[rohrpost] Die Rache der Hacker

Tilman Baumgaertel tilman_baumgaertel@csi.com
Wed, 22 May 2002 14:02:03 +0200


http://www.jungle-world.com/_2002/22/15a.htm
Nr. 22/2002 - 22. Mai 2002=20


Die Rache der Hacker

Am Anfang war alle Software umsonst. Microsoft, Linux und die
Privatisierung des geistigen Eigentums Dritter. Von Tilman Baumg=E4rtel


Das Monopol. Seit Jahren laufen in den USA Verfahren gegen Microsoft, mit
denen versucht werden soll, dem Konzern Wettbewerbsbeschr=E4nkungen
aufzuerlegen. Das Urteil eines Gerichts in Washington wird Anfang Juni
erwartet.

Doch wie konnte es =FCberhaupt dazu kommen, dass ein einzelnes Unternehmen
den Weltmarkt f=FCr Software so vollkommen beherrschen kann?




Halloween ist die Nacht vor Allerheiligen. Schenkt man keltischen Legenden
Glauben, so soll in der Nacht des 31. Oktober die Trennwand zwischen der
Welt der Toten und der der Lebendigen besonders d=FCnn sein. Vor der
Christianisierung feierten die keltischen Druiden an diesem Tag die Ankunft
des Todesf=FCrsten Samhain, der w=E4hrend des Winters die Welt regierte. Es =
gab
Lagerfeuer und Festm=E4hler, und man stellte den Toten Leckereien bereit, um
sie in die Feierlichkeiten einzubeziehen. Die Iren wandelten den Brauch ab.
Sie zogen sich in dieser Nacht m=F6glichst schrecklich an, damit die Toten
und Geister, die auf der Suche nach einem K=F6rper, in den sie fahren
konnten, durch die Nacht zogen, an ihnen vorbeigingen. Heute wird Halloween
besonders in den USA gefeiert.=20


Halloween Papers

Wenn jemand einem Dokument den Namen =BBHalloween Papers=AB gibt, sind
Assoziationen des Schauers nahe liegend und vom Namensgeber wahrscheinlich
gew=FCnscht, besonders wenn es sich um etwas so Trockenes wie interne Memos
aus einem Software-Unternehmen handelt. Brisanter ist es, wenn das
Unternehmen Microsoft hei=DFt und sich das Memo mit Methoden besch=E4ftigt,
einen neuen Konkurrenten vom Markt zu verdr=E4ngen. Noch interessanter wird
es, wenn sich herausstellt, dass der neue Konkurrent kein rivalisierendes
Unternehmen ist, sondern das alternative Betriebssystem Linux, ein
Programm, das von Hackern auf der ganzen Welt gemeinsam geschrieben wird
und das man umsonst aus dem Internet herunterladen kann.=20

Die Halloween Papers sind eine Reihe von Dokumenten, die der US-
Programmierer und Autor Eric Raymond in der letzten Oktoberwoche des Jahres
1998 von einer Quelle innerhalb Microsofts zugespielt bekommen haben will.
Raymond ver=F6ffentlichte die Memoranden im Internet. Rasch verbreiteten sie
sich =FCber Mailinglisten und Websites in der ganzen Welt. Nicht nur die
Computer-Szene, auch die Massenmedien nahmen von dem Vorfall Notiz. Denn
das Verfahren, das in den USA gegen Microsoft wegen monopolistischer
Taktiken gef=FChrt wurde, war zu dieser Zeit in eine entscheidende Phase
getreten.=20

Microsoft hat die Existenz der Memos schlie=DFlich zugegeben, gleichzeitig
aber betont, dass sie keine offizielle =C4u=DFerung des Konzerns darstellten=
,
sondern von einem Mitarbeiter in bewusst provokanter Weise geschrieben
worden seien, um eine firmeninterne Diskussion =FCber Open Source Software
auszul=F6sen. Dass der Computerriese gezwungen wurde zuzugeben, dass er sich
mit Linux besch=E4ftige, d=FCrfte bei vielen Hackern ein Grinsen ausgel=F6st
haben. Denn das =BBReich des B=F6sen=AB, als das Microsoft bei ihnen gilt, w=
ies
in den Papieren darauf hin, dass Open Source Software wie Linux eine
direkte Bedrohung f=FCr die Firma ist.

Wie die Halloween Papers zeigen, hat das Management von Microsoft die
Eigenschaften von Open Source Software besser verstanden, als es die
irref=FChrenden Argumente vermuten lassen, die die Firma in den folgenden
Jahren gegen Linux und Open Source vorbrachte. Auf diese Eigenschaften soll
sp=E4ter genauer eingegangen werden, hier nur so viel: Um als Open Source
Software zu gelten, muss der Code eines Programms, der so genannte
Quellcode, von jedermann einsehbar sein und von jedermann benutzt,
ver=E4ndert und in dieser modifizierten Form weiterverbreitet werden k=F6nne=
n.

Das ist das Gegenteil der Gesch=E4ftspolitik von Microsoft. Die Firma
betrachtet den Quellcode ihrer Programme als Gesch=E4ftsgeheimnis. Der Code
wird von umfangreichen Lizenzen gesch=FCtzt, die man akzeptiert, wenn man
eines ihrer Software-Pakete =F6ffnet. Privatkunden, die diese Programme
kopieren, weitergeben oder gar den Quellcode ansehen oder ver=E4ndern, m=FCs=
sen
damit rechnen, dass das Unternehmen sie anzeigt. Darum arbeiten an
Microsoft-Software nur Programmierer, die vom Unternehmen bezahlt werden.
Im Gegensatz dazu werden Programme wie Linux, deren Quellcode offen liegt,
h=E4ufig von mehreren Tausend Programmierern entwickelt. Sie produzieren
dabei oft Software, die der kommerziellen Konkurrenz ebenb=FCrtig, wenn nich=
t
sogar =FCberlegen ist.=20

