[rohrpost] Medientheorie - Das Wikiexperiment
sascha brossmann
brsma at gmx.net
Don Dez 9 08:54:05 CET 2004
(vielleicht ein wenig spät, aber dennoch...)
Am 23.11.2004 um 19:06 schrieb Florian Cramer:
> Ein wichtiger Punkt wäre z.B., daß sich das technische Funktionieren
> und der kulturelle Gebrauch von Computer-Software (und
> generativ-algorithmischen Systemen im allgemeinen) nicht oder nur mit
> unvertretbaren Verrenkungen mit klassischen Sender-Empfänger-Modelle
> aufschlüsseln läßt.
das kann ich nur unterstützen. m.e. wird ein modell benötigt, das fähig
ist, kommunikation, gebrauch und möglicherweise noch ein paar aspekte
(infrastruktur z.b.) mehr zusammmen zu führen.
> Die vielleicht größte Leistung der vage und fragwürdig als
> "Medientheorie" und "Medienkunst" bezeichneten Diskurse ist es,
> spekulativem, experimentellem Denken Plattformen und Freiräume geboten
> zu haben.
bin ich mir diesbezüglich nicht wirklich sicher: das ist vielleicht ein
henne/ei-problem, aber m.e. ist es einem spekulatives, experimentelles
denken zu eigen, dass es sich freiräume schafft. das hiesse in diesem
fall: dass es die diskurse erst hervorgebracht hat, die ihm dann die
freiräume geboten haben. ;-)
> Dies macht nicht zuletzt die elektronischen Künste der letzten zehn
> Jahre interessant, und zwar als Kunst im Allgemeinen und nicht als
> sog. "Medienkunst" im Speziellen,
ja, unbedingt! zumal sich die gemeinsamkeiten des darunter gezählten im
grunde im (dazu sehr unterschiedlichen) gebrauch des computers
erschöpfen. und das ist mir ein bisschen zu wenig, um daraus eine
disziplin zu basteln.
> während der reguläre Kunstbetrieb in politisch korrekten Akademismen
> und opulenter Bilderkunst für Sammler erstarrt.
ein teilbereich dessen was von manchen rezipienten unter "medienkunst"
gezählt wird zeichnet sich meiner beobachtung nach z.b. ebenfalls
dadurch aus, eher ein update der bilderzeugungsmethoden durchgeführt zu
haben. "abstrakter expressionismus v1.5" gewissermassen oder eine
fortführung der algorithmischen bilderzeugung der 50er/60er jahre mit
geeigneterem werkzeug. teilweise kehrt man somit auch hier zu ideen von
"bild"/"kunstwerk"/etc. zurück die ich für einigermassen traditionell
halte. der effekt ist in mancher hinsicht auch wieder der von
"bilderkunst für sammler" (siehe z.b. bitforms gallery, new york &
co.).
vieles von dem, was normalerweise unter "medienkunst" läuft, würde ich
allerdings auch eher als spekulatives design bezeichnen. nicht dass das
keine berechtigung hätte - ganz im gegenteil -, aber der fokus und die
aufgeworfenen fragen ändern sich dadurch nicht unerheblich.
> (...) anstatt Medientheorie vernetzt innerhalb der alten Disziplinen
> zu betreiben.
das kann ich durchaus befürworten, wenngleich ich "disziplin" aus
gründen der durchlässigkeit gerne durch "schwerpunkt" o.ä. ersetzen
würde (spezialisierungen halte ich keinesfalls für nachteilig). und der
kann auch durchaus - und durchaus öfter - mal *dazwischen* liegen.
eine hybridisierung muss ja nicht gleichbedeutend damit sein, dass
jeder auf einmal alles zu gleichen teilen machen kann/muss/will.
> Derrida ist ein gutes Beispiel, weshalb Kompliziertheit eines
> theoretischen Diskurses sinnvoll und konsequent sein kann, (...)
d'accord. das hat bei ihm allerdings - wie du ja auch schreibst -
anscheinend zweck und methode. also keine kompliziertheit um der
kompliziertheit willen, sondern weil sie dem inhalt *angemessen* zu
sein scheint.
> Hier sehe ich einen Widerspruch zu den Thesen des Wikis. (...) ist es
> nicht wünschenswert, wenn es fließende Übergänge von sog.
> künstlerischer Praxis und sog. Theorie gibt?
unbedingt sogar. das sollte m.e. aber nicht aus nachlässigkeit oder
unvermögen resultieren. genau das aber trifft für mich auf das von mir
bemäkelte einkleiden schwacher inhalte in eine terminologisch imposante
rüstung zu. ich habe absolut keinen einwand dagegen, dass sich komplexe
gedankengänge nicht nur simpelsprechs bedienen, ganz und gar nicht. nur
den *umkehrschluss* lasse ich nicht gelten.
> Also z.B. eine hypothetische Arbeit über Codekunst, deren Typographie
> und, in Teilen, Text sich an Codekunst à la jodi oder mez anlehnt?
ich halte das für ein ziemlich schwieriges pflaster, da so ein vorgehen
ja nicht nur auf hübsch dekorative weise aussagen doppeln sollte, als
ein zuckerguss von illustrativem kitsch. interessanter könnte sein,
weniger die konkrete form nachzubilden, als den diese erzeugenden
*prozess* als spielball aufzunehmen.
aber du sagst ja selbst:
> Ich stimme zu, daß bisherige Ansätze dazu nicht zufriedenstellend sind
hier sind m.e. auch einfach mehr kooperationen gefragt...
liebe grüsse
sascha
--
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