[rohrpost] Österreichischer Beitrag zur Biennale Sao Paulo 2002

iris roth bsp@niwa.at
Fri, 01 Mar 2002 12:41:06 +0100


Österreichischer Beitrag zur Biennale Sao Paulo 2002

<Yes, Sir, I can network it out, Sir!>
<Smells like team-spirit, Sir!>
<We are the World, we are the Children, Sir!>

Zweite Presseinformation:

Österreich wird bei der 25. Biennale Sao Paulo 2002 durch den Künstler Georg
Paul Thomann vertreten dessen Projekt "<Yes, Sir, I can network it out, Sir!>
<Smells like team-spirit, Sir!> <We are the World, we are the Children, Sir!>"
sich kritisch mit dem Ausstellungsthema "Metropolitan Iconographies"
auseinandersetzt. Im Einvernehmen mit Kuratorin Zdenka Badovinac hat Thomann
dazu vier junge österreichische KünstlerInnen/KünstlerInnengruppen (monochrom,
Tonki Gebauer, 320x200, Richard Wientzek) eingeladen, mit ihm die
Ausstellung zu
gestalten.

Im Zentrum der Installation steht Georg P. Thomanns Bildinstallation
"Selfportrait as Austria’s Highest Mountain (I’m Winning My Religion)": vier
Bildtafeln, die die vier Seitenansichten des Großglockners malerisch
darstellen. Auf ausliegenden Ski-Panorma-Karten wird die jeweilige Topografie
dieser vier Ansichten erklärt. Innerhalb dieses Karrees entsteht eine
"Sakristei", in dem sich ein Tabernakel mit der "Seele" des Künstlers
befindet.
Über ein Straßennetz ist der Berg "Thomann" mit 4 "Gemeinden" verbunden, den
jeweiligen Repräsentationen bzw. Einzelausstellungen der von Thomann
kuratierten jungen österreichischen KünstlerInnen bzw.
KünstlerInnengruppen. Es
sind dies die Tourismus-Zentren "Sankt (Sao) monochrom", "Sankt (Sao) Tonki
Gebauer", "Sankt (Sao) 320x200" und "Sankt (Sao) Richard Wientzek". An den
Wänden des Ausstellungsraumes sind die vier Gemeinden als kulturelles Angebot
zu begreifen, die Gemeinden geben sich "modern" und "urban": sie strotzen
förmlich vor kulturellen Anabolismen. Die Einzelausstellungen sollen für sich
stehen und doch im Schatten des enormen Großglockner-Thomann. And I love it,
Sir!

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Manifest der teilnehmenden KünstlerInnen/KünstlerInnengruppen:

Schlagen Sie einmal das Buch der Kunst auf: Berge wurden immer, gerne und
zahlreich gemalt. Häufig als aufgehäuftes/aufgeschüttetes Subjekt. Das
Kant’sche Erhabene at work. Gestrotze im Abendlicht. Das braucht uns nicht,
ist
einfach da, überdauert auch das nächste Äon. Berg bedeutet bedeuten ohne zu
deuten. Reden ohne zu sprechen. Schreien ohne Maul.
Thomann hat bereits 1994 gesagt, dass sein Werk "sein Butterberg" sei. Die
Verwaltung des strukturellen Immer-Zuviel. Der Raum, den Thomanns Schaffen
akquiriert, ist der Abraum. Die Halde.
Das Reden vom Knüpfen der Netze flicht dem Bestehenden nur neckische Zöpfchen
ins Haar. Das ist doch zeitgenössisches Management bzw. Management des
Zeitgenössischen. 
Das ist "Netzwerk", der Imperativ der Verhältnisse. Sesshaftigkeit, die sich
ausbreitet wie überschüssiges Körperfett. Nicht Vernetzung.
Vernetzung negiert prinzipiell Transzendenz, Draufsicht, Struktur, Zentrum,
Gesetz.
Vernetzung schafft "postmoderne Beliebigkeit", von der es nie genug geben
kann.
Die von monochrom, Tonki Gebauer, 320x200 und Richard Wientzek im Auftrag von
Georg Paul Thomann erarbeitete Installation versteht sich als kritisches
Suhlen
im Netzbegriff des sich vernetzen-sollenden Kapitalismus, seiner
Kunstschergen,
seines Krisenmanagements als Eventmanagement, seines Innovationsbegriffs,
seiner Vergewaltigungs- und Allmachtsphantasien. Und wirft trotzdem einen
wehmütigen Seitenblick auf seine wintersportortartige Schönheit!
Berge und Gemeinden. Berge und Gemeinden. Gemeinden und Berge. Berge und
Gemeinden.
Berge werden z.B. von FreundInnen des Wintersports einigermaßen frequentiert.
Für so ein paar 1000 Meter meeresspiegelaufwärtsmäßiges Prangen wird das 100-,
ja das 1000fache an Weg zurückgelegt. Am Berg wird sich gebündelt.
Geschwungene
Lifttrassen steigen sanft berauscht hinan wie eine Erregungskurve.
Schicksalsträchtigkeit schaut weit übers Land. Oder auf ihresgleichen.
Das relevante Problem: das pseudo-postmodernistische Gerede vom
"Netz/Vernetzen" überdeckt und überschreibt dasjenige am Prinzip des
Vernetzens, was daran wichtig und neu war (und bis auf weiteres auch wichtig
und neu bleiben wird), mit alten und abgeschmackten, petrifizierten
Bedeutungen.
Thomann inszeniert sich als Berg; an seinem Aufragen, seinem auto-religiösen
Delirium laufen die Tendenzen der Gegenwartskunst  dargestellt von der in vier
goutierbare Häppchen portionierten jungen Kunst Österreichs  zusammen. Sie
laufen auch auf. Sie prallen zurück. Sie leben von ihm, dem wahrzeichenhaften
Panorama, dem Superzeichen der Gegend. Sie leben mit ihm.
Der Thomann-Großglockner erlaubt zahlreiche Aktivitäten: Jausenstationen laden
auf ihm ein, leichtes Bergwandern ist ebenso möglich wie extremes
Free-Climbing. Er ist die graue Lunge der Umgebung. Thomann (aner)kennt
innerhalb der bekannten Grenzen keine Grenzen. Sein Schatten fällt auf alles,
weit hinaus ins Gelände.
Er ernährt die Gemeinden, trennt sie und schweißt sie doch zusammen. An ihm
brechen sich die ausgesandten Signale und hallen als klischeehaftes Echo
zurück.
Thomann-Großglockner oszilliert hiermit offiziell auf allen Hochzeiten von
Ambiguität und Indifferenz, wenn Sie den Jargon verstehen!
Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt und der Berg nicht zum Propheten, weil
sie ja sowieso ident sind, gibt das ein hervorragendes Stelldichein. 
"Geologische Verwerfungen" ist nicht nur die beurkundete Entstehungsweise von
"Berg", sondern auch eine Formulierung, die in der Kunst seit 1993 fröhliche
Urstände feiert. Wir feiern mit!

>> monochrom, Tonki Gebauer, 320x200, Richard Wientzek

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>>ZITIERFÄHIGES MATERIAL<< 
Über die Türme hinweg und in die Zeitungsständer dieses Österreich hinein. 
10 programmatische Pressehäppchen zu meiner-unsrer-eurer Installation. 
Manifest von Georg Paul Thomann vom 15. 12. 2001 

Ich, Georg Paul Thomann, österreichischer Künstler der ersten Stunde und kein
Freund großer Worte, behaupte im Vorfeld der Installation "<Yes, Sir, I can
network it out, Sir> <Smells like Team-Spirit, Sir!> <We are the world, we are
the children, Sir!>" das Folgende gesagt zu haben:

1. "Ich hatte da seit langem schon so eine schmutzige, aber gerade darum ja
geile Lust auf so eine zünftige Kasernenhofromantik. Drill im Sinne eines
Fassbinder-Films über Drill und Moral. Ich bin der Berg hier, ganz klar! Die
göttliche Geröllhalde. Der in seine Majestizität traurig eingesunkene Haufen.
Das Transsubstanativ: Die Steinwerdung des Fleisches. Transcendent wie das
erigierte Glied vom Hegel." (Georg P. Thomann: Punkt 1 des Manifestes
"Zitierfähiges Material". Wien 2001.)