Die Halloween Papers sind Teil einer Auseinandersetzung, die seit mehreren
Jahren zwischen den ungleichen Gegnern Microsoft und der =BBGemeinde=AB, die
Open Source Software entwickelt, ausgetragen wird. Die Konfrontation geht
auf beiden Seiten an die Substanz. Verhandelt werden nicht nur
unterschiedliche Methoden, Software zu entwickeln oder Gesch=E4fte zu machen=
,
sondern unterschiedliche philosophische und politische =DCberzeugungen.=20


Quellen der Macht

Der weltweite Gesch=E4ftserfolg von Microsoft beruht auf einem
Paradigmenwechsel, den Bill Gates als Software-Produzent und Unternehmer
Mitte der siebziger Jahre eingeleitet und bis heute konsequent durchgesetzt
hat. Vorher war Software fast ausschlie=DFlich und ganz selbstverst=E4ndlich
=BBopen source=AB, so selbstverst=E4ndlich, dass es noch nicht einmal einen
eigenen Begriff daf=FCr gab. Gates' Leistung als Unternehmer bestand darin,
aus Software ein kommerzielles Produkt zu machen. Computerprogramme, die
vorher gemeinschaftlich genutzte und weiterentwickelte Werkzeuge waren,
wurden von Microsoft zu consumer products gemacht. Dabei nutzte Gates die
Tatsache aus, dass Mitte der siebziger Jahre die ersten Mini-Computer auf
den Markt kamen, deren Anwender zum Teil keine Programmierkenntnisse
besa=DFen und die darum auf leicht zu bedienende Software angewiesen waren.
Das Unternehmen Microsoft g=E4be es in seiner heutigen Form wahrscheinlich
gar nicht, wenn es bei seiner Gr=FCndung nicht auf Open-Source-Programme
h=E4tte zur=FCckgreifen k=F6nnen.

Die Wurzeln der unterschiedlichen Grunds=E4tze von Microsoft und der
Hackerszene liegen in der Computerkultur der sechziger und siebziger Jahre,
in denen die Grundlagen f=FCr die Entstehung des Personal Computers (PC)
gelegt wurden. W=E4hrend Microsoft ein profitorientiertes Unternehmen ist,
basiert die Hackerethik auf dem Glauben, dass Computer das Leben vieler
verbessern und zu einer Demokratisierung des Wissens und der F=E4higkeiten
f=FChren k=F6nnen. =BBAll information should be free=AB, lautet ein=
 zentrales Dogma
der Hackerethik, wie sie der US-Computerjournalist Steven Levy in seinem
Buch =BBHackers - Heroes of the Information Revolution=AB festgehalten hat.
Dieser Glaubenssatz kursiert seit Beginn der Hackerkultur um 1960 am
Massachusetts Institute of Technology (MIT) in verschiedenen Versionen.

Im Mittelpunkt der Angriffe aus dem Open-Source- und Hackerlager steht
immer auch Microsoft-Gr=FCnder Bill Gates. Das ist nicht nur einer Strategie
der Personalisierung des Konflikts geschuldet. Gates steht f=FCr einen
Paradigmenwechsel von einem Wertekodex, der dem seiner Kritiker aus dem
Open-Source-Lager entspricht, zu einem, der diesem diametral
entgegengesetzt ist. Gates gilt seinen Gegnern als Verr=E4ter an ehemals
gemeinsamen Idealen.=20

Im =BBHacker's Dictionary=AB, einem Kompendium im Internet, findet sich die
folgende Definition des Hackers: =BBJemand, der Vergn=FCgen an der
intellektuellen Herausforderung findet, Begrenzungen kreativ zu
=FCberschreiten oder zu umgehen.=AB Hackern geht es um das =BBAufmachen=AB d=
er
Technologie und der Programme, die das Leben immer st=E4rker lenken und
bestimmen. Technologie, Computer zumal, sind f=FCr die meisten von uns black
boxes, deren Inhalt und Funktionsweise unverst=E4ndlich sind. Hacker sind
nach ihrer eigenen Definition diejenigen, die wissen wollen, was in diesen
schwarzen Kisten steckt, wie sie funktionieren und was sie mit uns tun.
Levy schreibt: =BBHacker glauben, dass wichtige Dinge =FCber Systeme - und =
=FCber
die Welt - dadurch gelernt werden k=F6nnen, dass man Dinge auseinander nimmt=
,
um zu sehen, wie sie funktionieren, und dieses Wissen dazu zu benutzen,
neue, noch interessantere Dinge zu erschaffen. Sie verachten jede Person,
jede physische Barriere und jedes Gesetz, das sie davon abzuhalten=
 versucht.=AB=20

Mit der Geheimhaltung des Quellcodes seiner Programme unterbindet der
Konzern diese M=F6glichkeit, =BBDinge auseinander zu nehmen=AB, also=
 Einblick in
die Architektur seiner Programme zu nehmen. Eine Kultur der Schlie=DFung bei
Microsoft steht einer Kultur der Offenheit in der Hackerszene gegen=FCber,
und die Ansicht, dass Software ein Wirtschaftsgut ist, der Ansicht, dass
Computer und ihre Programme Kultur sind, die jedem zug=E4nglich sein soll.

Dieser Paradigmenwechsel, Gates' =BBVerleugnung=AB der Werte der Hackerkultu=
r,
fand bei der Gr=FCndung von Microsoft statt. Der finanzielle Erfolg der
Firma, der Gates inzwischen zum reichsten Mann der Welt gemacht hat, war
dabei weniger Ausl=F6ser f=FCr den Konflikt als vielmehr die Tatsache, dass
Gates Software zu einem Produkt gemacht hatte, das zu hohen Preisen
verkauft wurde. F=FCr diese Praxis ist Gates bereits in den siebziger Jahren
von den Computerhobbyisten, zu denen er urspr=FCnglich geh=F6rte, kritisiert
worden. Durch diese pers=F6nliche Verstrickung ist es wohl zu erkl=E4ren, da=
ss
sich Bill Gates selbst auch immer wieder zu Open Source, Linux & Co
ge=E4u=DFert hat.=20


Software

Zu Recht sieht Gates durch die Entwicklung von Open Source sein Unternehmen
bedroht, nicht nur in finanzieller Hinsicht. Zwar ist den Halloween Papers
zu entnehmen, dass Microsoft in Linux einen potenziellen Konkurrenten
sieht; Microsoft hat inzwischen in einigen Gesch=E4ftsbereichen tats=E4chlic=
h
Kunden an Linux verloren. Doch Microsoft muss sich vor allem davor
f=FCrchten, dass sich die Philosophie ausbreitet, die hinter Linux und den
anderen Open-Source-Software-Projekten steckt.

