[rohrpost] ZKM-Medienkunstpreis

Ralf Knüfer ralf.knuefer@berlin.de
Thu, 10 Jan 2002 15:28:53 +0100


> From: geert lovink [mailto:geert@desk.nl]

> das hiesse aber das "die erlebensmöglichkeit des individuums"
> ueberhaupt nicht mit der medienfrage verbunden ist, verstehe
> ich dich richtig? ich glaube schon das information und
> kommunikation, sei es von weitem oder aus der nähe die
> erlebensmöglichkeit der einzelnen vergrößert. oder meinst
> du etwa das es nur eine richtige entfaltung nach der revolution
> geben kann, wenn der kapitalismus einmal besiegt ist?
> wenn die grenzen in der heutigen konstellation eh klar sind,
> was schlagt du dann vor?

nein, du versteht mich nicht richtig. ich wütetete ja nicht gegen
information und kommunikation an sich, sondern gegen die maske, in der
sie oft genug auftritt. wie schreibt flusser so schön, der dialog sei
revolutionär, weil verschiedene inhaber von zweifelhaften und
bezweifelten teilinformationen versuchen, durch austausch dieser
teilinformationen versuchen, eine neue information zu erreichen. nur, wo
finden, wenn der dialog bereits immer durch interessen überlagert wird
und meist durch finanzielle, also unsere beziehungen meist durch das
medium geld strukturiert sind und damit den erkenntnismöglichkeiten enge
grenzen gezogen werden. das wäre meine these zu vielen formen der
alltagskommunikation. die mutation, die das menschliche denken durch das
geld erlitten hat, geht so tief, dass sie uns kaum bewusst wird oder wir
nur selten wagen, uns diese mutationen einzugestehen. kunst ist da ja
schon längst nicht mehr die ausnahme. damien hirst sieht sich auch als
marke und nicht als künstler, was zumindest witzig ist. ausnahme ist
eine temporäre autonome zone, wo die wirkung des geldes kurzfristig
außer kraft gesetzt ist, unser interesse nicht von
nützlichkeitsprinzipien gesteuert wird.

zum verhältnis von _technobild_ und text lässt sich viel sagen.

>
> From: "Marian Bichler" <marian_bichler@magicvillage.de>
>
> > 5) Die Explosion der Visualisierungsmöglichkeiten ist m.E. in ihren
> > kulturellen Folgen gar nicht einschätzbar.
>
> Klar, wir stehen da erst am Anfang. Trotzdem gibt es seit fast
> 40 Jahren Videokunst und fast ein Jahrhundert Film, usw.
> Daraus läßt sich doch etwas lernen?

die gegenwärtige situation lässt sich als delirium beschreiben, und ich
habe zweifel, ob wir den uns umgebenden bilderorgien gewachsen sind,
flusser ist da sehr klar, wie ich finde: technobilder haben die tendenz
unsere begriffe zu verschlingen "solange sich unserem bewusstsein nicht
jene ebene gefestigt hat, auf welcher technobilder funktionieren, werden
wir in einer kodifizierten welt herumtorkeln, ohne uns der programme,
nach denen sie uns manipulieren, bewusst zu werden." (kommunikologie, S.
167) die schwierigkeit ist, dass wir diese bewusstseinsebende nicht
durchhalten können. abends sitzen wir wieder vor dem fernsehen, werden
unkritisch und programmiert. "kurz gesagt, er (wir) den ganzen komplex
apparat-operator und texte vergessen, der zwischen den bildern auf dem
fernsehschirm und jenen bildern steht, welche sie zu sein vorgeben."
(ebd., s. 169) aus diesem komplex könne dann der nachgeschichtliche
totalitäre staat entstehen, ein "staat" als apparat, innerhalb dessen
die ganze menschheit nur funktioniert, um texte in technobilder,
geschichte in programme, begriffe in technowahrnehmungen zu übertragen.

> > 6) Vielleicht ist es ja nur eine altbackene Vorstellung, man könne
> > "Bilder schlüssig interpretieren".
>
> Interpretieren wäre eine Sache. Bilderkompetenz ist schon
> ziemlich wichtig. Damit verbunden aber ist für mich die
> Möglichkeit selber Bilder herzustellen. Ich glaube das
> heutzutage Interpretation nicht länger eine exklusiv
> intellektuelle Tätigkeit ist. Ich habe die naive Hoffnung das die
> Kritik der Bilder aus einer alternativen Bilderproduktion
> herauswächst.

flusser fordert "technoimagination" und meint damit die fähigkeit, "sich
bewusst bilder von begriffen zu machen und diese dann auch zu
entziffern".

cheers
ralf

http://www.ecstacity.de/