2. "In der Installation bin ich ja schon rein altersmäßig das Massiv. Ich
könnte ja denen ihr Vater sein. Von daher verstehe ich mich bei diesem Projekt
als vernunftmäßig formulierte Autorität, aber auch als >>einsame Höh'<<. Dafür
sind die jung. Unverbraucht und rosig wie sie da daherkommen mit ihren Ideen
und Körpern. Diese noch-unüberschaubare Lebensdauer! Diese noch vollkommene
Offenheit des Biografischen! William Somerset Maugham hat darüber geschrieben.
Diese sagenhafte, unbegrenzbare Sexualität! Also da bin ich neidig, da darf
ich's sein. Dafür bin ich groß. Verdammt groß. 3798 Meter groß." (Georg P.
Thomann: Punkt 2 des Manifestes "Zitierfähiges Material". Wien 2001.)

3. "Ich mach doch hier nicht den international parkettfähigen Rhizom-Fuzzi für
die schwarz-blaue Scheiße hier! Die kriegen einen Scheißdreck eine
Anschlussfähigkeit! Die können sich ihren Laptop in die Lederhose stecken! Die
kriegen Berge, Aufgeblasenheit und Alter Hasen-Köttel. You are what you eat!"
(Georg P. Thomann: Punkt 3 des Manifestes "Zitierfähiges Material". Wien
2001.)

4. "Ich habe eigentlich Nomade gelernt!" (Georg P. Thomann: Punkt 4 des
Manifestes "Zitierfähiges Material". Wien 2001.)

5. "So wie der Warhol eben der Dosen-Warhol ist, bin ich halt der
Arschloch-Thomann." (Georg P. Thomann: Punkt 5 des Manifestes "Zitierfähiges
Material". Wien 2001.)

6. "Berg heißt im Prinzip ja Urlaub oder Fernsehen. Man sucht sich praktisch
schon zuhause aus, welchen Berg man will." (Georg P. Thomann: Punkt 6 des
Manifestes "Zitierfähiges Material". Wien 2001.)

7. "Kunst sollte wieder mehr wie Reinhold Messner sein dürfen, finde ich."
(Georg P. Thomann: Punkt 7 des Manifestes "Zitierfähiges Material". Wien
2001.)

8. "Der eigentliche Gedanke kam mir, als ich gerade Musikantenstadl sah. Das
ist ja immer sehr interessant! Berge der Sehnsucht und des Schweigens. Mir war
klar, dass ich, wenn ich in Sao Paolo aus dem Flieger steig', immer noch
Österreicher bin. Und dafür wollte ich mich monumental, exemplarisch,
divenhaft
und dick aufgetragen schämen." (Georg P. Thomann: Punkt 8 des Manifestes
"Zitierfähiges Material". Wien 2001.)

9. "Während meines Studiums habe ich, was kaum einer weiß, mich durch das
Malen
von Ski- und Wander-Panorama-Karten über Wasser gehalten. Wenn sie z.B. 1976
nach Hintertux gefahren sind, da ist da ein echter Thomann gehangen. Signiert
rechts unten, aber einigermaßen unleserlich. Insofern ist das wohl richtig,
was
man immer sagt: dem Thomann sein Werk ist heterogen. Aber heute muss ich sowas
natürlich nicht mehr machen. Heute sag ich zum Richard: >>Richard, pass auf,
mach mir mal Eiger-Nord. Öl. Hochformat. Mittelverschwommen!<<." (Georg P.
Thomann: Punkt 9 des Manifestes "Zitierfähiges Material". Wien 2001.)

10. "In einem gesunden Geist wohnt auch ein gesunder Körper!" (Georg P.
Thomann: Punkt 10 des Manifestes "Zitierfähiges Material". Wien 2001.)

