[rohrpost] kuratorInneninflationInnen
friedhelm beate
scum at blogwar.org
Fre Aug 13 00:20:42 CEST 2004
Am 12.08.2004 um 20:43 schrieb Stefan Becque:
> über betacity kam noch ein anderer text zum unfriendly risikotheater,
> den du
> cc an thing geschickt hattest. der ist wohl (noch) nicht angekommen.
Im aktuellen Tip präsentieren sich die Mitglieder des
"Kuratoren-Kollektiv Unfriendly Takeover" als "Protagonisten des
Berliner Undergrounds".
Das macht mir Angst; nicht nur die Arschfick-Allianz der ehemaligen
Direktoren-Riege der Berliner Institutionen der kontemplativen
Kunstüberschätzung, nicht nur die schizoiden Geschäfte eines
Kunstvereinsdirektorats mit sich selbst, auch aus dem Umfeld des
Tacheles sind immer mehr Provokationen zu vermelden. Die Intendanz
bereichert sich durch Esoterik-Seminare und nutzt dazu die Reputation
ihres Hauses, und jetzt kommen auch noch Theatergruppen und wollen als
kollektiv kuratierende Armee-Fraktionen mit dem Kunst-Unsachverstand
hierzulande aufräumen.
Ich lese aus derartigen Journaille-Texten – und die flattern einem ja
zuhauf auf den Tisch – lediglich ein recht ungesundes Selbstbewusstsein
in Richtung Selbstüberschätzung einer Gilde, die sich "Kurator" nennt.
Also auch "Pfleger". Aber *was* pflegt denn schon eine Theatergruppe
denn anderes, als seinen Ruf, der ihr durch die Institution "Festival"
und eine gute Packung steuerbezahlten Bildungsbürgertums gegeben
wurde(Quereinstiege sind aber besonders willkommen). Was macht er in
seiner Arbeit anderes, als das kreiern von zahlungspflichtigen
Kleinstereignissen mit Resten aus der Arbeit von anderen Menschen,
welche durch diverse Zuschreibungsverfahren das Gütesiegel "Kunst"
aufgebrannt bekommen?
Ich finde, daß diese Markt-Struktur sehr gut zur Gegenwart paßt. Ich
denke aber, daß man nun an einem Zeitpunkt ist - spätestens seit
einigen völlig verhunzten Großnummern wie Transmediale oder Garage, an
dem die Kuratorengilde ein wenig gelassener betrachtet und weniger
hochtemperiert gehandelt werden sollte.
An manchen Orten strahlt die Macht der Kuratoren noch heller, denn sie
verdrängt Ausstellungsmacher, die als Ressource vor Ort stehen. Ich las
neulich auf Thing Frankfurt, dass eine der prominentesten Kuratorinnen
unseres Landes für ein Thesenpapier (zu einer Ausstellung) 80.000 Euros
überwiesen bekommen hat. Und dann musste das Paper noch von
den"Lohndrohnen" vor Ort korrigiert werden (sowohl was das Konzept als
auch die Künstlerliste anging).
Also dieses Hintertreppenargument gegen die Gewichtigkeit
vermeintlicher Kuratorenfehlleistungen soll nur zeigen, dass hier eine
längst bemerkte Profiteuren-Gilde heran gewachsen ist, die über den
Main zieht und mit vermeintlicher Aura, die off-spaces ja vermeintlich
nicht mehr besitzen, und mit hoher Ablösesumme, uns Wohlstandsscheißern
die Kunst Nordpol bis zum Südpol (inkl. Inuit"kunst" etc) vor Augen
führen.
Also wenn sich die oberen 30 nicht mäßigen in ihrer Vermessenheit Kunst
zu definieren, sollten wir an dieser Stelle nicht auch noch Zeit an
ihren Sud aus ungegeorenem Pseudokunstverständnis verschwenden, sondern
eher mal die Frage nach einer Alternative zum Kuratorenmodell in
medienkünstlerischen Kontexten fragen.
Ach, wie gerne hätte ich es gesehen, dass diese Monstrosität
Kunstvermittlung ausnahmsweise kommentarlos verpufft. Jeder denkt sich
seinen Teil, versinkt in heimliches Schweigen und zieht das Ding in den
Fahrstuhl der Finsternis.
Haben wir eigentlich schon mal die Machtstrukturen genauer betrachtet,
mit denen sich der Kurator als vermittelnde Instanz zwischen dem
Unverstehbaren (dem Künstler) und dem Nichtbegreifenden (dem
Betrachter) sich in eine signifikant nicht vorhandene hermeneutische
Höhe emporschwingt? Bedenken sie, dass wir es hier strukturell mit
einer triadischen Fassung des klassischen Arzt-Patient-Momentum zu tun
haben, dessen Patt-Situation (Ich bin verrückt; weil ich das erkenne,
kann ich nicht verrückt sein) zu einem Das ist Kunst, weil ich es Dir
sage! wird (wobei der Künstler faktisch das Objekt klein a
repräsentiert, da er das letzte Glied der signifikanten Kette ist, aber
seine anwesende Abwesenheit zwingend notwenig zur Aufrechterhaltung der
triadischen Konstruktion ist)?