Die traumhaften Gewinne, die Microsoft einf=E4hrt, beruhen allein auf dem
Kunstgriff, frei verbreitete Software zu einem handelbaren Produkt gemacht
zu haben. Den meisten Computerusern ist heute gar nicht mehr bekannt, dass
der gr=F6=DFte Teil der Computerprogramme jahrzehntelang gratis war. =BBAm A=
nfang
war alle Software frei=AB, betonen daher Anh=E4nger der freien Software imme=
r
wieder.=20

Denn digitale Information hat eine wichtige Eigenschaft, wegen der sie sich
gut dazu eignet, sich frei zu verbreiten. Sie wird nicht dadurch weniger,
dass man sie teilt. Wie John Perry Barlow in einem Aufsatz in Wired gezeigt
hat, hat man in der analogen Vergangenheit bei der Verbreitung von
Informationen in der Regel f=FCr die Tr=E4germedien dieser Information (Buch=
,
Zeitung, Video etc.) bezahlt, und nicht f=FCr die Information selbst.
Digitale Medien, bei denen Informationen ohne Qualit=E4tsverlust und ohne
gro=DFe Kosten kopiert und =FCber das Internet billig weiterverbreitet werde=
n
k=F6nnen, ben=F6tigen diese Tr=E4germedien nicht mehr.

Darum hat sich im Internet eine eigene =BBKultur des Schenkens=AB entwickelt=
.
Sie wird im Usenet, in Mailinglisten, in webbasierten Diskussionsforen oder
bei Tauschb=F6rsen wie Morpheus, Kazaa oder Napster praktiziert, wenn die
Teilnehmer Informationen, Musikst=FCcke oder Software austauschen. Auch
Computerprogramme wurden bis Mitte der siebziger Jahre nicht als Ware
betrachtet, sondern als etwas, was man teilen konnte oder sollte. Zu dieser
Zeit entsprach der gr=F6=DFte Teil der existierenden Software dem
Open-Source-Prinzip, ohne dass es ausdr=FCcklich so definiert worden w=E4re.
Ihr Quellcode war meist frei einsehbar, konnte modifiziert und in dieser
Form auch weitergegeben werden. Software stellte zu dieser Zeit schlicht
noch keinen eigenst=E4ndigen Markt dar. Firmen wie IBM lieferten die
ben=F6tigten Programme als eine Art Service zu den Computern, die das
Unternehmen verkaufte. Bezahlt wurde nicht f=FCr die Software, sondern f=FCr
ein Bundle aus Hardware, Software, Peripherieger=E4ten, Wartung und=
 Schulung.=20

1969 begann IBM, diese B=FCndelung aufzugeben und einen Teil seiner Programm=
e
separat anzubieten. Das US-Justizministerium hatte ein Kartellverfahren
gegen IBM eingeleitet, und der Konzern war gezwungen, von Praktiken
Abschied zu nehmen, die die Konkurrenz behindern konnten. Wenn diese
Entkoppelung von Hard- und Software zum Entstehen eines eigenen Markts f=FCr
Computerprogramme f=FChrte, dann war das Aufkommen des PC die Bedingung
daf=FCr, dass dieser Markt zu dem werden konnte, der er heute ist.

Die Programme von Firmen wie IBM waren nicht die einzige Computersoftware,
die zu dieser Zeit entstand. Viel von der gebr=E4uchlichen Software kam aus
Universit=E4ten und Forschungsinstitutionen. Der Code war so wenig geheim
oder kostenpflichtig wie die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die dort
erbracht wurden. Weitere Programme kamen aus der Hacker- und
Computerbastlerszene. Sie erschienen in den ersten Computer- Zeitschriften,
eine Praxis, die noch bis Mitte der achtziger Jahre bei Rechnern wie dem
Commodore 64 zu beobachten war. Programme wurden in Computermagazinen auf
seitenlangen Listings gedruckt, die man selbst eintippen musste, um ein
Programm =BBzum Laufen zu bringen=AB.

Aber Software wurde auch auf Lochstreifen, sp=E4ter auf Audio-Kassetten und
den ersten Disketten weitergegeben. Viele dieser Programme waren Shareware.
Sie konnten zuerst getestet werden, bevor man ein paar Dollar oder Mark per
Brief an den Programmierer schickte. Daf=FCr erhielt man einen Zugangscode,
mit dem man eventuell weitere Funktionen des Programms =BB=F6ffnen=AB=
 konnte.=20

Der Grundsatz =BBAll information should be free=AB war also bei den ersten
Programmen selbstverst=E4ndliche Realit=E4t, und das hatte auch einen guten
Grund, wie Steven Levy in =BBHackers=AB erkl=E4rt: =BBEin freier Austausch v=
on
Information, besonders wenn die Information die Form eines
Computerprogramms angenommen hatte, erlaubte gr=F6=DFere Kreativit=E4t. Wenn=
 man
an einer Maschine wie dem TX-O (ein Mini-Computer, der ein bevorzugter
Rechner f=FCr akademische Hacker war, T.B.) arbeitete, f=FCr den es so gut w=
ie
keine Software gab, schrieb jedermann wie wild Systemprogramme (...). So
musste nicht jeder sein eigenes Programm schreiben, stattdessen war die
jeweils beste Version f=FCr jedermann zug=E4nglich, und jeder konnte sich in
den Code vertiefen und diesen verbessern.=AB Die Software, die so entstand,
entsprach dem Grundsatz von Open Source, ohne dass es den Begriff schon
gegeben h=E4tte.