P.S.: "Schreiben Sie bitte: man liebt mich oder man hasst mich!" (Georg P.
Thomann: Postscriptum des Manifestes "Zitierfähiges Material". Wien 2001.)

Unterzeichnet: Georg Paul Thomann, der Ältere 

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Biografische Information über Georg Paul Thomann und die teilnehmenden
KünstlerInnen/KünstlerInnengruppen:

Georg Paul Thomann
Geboren 1945 in Vorarlberg. Kunststudium in Wien ab 1963. Danach verschiedene
künstlerische Projekte in Wien. Von 1964 bis 1980 lebt und arbeitet er in
Berlin, Paris, München, Palo Alto/Kalifornien, New York, London. 1980 kehrt er
nach Wien zurück. Thomann arbeitet in den verschiedensten künstlerischen
Kontexten, unter anderem als Konzept- und Performancekünstler, Maler,
Fotograf,
Videokünstler, Musiker. Er erhält mehrere Stipendien, Preise und Ehrungen. Er
unterrichtet zeitgenössische Kunst an verschiedenen Kunsthochschulen. Als
Autor
beschäftigt er sich in verschiedenen Werken mit künstlerischen und
sozialpolitischen Themen (neueste Erscheinung: "Die Konflikt-Masche", edition
selene, Wien 1999).
http://members.chello.at/g.p.thomann/

monochrom
Cross-Culture-KünstlerInnengruppe
Die "Medienmogulerie" (Eigendefinition) monochrom ist ein
Publikations-Kunst-Theorie(-Cocooning)-Bastel-Kollektiv mit Hang zum
Aktionismus, Sitz in Wien. monochrom wurde 1992/93 gegründet und arbeitet in
den verschiedensten künstlerischen und popkulturellen Bereichen. monochrom
publiziert ein Jahrbuch-Magazin ("monochrom: ein ontologisches
sanierungsportfolio"), produziert Kurzfilme, fungiert als Herausgabe- und
Zerstörungsorgan von Musik und Websites. Experimentelle Arbeiten in den
Bereichen Elektronik und Robotik. Verschiedene Ausstellungen, Auftritte und
Interventionen. monochrom spielen die Inkompatibilitäten psychischer und
virtueller Codierungen witzig, ironisch und melodramatisch gegeneinander aus.
http://www.monochrom.at/

Tonki Gebauer
Geboren 1972 in Leoben/Österreich. Schon als Kind lernt er Altsaxophon, zur
selben Zeit Experimente mit Analog-Sampling und Mehrspuraufnahmen. Nach seinem
Schulabschluss arbeitet er als freiberuflicher Komponist und Musiker im Funk
Jazz sowie in den Bereichen zeitgenössische und improvisierte Musik. 1998
gründet er "Edition Elektroklast", gefolgt von seinem Label "Resolve
Ungeheuer"
im Jahr 2000. Tonki Gebauer arbeitet als Programmierer und Web-Designer. Zur
Zeit gilt sein künstlerisches Hauptaugenmerk der elektronischen Musik sowie
der
Erstellung von Instrumenten/Objekten zur Tongenerierung. Projekte im Bereich
Computer-Kunst.
http://tonki.lo-res.org/

320x200
Die KünstlerInnengruppe 320x200 operiert als soziale, politische und
technische
"Interventionszelle" seit 1995. Der Name, ein sehr kleiner
Bildschirmauflösungs-Modus, steht für "lo-tech lo-fi" Interventionen im
öffentlichen und virtuellen Raum. Neuere Arbeiten beschäftigen sich mit der
aktuellen politischen Situation in Österreich und Globalisierung.
http://320x200.cjb.net/

Richard Wientzek
Geboren 1970 in Breitengüssbach/Bayern. Arbeitet als visueller Künstler,
Sänger
und Designer. 1996 übersiedelt er nach Wien, 1998 nach Schwanenstadt bei Wels
(OÖ). Verschiedene Ausstellungen und Performances in Österreich und
Deutschland. Aktuelle Projekte beschäftigen sich mit dem "Resoulment" der
Malerei.
mailto:richard.wientzek@gmx.net