiale die den digitalen Filmverfahren in sich hat. Die Preise
für gute Kameras, Computer und Schnittsoftware sind in
letzter Zeit enorm runter gekommen. Es ginge jetzt darum
eine offene Bilderkultur herzustellen die sich mit der Frage des
Vertriebes beschäftigt damit die experimentelle Bildkultur
sich richtig innerhalb der Gesellschaft nistet und sich nicht
versteckt. Ich bin zum Beispiel gespannt ob sich die recht
traditionelle Filmdistibution von der Dogme 1995 Gruppe
anders gemacht werden könnte. Jetzt ist die digitale
Revolution im Bereich Film auf der Herstellung beschränkt.

Ciao, Geert