Dass sich das in den letzten 20 Jahren grunds=E4tzlich ge=E4ndert hat, ist
nicht zuletzt den Aktivit=E4ten des ehemaligen Hackers Bill Gates und
Microsofts zu verdanken. Er hat eine entscheidende Rolle dabei gespielt,
dass Software von einem Tauschgegenstand zu einer Ware wurde. Dass Gates
heute der reichste Mann und Microsoft eins der umsatzst=E4rksten Unternehmen
der Welt ist, h=E4ngt damit zusammen, dass er sich fr=FCh von dem Grundsatz
=BBAll information should be free=AB verabschiedete. Es ist heute nicht mehr
nachzuweisen, ob Gates je von den Maximen der Hackerethik =FCberzeugt war. I=
n
seiner Autobiografie =BBThe Road Ahead=AB ist von ihnen an keiner Stelle die
Rede.=20

Um zu verstehen, wie Gates aus etwas, das unter Computerfreaks getauscht
wurde, die Grundlage f=FCr einen Megakonzern machen konnte, muss man in die
Fr=FChgeschichte des PC zur=FCckgehen, so weit, bis man sich im Jahr 1975 in
einer etwas verwahrlosten Shopping Mall in Albuquerque/New Mexico
wiederfindet. Dort befand sich ein kleiner Laden, auf dessen Fenster mit
gro=DFen Buchstaben MITS stand. Die Firma Micro Instrumentation Telemetry
Systems stellte ein neues Produkt her, auf das viele Leute in den USA kaum
warten konnten. Manche von ihnen flogen nach New Mexico, um sich ihre
Bestellung abzuholen.=20

MITS stellte einen der ersten Minicomputer her. Nachdem die Fachzeitschrift
Popular Electronics im Januar 1975 ein Bild des Altair ver=F6ffentlicht
hatte, konnten sich MITS und sein Gr=FCnder Ed Roberts kaum noch vor
Bestellungen retten. Binnen kurzer Zeit hatten Computer- Hobbyisten aus den
USA 2 000 St=FCck geordert. Die Firma war mit der Herstellung der Maschine
vollkommen =FCberfordert. Selbst der Versand von Baus=E4tzen dauerte
monatelang; wer ein fertiges Ger=E4t haben wollte, musste noch l=E4nger=
 warten.

Das Ger=E4t war der erste Computer, den sich Privatleute leisten konnten, un=
d
das war etwas, worauf viele Bastler in den USA schon seit Jahren gewartet
hatten. Denn f=FCr die meisten Menschen, die sich f=FCr Computer
interessierten, waren die number crunchers unerreichbar: riesige Maschinen,
zum Teil so gro=DF wie K=FChltruhen, zum Teil sogar ganze Geb=E4udegeschosse=
 in
Universit=E4ten und Unternehmen einnehmend, wo sie meist nur von
spezialisierten Technikern bedient werden durften. Wer nicht zu dieser
kleinen Kaste geh=F6rte, der bekam Computer nur als riesige
=BBElektronengehirne=AB mit vielen blinkenden L=E4mpchen in Science-Fiction-
Filmen zu sehen.

Zwar gab es Gruppen wie den Homebrew Computer Club in Kalifornien, bei dem
sich T=FCftler trafen, die ihre Rechner selbst zusammenschraubten. Auf alle,
denen die technischen Fertigkeiten daf=FCr fehlten, muss der Altair wie die
lang erwartete Antwort auf ihre Gebete gewirkt haben. Er pr=E4sentierte sich
in Preis und Format als =BBComputer f=FCr jedermann=AB: MITS verkaufte die e=
rste
Version f=FCr weniger als 400 Dollar, das Chassis war kaum gr=F6=DFer als ei=
ne
Schreibmaschine. Der Altair war der Vorl=E4ufer des PC, der heute auf den
meisten Schreibtischen zu finden ist.

Man darf nicht glauben, dass eine solche Maschine gro=DFe =C4hnlichkeit mit =
dem
hatte, was wir heute unter einem Computer verstehen. Der Ur-Altair hatte
keinen Monitor und keine Tastatur, kein Disketten- oder gar CD-
Rom-Laufwerk. Es war nur ein blau-silberner Kasten, den man =FCber Leisten
mit Kippschaltern =BBprogrammierte=AB. Der Computercode wurde mit Hilfe von
Schalterkombinationen eingegeben. Erst sp=E4ter bot MITS Leseger=E4te f=FCr
Lochstreifen an, mit denen man Programme ins Ger=E4t laden konnte. Doch 1975
gab es kaum Programme f=FCr den neuen Computer. Wer etwas mit ihm anfangen
wollte, musste sich die Anwendung selbst schreiben.=20


Back to Basic

Hier kommen der 19j=E4hrige William H. Gates und der ein Jahr =E4ltere Paul
Allen ins Spiel. Sie geh=F6rten zu jener Subkultur, die sich Anfang der
sechziger Jahre am MIT entwickelt hatte und die sich in den Computerr=E4umen
der Universit=E4ten auszubreiten begann: Junge M=E4nner, die mit fanatischem
Ehrgeiz bis zur totalen Ersch=F6pfung an den Rechnern sa=DFen.

Der US-Informatikprofessor Joseph von Weizenbaum hat sie in =BBComputer Powe=
r
and Human Reason=AB so beschrieben: Man k=F6nne diese =BBintelligenten junge=
n
M=E4nner mit heruntergekommenem =C4u=DFeren, die oft tiefliegende, gl=E4nzen=
de
Augen haben, an Computerterminals sitzen sehen. Ihre Arme sind angespannt
und warten nur darauf, ihre Finger vorschie=DFen zu lassen, um auf die Taste=
n
und Kn=F6pfe einzuh=E4mmern. (...) Ihre verkn=FCllte Kleidung, ihre ungewasc=
henen
und unrasierten Gesichter und ihr ungek=E4mmtes Haar zeigen, dass sie alle
jedes Interesse an ihrem K=F6rper und der Welt, durch die sie sich bewegen,
verloren haben. Das sind die computer bums, die zwanghaften Programmierer.=
=AB
Man kann sie auch Hacker nennen.=20

