[rohrpost] SZ über geplantes Medienkunstzentrum in München

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Thu, 18 Jul 2002 23:06:24 +0200


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>Von: Florian Cramer <cantsin@zedat.fu-berlin.de>
>An: rohrpost@mikrolisten.de
>Betreff: [rohrpost] SZ =FCber geplantes Medienkunstzentrum in M=FCnchen
>Datum: Don, 18. Jul 2002 11:43 Uhr
>



Hamburg meint dazu:


http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,205122,00.html


Subkultur f=9Fr Lederhosen
Die M=9Fnchner Kulturreferentin Lydia Hartl sorgt f=9Fr jede Menge Zoff - und
will nun mit einem hochtrabenden Medienkunst-Projekt ihren Ruf reparieren.



Mit klinisch auff=8Alligen =86berreaktionen kennt sich Lydia Hartl bestens aus:
Als Humanmedizinerin und Psychologin erforschte sie einst das Mysterium der
Hysterie. Seit zw=9Alf Monaten versucht sich Hartl nun als sp=8At berufene
Politikerin im Amt der M=9Fnchner Kulturreferentin - und ihre Arbeit sorgt f=9F=
r
massive Daueremp=9Arung mit durchaus hysterischen Z=9Fgen.

Das erste Jahr ihrer Amtszeit sei eines "voller Gegenwind gewesen", sagt
sie; im zweiten "wird sich daran nicht viel =8Andern". Das zeugt von
n=9Fchternem Realismus - darf aber durchaus auch als Drohung verstanden sein.

Denn nicht nur in Berlin und Hamburg herrscht dauerhaft L=8Arm und Streit um
die Kulturpolitik; in M=9Fnchen hat es die resolute Kulturdame Hartl, 46,
geschafft, f=9Fr besonders ausgiebigen Terz zu sorgen.

Erbost zetert etwa die M=9Fnchner "Abendzeitung" =9Fber die "verblasene
Amtstr=8Agerin" und fragt in einer =86berschrift schon mal, ob die fr=9Fhere
Vorzeigeakademikerin den Titel "Frau Prof. Dr. Dr. =9Fberfordert" verdiene.
Die "S=9Fddeutsche Zeitung" vermisst im Gebaren der Referentin "Geschick und
Lust am Taktieren, an Lobbybildung und Intrige" und konstatiert, Hartl habe
"fast die ganze Stadt gegen sich aufgebracht". Die "Frankfurter Allgemeine"
h=8Amt: "Hartl dekonstruiert sich selbst."

Nur die Zyniker der bayerischen K=9Fnstlerwelt gewinnen dem Streit um Hartl
auch Positives ab: Immerhin, so hei=A7t es mitunter, werde die M=9Fnchner
Kulturszene endlich wieder bundesweit wahrgenommen.

Kurioserweise hat Hartl bisher ihre Gegner vor allem dadurch erz=9Frnt, dass
sie in schwer verst=8Andlichem, aber hochtrabendem Kauderwelsch allerhand
verk=9Fndete, aber weitgehend unt=8Atig blieb - und nebst wolkigem Gerede brav
st=8Adtische Sparbeschl=9Fsse umsetzte, etwa bei st=8Adtischen B=9Fchereien, Museen
und B=9Fhnen.

Nun aber m=9Achte die gelernte Medizinerin, die in den neunziger Jahren als
Expertin f=9Fr Neue Medien an der Hochschule f=9Fr Gestaltung in Karlsruhe
lehrte, richtig auftrumpfen: Am Donnerstag dieser Woche will Hartl ihr lang
erwartetes "Konzept zur F=9Arderung der Medienkunst in M=9Fnchen" pr=8Asentieren.
Der Versuch, in M=9Fnchen mit einer trendigen Internet- und
Multimediakunst-Einrichtung eine Art sp=8Aten Urknall der virtuellen Kultur
auszul=9Asen, soll die rotgr=9Fn regierte Stadt eine knappe Million Euro kosten=
.


F=9Fr =80rger sorgt Hartls Plan unter anderem, weil er als erste
Zukunftsma=A7nahme vorsieht, eine bestehende Institution f=9Fr Internet-Kultur
aufzul=9Asen: das M=9Fnchner Medienforum. An dessen Stelle m=9Achte die
Politikerin ein zeitlich befristetes Projekt mit dem hippen Namen "Lab21"
gr=9Fnden - und sich dazu mit dem technisch hoch aufger=9Fsteten
Forschungsinstitut Fraunhofer verb=9Fnden. Sie ahnt da "auch f=9Fr die
Wirtschaft enorme Impulse".

Pech f=9Fr Hartl, dass selbst im gerade noch so fortschrittsseligen Bayern di=
e
Cyberspace- und Dot.com-Euphorie mittlerweile verpufft ist - da wirkt ihre
immer wieder verschobene Medienkunst-Offensive pl=9Atzlich merkw=9Frdig
deplatziert.

Hartl indes dr=8Angt nun zur Eile. Es bestehe sonst die Gefahr, warnt sie in
ihrem Papier, dass M=9Fnchen "den Anschluss an die kulturellen Anliegen der
j=9Fngeren Generationen verpasst".

Peinlich nur, dass sich ausgerechnet die jungen ortsans=8Assigen
Medienk=9Fnstler und Ausstellungsmacher in offenen Briefen beschweren - etwa
dar=9Fber, dass sie nicht in die Zukunftsplanung eingebunden wurden. Fast
t=8Aglich, mitunter sogar st=9Fndlich, werden in M=9Fnchen zwischen
Zeitungsredaktionen, K=9Fnstlern und dem Kulturreferat Vorw=9Frfe,
Gegenvorw=9Frfe, Stellungnahmen und Dementis ausgetauscht - es scheint so, al=
s
stritte in der st=8Adtischen Kunstszene jeder mit jedem und alle mit Hartl.

Mit so viel Zoff d=9Frfte M=9Fnchens Oberb=9Frgermeister Christian Ude (SPD) nich=
t
gerechnet haben, als er Hartl im Juli 2001 einstellte: als Ersatz f=9Fr den
zum Kulturstaatsminister bef=9Arderten Julian Nida-R=9Fmelin - und als hoch
qualifizierte Wunderwaffe. Damals kriselte die M=9Fnchner Old und New Economy
zwar schon (einschlie=A7lich Kirch-Konzern und dem einstigen B=9Arsenliebling
EM.TV), noch hoffte man aber den Mythos von Laptop, Lederhose und TV-Zukunf=
t
retten zu k=9Annen; und die neue Kulturreferentin schien die Richtige zu sein=
,
um ihn mit intellektuellem Internet-Glamour anzureichern.

Schon ihren Amtsvorg=8Anger Nida-R=9Fmelin beriet Hartl in Sachen Neue Medien;
umgesetzt habe der aber, wie sie sagt, nur wenige ihrer Ideen: "Wohl
deshalb, weil er am Widerstand der Anh=8Anger der so genannten Hochkultur
gescheitert ist."

Einwenden lie=A7e sich, dass die angebliche Subkultur der Medienkunst l=8Angst
selbst etabliert ist - nur hie=A7e das, eine sch=9Ane M=9Fnchner Tradition zu
verkennen: Hier werden die Kulturk=8Ampfe noch mal ausgefochten, die sich
anderswo l=8Angst erledigt haben; manchmal ein wenig hysterisch, aber immer
voller Lust.

ULRIKE KN=85FEL