[rohrpost] Internet als Medium

Peer Goebel pgoebel@inf.fu-berlin.de
Tue, 19 Mar 2002 16:50:42 +0100 (MET)


Ich halte es f=FCr durchaus legitim, den Computer in diesen Zusammenh=E4nge=
n
als Medium zu bezeichnen. Das Problem beim Ausgangspunkt der Diskussion,
dass es irref=FChrend sei, den Begriff "Medium" zu benutzen, da dann
PolitikerInnen davon ausgehen, dass das Internet genauso regulierbar sei
wie Fernsehen oder Radio (oder Stra=DFenverkehr, wie die Metapher
"Datenautobahn" nahe legt), liegt wohl eher in der Unf=E4higkeit der
Politik, die spezifischen Qualit=E4ten dieses Mediums zu erkennen (bei
"Zeitung" oder "Telefon" gibt es ja auch keinen Sendeschluss).
Internetf=E4hige Computer dienen als vermittelndes Element zwischen
KommunikantInnen, wandeln Nachrichten in Signale f=FCr einen
=DCbertragungskanal (abstrakt: das Internet) um.
Ich f=E4nde es also sinnvoll, zwischen Medium und Kanal zu unterscheiden
(wie z.B. John Fiske es tut) der Computer ist das Medium, das Internet
ist der =DCbertragungskanal (wie beim Telefon: Telefon ist das Medium, die
Kabel/Schaltstellen/Vermittlungsnetz (wie komplex auch immer) der
Kanal).

Was w=E4re denn gewonnen, wenn der Computer kein "Medium" w=E4re? Nat=FCrli=
ch
sind Computer historisch gesehen als Rechenmaschinen f=FCr =F6konomische,
wissenschaftliche und milit=E4rische Zwecke entstanden, als Werkzeuge,
werden aber in den letzten Jahren signifikant auch als
Kommunikationsmittel genutzt.
Will man McLuhan, dem alte Hippie, folgen, so ist die Tatsache, dass ein
Medium andere Medien einschlie=DFt, nichts Neues, sogar eine Regel ohne
Ausnahme. Druck schlie=DFt Schrift ein, H=F6rfunk Sprache, und
Internetf=E4hige Computer eben Zeitung und Video und Brief und anderes.
(Das klappt bei seinem weiten Larifari-Medienbegriff ganz gut, wo das
Medium Rad eine Ausweitung von Fu=DF ist, das Medium Kleidung die
Ausweitung der Haut, Medien als Metaphern, als Technik zum =DCbersetzen
von Wissen in einen anderen Modus.)

Anders liegt es beim Begriff "Massenmedien", wo die Frage nach
"=F6ffentlich/privat" und "einseitig" spannend wird. Hier w=FCrde es mehr
Sinn machen, die einzelnen Dienste (WWW, e-mail/mailinglists,
Newsgroups, bla) daraufhin zu untersuchen.

Dass Computer nicht nur als Kommunikationsmedium genutzt werden,
widerspricht auch nicht der Bezeichnung - ich kenne genug Leute, die
Zeitung weniger zum Lesen als zum Beheizen ihres Ofens benutzen, B=FCcher
als Statussymbol oder Sammelobjekt im Schrank stehen haben (ohne je
hineingesehen zu haben), es gibt genug Clubs, die alte Fernseher als
schickes Interieure "zweckentfremden", und nicht etwa, um Nachrichten
oder Unterhaltung darin zu suchen. ;-) Die "richtige" Nutzung wird im
Gebrauch entschieden.

Im Grunde geht es bei diesen Definitionsfragen doch darum, die
Besonderheiten des Internetf=E4higen Computers herauszustellen, und das
geht meiner Meinung nach auch mit dem Begriff "Medium". Denn mir f=E4llt
kein besserer f=FCr diesen Kommunikationszusammenhang ein - wenn
"strukturbildende Form" aus der Systemtheorie mehr erkl=E4ren kann, w=E4re
ich gespannt darauf.

greetz
peer

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"In Wirklichkeit spiegelt die Kunst den Betrachter und nicht das Leben."
                                Oscar Wilde, Das Bildnis des Dorian Gray