[rohrpost] aus der sueddeutschen von heute

Tilman Baumgärtel mail at tilmanbaumgaertel.net
Mit Dez 10 10:18:37 CET 2003


http://www.sueddeutsche.de/sz/feuilleton/red-artikel2468/

10.12.2003



Ketzerische Fragen sind nicht erlaubt

Götz Adrianis Feldzug gegen das ZKM in Karlsruhe



Viele Freunde wird Götz Adriani bald nicht mehr in Karlsruhe haben. Will
er auch gar nicht mehr, denn Adriani hat mit dem Kapitel Karlsruhe und dem 
Zentrum für Kunst und Medientechnologie ZKM längst abgeschlossen. Im März 
verlässt er das Museum für Neue Kunst, das er seit 1999 geleitet hatte – 
und widmet sich ausschließlich wieder der Tübinger Kunsthalle. Und weil er 
ohnehin keine Karriere mehr am ZKM machen mag, sagt Adriani nun öffentlich 
Dinge, die den Karlsruhern sauer aufstoßen: „Ist der Riesendampfer ZKM, 
dessen Programmatik auf die achtziger Jahre zurückgeht, noch zeitgemäß?“ 
fragt er rhetorisch – und diese ketzerische Frage ist in Karlsruhe nicht 
erlaubt. Die Schlacht ist eröffnet.



Gut war das Verhältnis nie zwischen Adriani und Peter Weibel, dem
Leiter des ZKM. Das Museum für Moderne Kunst (MNK), das mehrere 
Privatsammlungen aus Baden-Württemberg beherbergt, war bisher eine 
eigenständige Institution innerhalb des ZKM. Immer wieder gab es Ärger 
wegen Öffnungszeiten und Zuschüssen. Dass Adriani nun geht, hat aber einen 
weiteren Grund: Er sieht keine Zukunftsperspektive mehr für das so genannte 
Sammlermuseum. Frieder Burda lässt sich derzeit in Baden-Baden ein eigenes 
Haus von Richard Meier bauen. Auch Siegfried Weishaupt plant in Ulm ein 
Museum, Hauptwerke der Sammlung Froehlich hängen bereits in London in der 
Tate Gallery. „Die wichtigsten Säulen der Sammlung brechen weg“, sagt 
Adriani – und stellt mit dem MNK gleich das gesamte ZKM auf den Prüfstand.



Zu groß, zu teuer



Seine Diagnose: Das ZKM ist zu groß und vor allem zu teuer. Die

einzelnen Institutionen würden Unsummen verschlingen – 2001 erhielt das ZKM 
insgesamt mehr als 16 Millionen Euro, davon sind rund vier Millionen Euro 
Personalkosten. Programmatik und Effizienz würden schön geredet, sagt 
Adriani. Und anstatt zu fragen, ob die Konzeption noch zeitgemäß sei, 
„schlägt man sich gegenseitig auf die Schulter.“ Derzeit schlägt man in 
Karlsruhe eher wütend um sich. Der Oberbürgermeister Heinz Fenrich warf 
Adriani einen „persönlichen Rachefeldzug“ vor und drohte: „Götz Adriani 
wird keine verbrannte Erde als gescheiterter Museumsdirektor in Karlsruhe 
hinterlassen.“ Auch im Landtag macht sich nun Ärger breit, Adriani werden 
„persönliche Animositäten“ unterstellt.



An die Fragen, die Adriani aufgeworfen hat, wagt sich allerdings
niemand heran. Man beruft sich auf ein Gutachten des Wissenschaftsrates, 
das kürzlich veröffentlicht wurde. Die Bilanz ist weitgehend positiv. Am 
ZKM würden „sehr erfolgreich neueste Kommunikations- und Medientechnologien 
weiterentwickelt und für kunstbezogene Anwendungen nutzbar gemacht,“ heißt 
es in dem Bericht. Es wurde aber auch mehr Transparenz und klarere Trennung 
gefordert zwischen Stiftungsrat und Kuratorium.



Kritik übte der Wissenschaftsrat auch am MNK, dem Sammlermuseum.
Das Gutachten schlägt vor, das Museum (und seine Zuschüsse) direkt dem ZKM 
– also Peter Weibel – zu unterstellen und die Lichthöfe, die das MNK 
bespielt, dem ZKM zur Verfügung zu stellen. Eine „einseitige“ Empfehlung 
meint Adriani, auch eine „absurde“, schließlich habe Weibel oft gegen das 
Sammlermuseum polemisiert. Die Zukunft des MNK ist in jedem Fall höchst 
ungewiss. Eine Arbeitsgruppe, die über eine neue Nutzung der 
Ausstellungsflächen nachdenken soll, wurde bereits gebildet – Adriani ist 
nicht dabei. Auch sein Stellvertreter Ralph Melcher wird sich nicht mehr 
für die Belange der Sammler einsetzen können: Er leitet vom 1. Januar 2004 
an das Saarlandmuseum in Saarbrücken. Der Laupheimer Kunstsammler Friedrich 
Rentschler, dessen Werke im MNK sind, will in jedem Fall um das 
Sammlermuseum kämpfen. Ob unter der Leitung von Adriani oder Weibel, ist 
ihm einerlei – „das ist eine Personalfrage“, sagt er. Er stehe zu dem 
Konzept, das einst Heinrich Klotz entwickelte.



Wird das MNK allerdings tatsächlich dem ZKM zugeschlagen, werden die
Ausstellungsräume anderweitig belegt, könnte es gut sein, dass das 
Sammlermuseum allmählich ausblutet. Zur Stimmung in der Kunstszene würde 
das zumindest passen. Während Klotz das Museum initiierte, um die privaten 
Kunstsammlung im Lande zu halten, stößt man inzwischen kaum noch auf 
Verständnis, wenn private Schätze mit öffentlichen Geldern gepflegt und 
präsentiert werden. Und wenn es das ZKM geschickt anstellt, könnte es vom 
Ende des MNK sogar kräftig profitieren – und die rund drei Millionen Euro 
Unterstützung für sich selbst einstreichen.



ADRIENNE BRAUN