Auf Fotos aus seiner Universit=E4tszeit sieht man einen Bill Gates, der der
Beschreibung Weizenbaums entspricht: ein schlaksiger Knabe mit ungek=E4mmten
halblangen Haaren in speckigen Blue Jeans und einem undefinierbaren
Pullover, sein Blick scheint ins Nichts gerichtet zu sein. Als Allen Anfang
1975 aus Popular Electronics von dem neuen Altair erfuhr, war er sofort
sicher, dass diese Maschine eine neue =C4ra in der Entwicklung des Computers
einleiten w=FCrde. Paul Freiberger und Michael Swaine beschreiben die
Situation in =BBFire in the Valley - The Making of the Personal Computer=AB =
so:
Allen =BBlief mit dem Artikel =FCber Harvard Square, hielt ihn Gates unter d=
ie
Nase, und rief: 'Siehst Du, es ist passiert! Ich habe Dir doch gesagt, dass
das passieren w=FCrde! Und wir haben es verpasst!' Gates musste zugeben, das=
s
sein Freund Recht hatte; es sah in der Tat so aus, als ob sie 'etwas', auf
das sie gewartet hatten, nun gefunden h=E4tten.=AB Die beiden Hacker
entschlossen sich, ein Betriebssystem in der popul=E4ren Programmiersprache
Basic f=FCr den neuen Rechner zu schreiben.=20

Basic (Beginners All-purpose Symbolic Instruction Code) war Anfang der
sechziger Jahre von den Informatikprofessoren John Kemeney und Thomas Kurth
am britischen Dartmouth College als eine Programmiersprache entwickelt
worden, die ihre Studenten in kurzer Zeit lernen konnten. Der Gebrauch von
Computern sollte f=FCr sie so selbstverst=E4ndlich werden wie der Gebrauch d=
er
B=FCcherei. Es ist kein Wunder, dass Gates und Allen sich f=FCr Basic
entschieden, als sie ein Betriebssystem f=FCr den Altair entwarfen. Sie
bedienten sich dabei eines Programms, das an einer akademischen Institution
entstanden war, umsonst vertrieben wurde und das, =E4hnlich wie Linux, von
Hunderten Programmierern auf der ganzen Welt gratis weiterentwickelt worden
war. Allen und Gates privatisierten dieses kollektiv und frei entwickelte
Programm und machten daraus ein Produkt, mit dessen Erl=F6sen sie Microsoft
gr=FCndeten.=20

Den Altair hatten sie nicht. Sie emulierten die Maschine auf einem Rechner
in Harvard und schrieben auf diesem =BBvirtuellen=AB Computer ihre Version v=
on
Basic. Roberts =FCbernahm die Basic-Version von Allen und Gates und stellte
Allen als Mitarbeiter ein. Gates kam nach dem Ende des Semesters ebenfalls
nach Albuquerque und wurde freier Mitarbeiter bei MITS. Sein Jura-Studium
hat er nie beendet. In seinem letzten Semester w=E4re er fast aus Harvard
geflogen. Nach Ansicht der Universit=E4t hatte er =F6ffentlich finanzierte
Ressourcen missbraucht, als er an den Uni-Computern kommerzielle,
propriet=E4re Software schrieb.=20

Gates und Allen waren clever genug, Roberts nicht ihr Programm zu
verkaufen, sondern ihm nur eine Lizenz f=FCr den Gebrauch zu erteilen. So
erhielten sie einen Teil des Gewinns von jedem verkauften Computer, eine
Methode, die Microsoft bis heute praktiziert und die f=FCr die traumhaften
Gewinne der Firma verantwortlich ist. Trotzdem musste Gates feststellen,
dass die meisten K=E4ufer des Altair nicht bereit waren, f=FCr das Basic, da=
s
er und Allen geschrieben hatten, zu zahlen, sondern dass sie es
untereinander weitergaben. Ende 1975 sollen bereits der gr=F6=DFte Teil der
Basic-Software, die auf Altair-Computern lief, Raubkopien gewesen sein.

Bei einer Konferenz, die MITS 1975 f=FCr die Nutzer des Altair veranstaltete=
,
begann Gates eine Fehde mit den Computeramateuren, die mit Raubkopien von
Software arbeiteten. In ihrem Buch =BBComputer - A History of the Informatio=
n
Machine=AB nehmen Martin Campbell Kelly und William Aspray den Auftritt
Gates' unter die Lupe: =BBEr nahm eine dramatische Position ein: Er forderte=
,
dass die Kultur des freundlichen Tauschs von kostenloser Software unter
Computeramateuren durch etwas ersetzt werden sollte, das als Vorl=E4ufer
einer Software-Industrie betrachtet werden kann. Gates stie=DF auf extreme
Feindseligkeit - immerhin war sein Vortrag die vollkommene Antithese zur
Computer Liberation=AB, von der viele Fans tr=E4umten. Gerade Basic galt bei
politisch aktiven Hackern als =BBthe people's language=AB, und viele
Programmierer hielten es daher =BBf=FCr ihr Recht, das Programm zu kopieren,
ohne daf=FCr zu bezahlen, zumal sie den Preis von 500 Dollar nicht f=FCr
gerechtfertigt hielten=AB, wie Michael Friedemann in =BBDer Computer als
Werkzeug und Medium=AB schreibt.=20

Doch Gates lie=DF nicht locker. In einem ber=FChmt gewordenen =BBOffenen Bri=
ef=AB,
den er an Computerzeitschriften in den USA verschickte, kritisierte er
abermals die freie Weitergabe von Software. Im =BBOpen Letter to Hobbyists=
=AB
schrieb er: =BBWie die Mehrheit der Computeramateure wissen m=FCsste, stehle=
n
die meisten von euch ihre Software. F=FCr Hardware muss man bezahlen, aber
Software ist etwas, das man teilen kann. Wen k=FCmmert's schon, ob die Leute=
,
die daran gearbeitet haben, bezahlt werden. (...) Ihr verhindert damit,
dass gute Software geschrieben wird.=AB Unterzeichnet ist der Brief mit =BBB=
ill
Gates, General Partner, Micro-Soft=AB. Zu dieser Zeit soll die im August 197=
5
gegr=FCndete Firma bereits mehrere 100 000 Dollar eingenommen haben.

