[rohrpost] Neue Untersuchung deckt Widersprüche in EU-Gesetzgebung
Volker Grassmuck
vgrass at rz.hu-berlin.de
Mon Sep 8 15:19:18 CEST 2003
Neue Untersuchung deckt Widersprüche in EU-Gesetzgebung zum Urheberrecht auf
Vieles, was heute noch als ganz normale Beschäftigung gilt, könnte
bald verboten sein. Zu diesem Schluss kommt eine neu veröffentlichte
Untersuchung. So könnte es bald illegal sein, Musikstücke von einer
kopiergeschützten CD auf einen Walkman zu überspielen oder sich eine
DVD auf einem Computer anzusehen, der unter dem freien Betriebssystem
Linux läuft.
Die heute veröffentlichte Untersuchung "Implementing the EU Copyright
Directive ("Die Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie") analysiert
in sieben thematischen Einzelberichten und 13 Länderberichten die
Folgen der Anpassung der Gesetze in den Mitgliedsstaaten an die
Richtlinie.
Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass es in einigen
Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, bereits als illegal gelten
muss, urheberrechtlich geschützte Werke wie CDs, Filme oder
elektronische Bücher auf andere Weise zu verwenden als vom
Herausgeber vorgesehen. Übertretungen sollen mit Strafen von mehreren
Zehntausend Euro geahndet werden; es drohen sogar mehrjährige
Gefängnisstrafen.
Nur in wenigen EU-Staaten werden den Konsumenten dagegen die Mittel
an die Hand gegeben, ihrerseits ihre Rechte durchzusetzen. Meist
führt der Weg über eine Regierungsbehörde, bei der zuerst Beschwerde
einzulegen ist. Danach kann es Monate dauern, bis der oder die
Einzelne ihr Recht kriegen. Vertreter der Konsumenteninteressen gibt
es in den Regierungsstellen nach wie vor so gut wie nirgends.
Sehr wenige Vorkehrungen wurden auch eingeführt gegen den Missbrauch
des Urheberrechts zur Preissteigerung bei Verbrauchsgütern wie
Druckerpatronen oder Zubehör für Spielkonsolen. Es ist zu erwarten,
dass diese Praktiken, die jetzt schon in den USA weit verbreitet
sind, demnächst den Atlantik überqueren. In den USA genießen sie den
Schutz des des Digital Millennium Copyright Acts, eines Gesetzes,
das in weiten Teilen der EU-Urheberrechtsrichtlinie ähnelt.
Schaden erleiden wird die europäische Forschung zur
Computersicherheit. Nach derzeitigem Stand dürfen nur in Deutschland,
Dänemark und Finnland noch Wissenschaftler die Effektivität von
Kopierschutzmaßnahmen erproben.
Speziell für Deuschland kommt der Bericht zu dem Schluss: "Das
deutsche Gesetz gibt die Widersprüchlichkeiten der EU-Richtlinie
getreu wieder: Einerseits postuliert es ausdrücklich das Recht zur
Anfertigung von Privatkopien; andererseits stellt es die Umgehung von
Kopierschutzmechanismen selbst dann unter Strafe, wenn dies zu dem
alleinigen Zweck geschieht, eine legale Privatkopie anzufertigen."
Ian Brown, der Herausgeber des Berichts, kommentiert: "Diese neuen
Gesetze berauben europäische Bürger ihrer Rechte. Sie sind im
alleinigen Interesse von Hollywood und der Musikindustrie. Diese
Gesetze müssen neu gefasst werden, damit sie die Eigentümer von CDs,
DVDs und e-Books ebenso schützen wie die Medienkonzerne."
Der Bericht ist im Internet zugänglich unter der Adresse
http://www.fipr.org/copyright/guide/
Ian Brown, der Direktor der Foundation for Information Policy
Research, ist für Nachfragen erreichbar unter ian at fipr.org oder
telefonisch unter 0044 - 7970 164 526
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