[rohrpost] Re: Internet als Medium/diskussion

Lutz Bonneberg lutz@bonneberg.de
Tue, 19 Mar 2002 22:46:32 +0100


carsten wrote:
=20
> Peer Goebel schrieb:
>=20
>> Ich f=E4nde es also sinnvoll, zwischen Medium und Kanal zu unterscheiden
>> (wie z.B. John Fiske es tut) der Computer ist das Medium, das Internet
>> ist der =DCbertragungskanal (wie beim Telefon: Telefon ist das Medium, die
>> Kabel/Schaltstellen/Vermittlungsnetz (wie komplex auch immer) der
>> Kanal).
>=20
> technisch (als apparate), vor allem aus der sicht des k=FCnstlichen betrach=
tet
> finde ich das sinnvoll - zumal ein komplexer medienbegriff jede 'alltags-
> kommunikation' zunichte machen w=FCrde;

hier m=F6chte ich friedrich kittlers aspekt der hardware in erinnerung rufen.
die fr=FChen entwicklungen des computers waren definitiv nicht auf der
perspektive des mediums angelegt. z.b. war allen turings ENIAC ja f=FCr
ballistische berechnungen entwickelt wurden (siehe peer). wenn dem computer
fast jede beliebige funktion zugewiesen werden kann, dann halt auch die des
mediums (meine sch=E4tzung: arpa-net entwicklung). bei der definition des
kanals tue ich mir doch schwer: zu den physikalischen grundlagen (kabelnetz=
,
...) kommt ja hier noch die softwareebene (auch wenn kittler sagt, dass es
letzlich keine software gibt). evtl. muss diese in die kanalbezeichnung ja
doch mit einbezogen werden?!

> doch wo fangen kanal und medium an und wo h=F6ren sie auf wenn man
> den bereich des k=FCnstlichen verl=E4sst (und das geht recht schnell, wir sin=
d ja
> nicht (vollst=E4ndig) drin, im internet)? an der netzhaut des auges,
> dem trommelfell... was ist dazwischen? welche medialen transformationen
> wirken da? luft, licht, elementarteilchen, erdstrahlen, astrologische
> konstellationen? das medium ist doch der kanal oder zumindest die eigen-
> schaftlichkeit und formbarkeit des kanals, oder nicht?

da gehe ich doch ein wenig mit mcluhan :) auch wenn die sprache als
prim=E4rmedium bezeichnet wird, denke ich dennoch, dass sie auf einer
biologisch gegebenen grundlage basiert, welche durchaus als "technologie"
(sprich: stimmb=E4nder, zungenmotorik o.=E4.) bezeichnet werden k=F6nnte. auch mi=
t
der einschr=E4nkung, dass sie nicht vom menschen als solche konstruiert wurde=
.

>> Was w=E4re denn gewonnen, wenn der Computer kein "Medium" w=E4re?

> (...) sehr viel, weil wir uns dann vielleicht mehr =FCberlegen, in welcher =
form
uns eine datenmenge erreicht und wie wir mit dieser form umgehen (lernen);

dann w=FCrde einfach eine menge kurzfristiger und frei vernetzter information
so nicht existieren. irgendwie muss ich da immer an deleuze'sche rhizome
denken ;) dennoch, da die struktur dieser kommunikation jetzt einmal
praktisch umgesetzt wurde, denke ich, dass diese auf die eine oder andere
weise wieder umgesetzt werden w=FCrde. allerdings f=E4llt mir kein medium ein
(und die damit verbundene technik), die dies leisten k=F6nnte. des weiteren
w=FCrde es uns aber auch eine menge rauschen ersparen (wie vielleicht meinen
beitrag). wenn neal postman meint, dass das buch die dem menschen
angestammte datenmenge pro wahrnehmungseinheit repr=E4sentiert, werden wir ja
sehen, als wie "gesund" sich die medienrezeption via computer auf lange
sicht herausstellen wird ...
=20
>> Dass Computer nicht nur als Kommunikationsmedium genutzt werden,
>> widerspricht auch nicht der Bezeichnung - ich kenne genug Leute, die
>> Zeitung weniger zum Lesen als zum Beheizen ihres Ofens benutzen

dennoch sehe ich da doch einen unterschied zum computer. das buch ist in
seinem "prim=E4rnutzen" eindeutig. nat=FCrlich kann jeder das
kommunikationsmedium f=FCr seine zwecke optimiert nutzen, der computer ist
aber in seiner struktur von grund auf relativ frei (s.o.). kein anderes
medium ist im engeren sinne so "programmierbar".

> dazu vielleicht eher ein konstruktivistischer, sich auf das Material
> beziehender
> medienbegriff von S. J. Schmidt: Medien sind darin =84alle Materialit=E4ten, =
die
> systematisch zu einer geregelten und gesellschaftlich relevanten semiotis=
chen
> (bzw. symbolischen) Kopplung von lebenden Systemen genutzt werden (k=F6nnen=
)=93.
>=20
>> Im Grunde geht es bei diesen Definitionsfragen doch darum, die
>> Besonderheiten des Internetf=E4higen Computers herauszustellen, und das
>> geht meiner Meinung nach auch mit dem Begriff "Medium".

mein ergebnis: der computer in kombination mit der entsprechenden
funktion/programmierung (internet) und der physikalischen unterst=FCtzung
(kan=E4le) ist ein medium. (wow!) der computer als solcher in seiner struktur=
:
nein. er wird halt erst zum medium gemacht.

gruss

lutz
--=20
Linux is like a wigwam: no windows, no gates,
apache inside.