Mitte der siebziger Jahre entstand durch die vielen neuen Micro- und
Personal-Computer, die zu dieser Zeit auf den Markt kamen, ein riesiger
Bedarf nach neuer, benutzerfreundlicher Software. Die Fachpresse in den USA
sprach 1976/77 von einer =BBSoftware-Krise=AB, die durch das Fehlen von
brauchbaren Programmen f=FCr Mini-Computer wie den Altair und die schnell
folgenden Konkurrenten wie IMSAI oder SWTPC 6800 entstanden sei. Man kann
nur dar=FCber spekulieren, ob dieser Bedarf auch h=E4tte gedeckt werden k=F6=
nnen,
wenn Gates nicht den Paradigmenwechsel von freier zu bezahlter Software
eingeleitet h=E4tte.=20

Wie das Beispiel von Linux zeigt, ist es nicht immer die finanzielle
Kompensation, die Programmierer dazu bringt, gute Software zu schreiben,
sondern auch die Anerkennung von Kollegen und das Gef=FChl, an einer
gemeinsamen, guten Sache zu arbeiten. Allerdings ist die Arbeit an einem so
riesigen Projekt wie dem Schreiben eines funktionierenden Betriebssystems
auch erst dadurch m=F6glich geworden, dass =FCber das Internet Programmierer
gemeinsam arbeiten k=F6nnen. Andererseits gibt es bis heute Programme, die
umsonst vertrieben werden oder nur f=FCr Unternehmen und Institutionen Geld
kosten, und auch mit diesem Gesch=E4ftsmodell k=F6nnen einige Firmen Gewinne
einfahren. Bill Gates hat diese M=F6glichkeit nie erwogen. Er forderte alle
Amateure, die sein Basic benutzten, dazu auf, ihm Geld zu schicken, das er
in die Verbesserung des Programms investieren wollte: =BBNichts w=FCrde mir
mehr Spa=DF machen, als zehn Programmierer einzustellen, und den Markt der
Computeramateure mit guter Software zu =FCberschwemmen.=AB=20

1978 verlegten Gates und Allen den Firmensitz von Microsoft von New Mexico
in einen Vorort von Seattle und begannen, eigene, kostenpflichtige
Versionen von Fortran und Cobol f=FCr PC zu verkaufen. Der Aufstieg
Microsofts von einer kleinen Softwarefirma zum internationalen Konzern
begann 1980 mit dem IBM-PC. Der Computerkonzern hatte den PC-Markt lange
ignoriert und erst Ende der siebziger Jahre =FCberst=FCrzt mit der Entwicklu=
ng
eines eigenen Personal Computers begonnen. Auf der Suche nach einem
geeigneten Betriebssystem hatte sich IBM zun=E4chst an den ehemaligen
Universit=E4tsprofessor Gary Kildall gewandt, der 1975 zusammen mit Digital
Research das Programm Control Program for Microcomputers, kurz CP/M, als
Betriebssystem auf den Markt gebracht hatte.

Aus Gr=FCnden, die heute nicht mehr nachzuvollziehen sind, erhielt Kildall
den Auftrag von IBM nicht. Ihm entging ein gigantisches Gesch=E4ft. Statt
Digital Research erhielt Microsoft den Zuschlag, ein Betriebssystem f=FCr de=
n
PC zu entwickeln, und der Erfolg dieses Programms wie des IBM-PC und seiner
unz=E4hligen Nachbauten machte Bill Gates im Alter von 31 Jahren zum
Dollarmilliard=E4r. Angeblich sollen bei der Entscheidung, Microsoft den
Auftrag zu erteilen, auch pers=F6nliche Verbindungen eine Rolle gespielt
haben: John Opel, der Pr=E4sident von IBM, sa=DF mit Gates' Mutter im Vorsta=
nd
der Wohlt=E4tigkeitsorganisation United Way.=20

Die Qualit=E4t des Programms war es jedenfalls nicht, was IBM davon
=FCberzeugte, Microsoft den Auftrag zu erteilen, denn zu dieser Zeit hatte
die Firma keine einschl=E4gige Software im Angebot. Als der Auftrag an
Microsoft erteilt wurde, kaufte die Firma die Rechte an dem Programm
SCP-Dos von der Firma Seattle Computer Products. SCP-Dos war, wie Paul
Freiberger und Michael Swaine schreiben, eine =BBgenaue, aber krude Imitatio=
n
von CP/M=AB, die von Microsoft in monatelangen, streng geheimen Arbeiten
unter dem Codenamen =BBProject Chess=AB den Erfordernissen des IBM-PC angepa=
sst
wurde. Gleichzeitig sorgte die Firma daf=FCr, dass alle Programme, die f=FCr
CP/M entwickelt worden waren, nicht auf ihrem neuen Betriebssystem liefen.=
=20

Robert Slater schreibt in =BBPortraits in Silicon=AB, als Kildall MS-Dos zum
ersten Mal ausprobierte, sei er =FCberrascht gewesen =FCber die Parallelen
zwischen PC-Dos und CP/M. =BBDie beiden Programme waren sich so =E4hnlich, d=
ass
sogar die Befehle dieselben waren. (...) Es gab in der ganzen
Computerindustrie niemanden, der bezweifelt h=E4tte, dass die beiden
Programme gleich waren. Ich habe das Programm sofort ohne Handbuch benutzen
k=F6nnen.=AB Kildall verzichtete auf rechtliche Schritte gegen MS- Dos, weil=
 er
bef=FCrchtete, einen Prozess gegen IBM nur verlieren zu k=F6nnen.

MS-Dos machte Microsoft zu einem der wichtigsten Player auf dem Markt f=FCr
Software. 1984 war das Programm bereits zwei Millionen Mal verkauft worden,
es wurde zum dominanten Betriebssystem in den USA, sp=E4ter auch im gr=F6=DF=
ten
Teil Westeuropas und in Japan. Der Aufstieg des Programms ist nicht nur
darauf zur=FCckzuf=FChren, dass es mit dem IBM-PC ausgeliefert wurde. Vor al=
lem
gelang es Gates, IBM davon zu =FCberzeugen, die Hardwarespezifikationen des
IBM-PC zu ver=F6ffentlichen.

