[rohrpost] "Endloesung"

Volker Grassmuck vgrass@rz.hu-berlin.de
Fri, 18 Oct 2002 16:20:16 +0200


halt, stop! Bevor ich noch weitere Prügel für den Titel bekomme: das ist nicht 
mein Wort, sondern ein Zitat. Hier der letzter Absatz der Einleitung:

" Und dann ist da das unsägliche Wort von der technologischen "Endlösung". 
In einem offenen Brief an die CEOs der Filmindustrie nahmen CEOs der 
Informatikindustrie Mitte Juli Stellung zu deren Kampagne, DRM gesetzlich 
vorschreiben zu lassen. Darin heißt es: "While some of the challenges to 
protecting content are likely to have near-end solutions, others -- such as peer-
to-peer file sharing -- are significantly more difficult." (Ballmer et al., 7/02, 
http://www.bsa.org/resources/2002-07-15.134.pdf) Zwar schreiben Ballmer, 
Barrett, Gerstner, Dell et al. nicht, für welche Probleme sie "Beinahe-
Endlösungen" erwarten, doch ist deutlich, dass diese Industrie -- 
"characterized by a near-boundless optimism about the possibilites of 
technology" -- Technologien für möglich hält, die bestimmte 
Urheberrechtsprobleme ein für allemal aus der Welt schaffen. Der wohl kaum 
von einer Marketingabteilung abgesegnete Lapsus mag einer mangelnden US-
amerikanischen Sensibilität geschuldet sein. Er bringt auf jeden Fall die 
zugrundeliegende technokratische Vision zum Ausdruck und zeigt den 
totalitären Anspruch des Großprojekts DRM auf. Es geht darum, ob aus der 
zunehmenden wechselseitigen Durchdringung von Cyberspace und 
Gesellschaft eine Volksherrschaft entsteht oder ob Digitalien zu einem privat 
regierten Kommerzraum wird, in dem nicht demokratische Gesetze gelten, 
sondern Hausregeln. Es geht um die Macht. "


Typografische Reaktion: Ich habe das "E-Wort" jetzt im Titel in 
Anführungszeichen gesetzt, um es als Zitat kenntlich zu machen. 

Inhaltliche Reaktion: Natürlich teile ich Eure Bedenken dagegen, den 
Holocaust für unverhältnismäßige Analogien zu missbrauchen. Ich wäre nicht 
auf die Idee gekommen, das Wort zu verwenden, hätte ich nicht das Zitat 
gefunden. Dann allerdings schien es mir notwendig, seine Verwendung und vor 
allem das zugrundeliegende Denken zu skandalisieren. Auch 
"Ermächtigungsgesetz" (kein Zitat) ist ein schwerwiegendes Wort, für das der 
Text -- hoffentlich überzeugende -- Gründe liefert. Nach meiner Gesamtschau 
des DRM-Projekts halte ich es tatsächlich für totalitär -- technisch-
organsiatorisch wie demokratietheoretisch. Eine "endgültige" Lösung ist das 
technokratische Ziel, gleich, ob es technisch-praktisch realisierbar ist oder 
nicht (Re: der Hacker-Einwand, dass das sowieso alles nicht funktioniert).

Lest den Text doch bitte und sagt mir dann, ob es sich um unzulässige 
Effekthascherei handelt, oder ob das Thema starke Worte verdient und diese 
argumentatorisch plausibel untermauert sind. Dass der Text ungelesen als 
polemisch abgetan werden kann, ist nicht im Interesse der Sache, deshalb 
sollte ich mir wohl wirklich einen anderen Titel einfallen lassen.

Danke
Volker

On 18 Oct 2002 at 13:16, Florian Cramer wrote:

> Am Freitag, 18. Oktober 2002 um 12:46:29 Uhr (+0200) schrieb Volker
> Grassmuck:
> 
> > Die Endlösung der Rechtefrage. 
> 
> Da Du nach Anregungen und Korrekturen fragst, schlage ich vor, den Titel
> des Texts unbedingt zu ändern.
> 
> -F
> 
> -- 
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