[rohrpost] Internet als Medium
Harald Hillgärtner
hillgaertner@tfm.uni-frankfurt.de
Fri, 15 Mar 2002 20:06:57 +0100
Liebe Liste,
wenn denn der Computer (als Medium) lediglich die Aufgabe einer
"strukturbildenden Form" zur Implementierung anderer Medien sein soll, wie
auf der Liste vorgeschlagen, dann erklärt sich nicht (oder nur unzureichend
etwa unter dem Stichwort "Neuigkeitswert"), warum der Computer (als Medium)
einen solchen Erfolg hat, bzw., was am Computer (als Medium) spannend sein
soll. Warum sollte ich mein "Grammophon" und mein "Video" gegen den Computer
eintauschen, wenn dieser das Grammophon und das Video lediglich simuliert.
Übrigens: simuliert, nicht implementiert, denn die Frage nach dem Unterschied
von analog zu digital, oder zu "binär", ist bei einer Debatte über den
Computer als Medium auch noch mal spannend.
Wäre es nicht ertragreicher, den Computer nicht "bloß" als Multimedia, als
Struktur für andere Medien, zu betrachten?
Der gute J.C.R. Licklider hat vor über dreißig Jahren schon so schön
formuliert, was mit dem Vernetzen von Computern, dem Internet mal möglich
sein soll:
"Creative, interactive communication requires a plastic or moldable medium
that can be modeled, a dynamic medium in which premises will flow into
consequences, and above all a common medium that can be contributed to and
experienced by all."
Also: nicht nur das Übertragen von Inhalten, sondern das Weiterbearbeiten der
gleichen Inhalte mittels des Mediums, das sie auch überträgt. Eine Art
interaktive Kommunikation.
Übrigens ließe sich an hieran auch wunderbar die Debatte über Anticopyright
anschließen, denn "Copyright" verhindert ja effektiv, dass die Inhalte auch
weiterverarbeitet und wieder weitergegeben werden.
Vorschlag: Das Neue am neuen Medium ist grade die Fähigkeit des Computers,
die Inhalte prozessierbar zu machen, und das eben weil es "ein verteiltes,
programmierbares Rechnersystem" ist. Hiervon unberührt ist natürlich der
Krankenhauscomputer und die Berechnung des Girokontos.
Harald.