Da die verschiedenen Komponenten von anderen Herstellern als IBM gekauft
werden konnten, begannen andere Firmen schnell damit, =BBKlone=AB des IBM-PC
herzustellen. Aber nicht nur gro=DFe Unternehmen wie Dell oder Digital
konnten so billige Kopien herstellen, sondern letztlich jeder Bastler. In
den achtziger Jahren wurden =BBIBM-kompatible Computer=AB so zum Personal
Computer schlechthin. Die meisten anderen PC-Hersteller von Radio Shack
=FCber Commodore und Atari bis zu Osborne wurden nach und nach vom Markt
verdr=E4ngt, bis zuletzt als einziger Konkurrent Apple =FCbrig blieb.=20

Dies bedeutete jedoch gleichzeitig das Ende des Monopols von IBM. Bei den
neuen PC z=E4hlte nicht mehr in erster Linie das Fabrikat der Hardware,
sondern das Betriebssystem. Microsoft investierte seine Gewinne zum Teil in
die Entwicklung neuer Produkte, die der Firma und ihren Programmen zu einer
immer dominanteren Rolle auf dem Software-Markt verhalfen: das
Betriebssystem Windows, die Textverarbeitung Word und das
Kalkulationsprogramm Excel sowie der Internet-Browser Explorer wurden zu
Marktf=FChrern.

Diese Rolle verdanken sie auch der aggressiven Marketing- und Lizenzpolitik
des Unternehmens. Hersteller von PC wurden zum Teil durch Knebelvertr=E4ge
gezwungen, auch die =FCbrigen Programme von Microsoft zu bundeln.
Gleichzeitig konnte Microsoft durch seine unersch=F6pfliche Kriegskasse in
anderen Gesch=E4ftsbereichen schnell aufholen. So gelang es der Firma zum
Beispiel, den Browser des Unternehmens Netscape vom Markt zu verdr=E4ngen,
obwohl Netscape bereits Jahre vor Microsoft die erfolgreiche
Browsersoftware Navigator anbot, die lange die am h=E4ufigsten benutzte
Internetsoftware der Welt war. Inzwischen beherrscht Microsoft 80 Prozent
des Browsermarkts.

Auch im Internet hat das Unternehmen inzwischen eine dominante Position.
Das Microsoft-Network (MSN) verbuchte nach einer Untersuchung der
amerikanischen Wirtschaftszeitung Industry Standard vom Juli 2001 weltweit
die meisten Zugriffe auf seine Websites. 55 Prozent der popul=E4rsten
Websites in 26 L=E4ndern geh=F6ren zu der Software- Firma. Der Hauptgrund f=
=FCr
Microsofts =DCbermacht im Netz liegt darin, dass die Redmonder ihren eigenen
Browser gemeinsam mit Windows ausliefern. Bei ihnen ist die Website von
Microsoft als Startseite eingestellt, wer seinen Browser =F6ffnet, bewegt
sich automatisch erst einmal zu dieser Website und erzeugt hohe
=BBKlickraten=AB, die wiederum Eink=FCnfte durch Banner-Werbung sichern.=
 Auch in
den lukrativen Markt der Computer- Spielkonsolen ist Microsoft mit seiner
Xbox eingestiegen.=20


Linux mit Erfolg

Was aber bedeutet der Gesch=E4ftserfolg von Microsoft, wenn man ihn vor dem
Hintergrund von Open Source Software betrachtet? Der gr=F6=DFte Teil der
gebr=E4uchlichen Software war Mitte der siebziger Jahre, als Microsoft
entstand, so =BBoffen=AB wie heute zum Beispiel Linux. Von den Vorteilen die=
ses
Modells hat die Firma profitiert, ohne sie w=E4re die Unternehmensgr=FCndung
weniger erfolgreich ausgefallen.

Paul Allen und Bill Gates nahmen das frei erh=E4ltliche Basic, modifizierten
es f=FCr den Altair von MITS und privatisierten ihre Version des Programms.
Eine Software, die sie selbst als Open-Source-Programm erhalten hatten,
wurde zu einem profittr=E4chtigen Produkt. Auch das erfolgreiche MS-Dos
basierte auf dem Programm CP/M, das Gary Kildall wiederum aus Elementen der
damals noch freien Programmiersprache Unix und anderen, zu dieser Zeit frei
erh=E4ltlichen Betriebssystemen entwickelt hatte. Selbst der Erfolg des
IBM-PC und damit auch von MS-Dos kam nicht zuletzt dadurch zustande, dass
IBM die Bauanleitung des Rechners ver=F6ffentlichte und so zum Nachbau
einlud. Und schlie=DFlich hat auch der Browser Microsoft Explorer mehr als
eine nur fl=FCchtige =C4hnlichkeit mit dem Netscape Navigator, der auf der
Software Mosaic basierte, die am National Center for Supercomputing
Applications an der Unversity of Illinois entwickelt worden war.

Viele der Vorteile, die Microsoft zum Marktf=FChrer gemacht haben, verdankt
das Unternehmen frei zug=E4nglicher Software und ihrer kollektiven
Weiterentwicklung. Das Unternehmen hat freilich mit martialischen Ma=DFnahme=
n
daf=FCr gesorgt, dass seine eigenen Produkte gegen die =DCbernahme und
Weiterentwicklung durch Dritte gesch=FCtzt wurden und somit Konkurrenten in
den von dem Unternehmen dominierten Gesch=E4ftsfeldern keinen Fu=DF fassen
konnten. Selbst IBM scheiterte mit dem Versuch, ein eigenes Betriebssystem
als Konkurrenz zu Microsofts Windows zu etablieren. Viele Beobachter
glauben darum, dass die Dominanz von Microsoft dazu gef=FChrt hat, dass
Innovationen auf dem Markt f=FCr PC-Software verhindert werden und dass
Microsoft die Preise f=FCr seine Produkte nach Belieben bestimmen kann.

