[rohrpost] [monochrom] WILLKOMMEN IN DER BLUTIGEN STADT // Mit Vortrag von Martin Nechvatal

das ende der nahrungskette jg at monochrom.at
Don Dez 4 18:55:42 CET 2003


WILLKOMMEN IN DER BLUTIGEN STADT
CAN, 1976

monochrom-Raum im MQ, Sonntag/7. November 2003, 20:30.
( http://quartier21.mqw.at/uebersichtsplan/index.html )

Mit einem Vortrag von Martin Nechvatal.

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"Willkommen in der blutigen Stadt" war ein typischer Nachmitternachtsfilm
im ORF der 1980er. Dort habe ich ihn zum ersten mal gesehen, und mich
sofort verliebt. 
Warum? 
Weil gute Dystopien eine unbarmherzige Stärke haben. Deshalb.

Die Dystopie ...
... ist eines jener Subgenres der Science-Fiction, das seit seiner relativ
späten Entstehung weite Verbreitung gefunden hat und abseits aller
Modeströmungen zum Grundrepertoir gehört. Warum gerade negative
Zukunftssichten so populär geworden sind, ist eine untersuchenswerte Frage. 

[Der Dystopie-Wikipedia-Eintrag.
---> http://de.wikipedia.org/wiki/Dystopie ] 

Die dystopische Bewegung ist nicht älter als 100 bis 150 Jahre, wenngleich
der Geist der Dystopie wahrscheinlich aus dem Zeitalter der Aufklärung
schöpft. 
Bis dahin war es problemlos möglich, Staatsmodelle zu entwerfen, in denen
die Menschen lediglich als eine Art notwendige, aber dennoch zu
vernachlässigende Staffage dienten. Was zählte, war das System. Die
Erkenntnis, dass jeder für sich sein Schicksal in eigener Verantwortung in
die Hand nehmen kann und sich nicht auf irgendwelche höhere Instanzen
verlassen muss, seien sie nach eigenem Bekunden auch von Gott eingesetzt
worden, ist der Nukleus der kommenden politischen Veränderungen und damit
auch der Anfang vom Ende der Utopie.

Die "schädlichen Aspekte" ...
... der technischen Revolution haben einen speziellen Typus der Dystopie
geschaffen, die innerhalb der Science Fiction aber oft nicht immer leicht
von entsprechenden Katastrophenromanen zu trennen ist. Prinzipiell kann man
wahrscheinlich - um hier ein wenig binäres Denken vor sich her zu schieben
- zwei Arten von Herangehensweisen unterscheiden: zum einen der technophile
Approach, also die Meinung, dass Wissenschaft und ihre Errungenschaften an
sich neutral ist; es hängt jeweils vom Menschen ab, was geschieht. Auf der
anderen Seite die technophobe Weltsicht, die das anders interpretiert; die
Technik kann sich verselbständigen, gar über ihre Schöpfer hinauswachsen,
eine eigenständige, oft feindlich gesonnene Existenz entwickeln. Das
Ergebnis ist entweder ein Kampf mit der Technik, mit entsprechend
verheerenden Folgen oder eine Unterwerfung bzw. Anpassung. Aus der
Möglichkeit, viele technische Utopien tatsächlich verwirklichen zu können,
ist die Angst erwachsen, dass dies auch geschehen mag - das Ergebnis ist
ein technologisch fortschrittlicher Staat, abhängig von seiner
maschinengestützten Macht, sozusagen eine Technotopie.

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"Willkommen in der blutigen Stadt" ... 
... ist eine eigenartige Technotopie. 

Vier Männer und eine Frau erwachen in einer kargen Landschaft. Alle tragen
sie sträflingshafte Einheitskleidung. Jeder von ihnen besitzt eine Karte,
die sie/ihn als MörderIn ausweist. Jedoch kann sich keiner von ihnen an
irgendetwas erinnern. Sie leiden an einer tiefgreifenden Amnesie. Kurz
darauf wird die Gruppe überfallen. Von Sheriff Frendlender (ye olde Jack
Palance) werden sie in eine Stadt gebracht, in der Mord an der Tagesordnung
steht. Als Sklaven sind sie hier vogelfrei, allerdings kann ein Sklave in
der Hierarchie aufsteigen, indem er einen "Bürger" tötet. Hat ein Sklave
zwanzig Bürger getötet, darf er nicht mehr erschossen werden. Mike Lewis
(Keir Dullea, bekannt für seine Hauptrolle in "2001 - Odyssee im Weltraum")
versucht als einer der ersten der Gruppe sein Glück im erklimmen der
Karriereleiter ... 
Parallel dazu gibt es einen Handlungsstrang in einem Forschungslabor, in
dem Versuche mit Menschen gemacht werden. Das Militär - in einer nicht
näher definierten Kriegssituation - sucht auf diese simulierte Art die
perfekte Führungskraft für ein Todeskommando, die ganze Situation ist also
eine radikale Testsituation bei der die Verlierer als besseres Hirngemüse
enden. Die junge Forscherin Katherine (Samantha Eggar) zeigt besonderes
Interesse an Lewis. Sind Lewis oder Frendlender "geborene Killer"? 

"Willkommen in der blutigen Stadt" ist natürlich von "Westworld" (USA/1973/
Regie: Michael "Multimillionen" Crichton) beeinflusst, hat aber dennoch
einen Haufen eigenständiger Bodenlosigkeit aufzuweisen. 
Ohne besonderes Aufhebens darum zu machen, ist der Film der erste Film, der
sich mit dem Thema "Virtual Reality" befasst - lange bevor auch nur der
Ausdruck "Virtual Reality" geprägt wurde, und die Idee die Öffentlichkeit
zu beschäftigen begann. 

Einer jener kleinen Meilensteine in der Definition des Cyber-SF-Gedankens.

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Welcome to Blood City (Willkommen in der blutigen Stadt) 
Kanada / 1976 
mit Jack Palance, Keir Dullea, Samantha Eggar, Barry Morse, u.a. 
Regie: Peter Sasdy 

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Vortrag und Screening

Martin Nechvatals Einführungsvortrag beginnt am Sonntag, den 7. Dezember
2003 um 20:30 bei uns im monochrom-Raum im MQ (siehe Lageplan). Danach
Screening des Films.