In den letzten Jahren ist das Misstrauen gegen=FCber Microsoft und seinen
Produkten gr=F6=DFer geworden. Denn die fehlende Transparenz der Programme
tr=E4gt auch zu ihrer mangelnden Sicherheit bei. E-Mail-Viren wie =BBI LOVE
YOU=AB haben meist L=FCcken im Mail-Programm Outlook von Microsoft ausgenutz=
t.
Bei Open-Source-Programmen k=F6nnen entsprechende Ver=E4nderungen schnell vo=
n
Dritten durchgef=FChrt werden, w=E4hrend man sich bei Outlook strafbar macht=
e,
w=FCrde man das Programm modifizieren, um Virensch=E4den zu verhindern.
Sicherheitsl=FCcken gibt es auch beim Browser Internet-Explorer, der
Webserver-Software, der neuesten Inkarnation des Microsoft-Betriebssystems
Windows, beim Passport-System, das Internet-Surfern das Einkaufen im
Internet leichter machen soll, und beim Programm Media Player. Die
ununterbrochene Berichterstattung =FCber die Sicherheitsprobleme hat sogar
dazu gef=FChrt, dass Bill Gates im Dezember 2001 erkl=E4ren musste, die
Systemsicherheit bei Microsoft-Programmen habe in Zukunft oberste Priorit=E4=
t.

Andere Anzeichen daf=FCr, dass die Art und Weise, wie Microsoft Gesch=E4fte
macht, von den Konsumenten und der Justiz nicht mehr widerspruchslos
toleriert wird, kommen seit Mitte der neunziger Jahre aus den USA. Dort
sind verschiedene Verfahren wegen Monopolbildung gegen das Unternehmen
anh=E4ngig; die Europ=E4ische Kommission ermittelt in gleicher Sache.

Und auch die =BBRache der Hacker=AB an Microsoft, n=E4mlich der Erfolg von L=
inux
und anderer quelloffener Software, ist wohl zu einem nicht geringen Teil
der Unzufriedenheit vieler Computernutzer mit den Programmen von Microsoft
und der Gesch=E4ftspolitik des Unternehmens zuzuschreiben. Nicht wenige
L=E4nder vor allem in der Dritten Welt sind in den letzten Jahren dazu
=FCbergegangen, im Informatikunterricht ihrer Schulen statt Microsoft-
Produkten Open Source Software einzusetzen.=20

Wie die Halloween Papers zeigen, hat das Unternehmen fr=FCh begonnen, sich
mit Linux als potenziellem Konkurrenten auseinander zu setzen. Die Memos
zeigen, dass man bei Microsoft einige der Vorteile von freier Software gut
verstanden hat. Der freie Austausch von Ideen, der bei Open Source Software
m=F6glich sei, habe Vorteile, die Microsoft nicht bieten k=F6nne, hei=DFt es=
 in
einem Dokument, das ein Microsoft-Mitarbeiter namens Vinod Valloppillil
verfasst hat. In dem Memo gibt er zu, dass Open Source Software wie Linux
langfristig die Qualit=E4t von kommerzieller Software erreichen oder sie
sogar =FCbertreffen k=F6nne und dass diese Programme bei ihren Usern eine ho=
he
Glaubw=FCrdigkeit gen=F6ssen.

In einem zweiten Memo ging Valloppillil noch weiter. Er r=E4umte ein, dass
Linux schneller und zuverl=E4ssiger als Windows sei, sich leichter den
Bed=FCrfnissen seiner Benutzer anpassen lie=DFe und weniger schnelle Rechner
als das eigene Produkt ben=F6tige. Au=DFerdem wies er darauf hin, dass Firme=
n
wie Compac und Dell Linux auf ihren Computern bereits anb=F6ten und dass das
Programm beim Betrieb von Webservern immer h=E4ufiger zum Einsatz k=E4me. Di=
ese
Memoranden blieben im Unternehmen nicht folgenlos. Immer wieder haben sich
Bill Gates und andere Manager in der =D6ffentlichkeit =FCber Linux und ander=
e
Open Source Software abwertend ge=E4u=DFert, gleichzeitig aber versucht, die
Bedrohung, die von dieser Software-Produktionsmethode ausgeht, zu=
 minimieren.=20

Zu diesen Versuchen geh=F6rt auch die Einf=FChrung einer Shared Source- Lize=
nz,
die mit ihrem Namen, aber auch nur damit, an das Konzept von Open Source
erinnert. Denn w=E4hrend Open Source nicht nur eine Offenlegung des
Quellcodes eines Programms verlangt, sondern auch die M=F6glichkeit einr=E4u=
mt,
dass dieser Code von jedermann modifiziert und weiterverbreitet werden
kann, gestattet die Shared Source lediglich einer ausgew=E4hlten Gruppe von
Benutzern einen Einblick in den Code eines Microsoft-Programms.
Universit=E4ten, Forschungsinstitute und Entwickler von Software, die mit
Microsoft-Programmen kompatibel sind, d=FCrfen nun den Code von Programmen
wie Windows CE einsehen. Das n=FCtzt vor allem Microsoft. Denn so ist es
Dritten leichter m=F6glich, Software zu schreiben, die reibungslos mit den
Produkten des Unternehmens funktioniert.=20

Die Auseinandersetzung zwischen Gates und der Linux-Community d=FCrfte den
meisten Au=DFenstehenden, die mit der Materie nicht vertraut sind, wie der
Streit zwischen einem erfolgreichen Gesch=E4ftsmann und einer Gruppe
fanatischer Hacker erscheinen. Erst wenn man die Vorgeschichte der
Auseinandersetzung kennt, werden die philosophisch-politischen
Implikationen deutlich. W=E4hrend Microsoft an der Maximierung der Profite
interessiert ist, geht es den Linux-Hackern um den freien Austausch von
Wissen. Der US-Programmierer Richard Stallman bringt seine Position im
GNU-Manifesto auf den Punkt: =BBWenn ich ein Programm gut finde, muss ich es
mit anderen Menschen, die es gut finden, teilen.=AB


Eine vollst=E4ndige Fassung des Artikels erscheint im Oktober in: Alexander
Roesler/Bernd Stiegler (Hrsg.): Microsoft, Macht, Monopol. Edition Suhrkamp
2281





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