[rohrpost] Malmoe ueber Open Source und die Grenzen der Offenheit

[Matze Schmidt]

Wednesday, June 30, 2004, 10:04:08 PM, you wrote:
> "Alternative ökonomie" verstehe ich nicht.

kurz: in anderen sektoren das aequivalent zur selbstvermarktung der sog.
kreativen. wird i.d. reformerischen linken seit gewisser zeit halbgar
diskutiert (vgl. altvater).

was da als ende einer industrie im musikbereich
erzaehlt wird, ist jedoch weiter nichts als eine verschiebung der maerkte zu
neuen akteuren. nicht die kulturindustrie geht bergab und die reine
musik bleibt, sie findet neue felder. nicht die musikindustrie durch
neue medien zerstoert, sie wird durch direktdistribution wiederbelebt.
verguetungssysteme sind mini-maerkte, nichts anderes. strukturwandel,
genau.

mit der "Verfuegungsgewalt ueber die eigene Technik" muesste man
vorsichtig sein, weil techniken nie einseitige verfuegung im sinn von
werkzeug sind.

>Der Markt für Werbung heisst nicht "Fernsehen", sondern "Aufmerksamkeit
>des Konsumenten des Produktes"

koennte man fast zustimmen, fast. denn traefe das zu, dann waere der
markt fuer broetchen, das essen des konsumenten des produkts, was
vollkommen falsch ist, weil das essen bereits der konsum ist. konsum ist
aber nicht der markt. markt ist immer das verkaufsverhaeltnis, geld - ware -
geld. das angeblich besondere der sog. aufmerksamkeitsoekonomie existiert einfach
nicht. genausowenig wie eine broetchenoekonomie existiert.

in hinterzimmern wird entschieden? ... darauf falle ich auch immer
herein. da wird nichts entschieden, alles liegt offen. nichts wird
am tisch im chinarestaurant entschieden, was nicht schon notwendig
waere. das beweist die offene repression gegen die kopiererszenen.

es ging im beispiel der fernseh-fee nicht um "Late Night-Shows als
Cash-Cows" ja oder nein. es ging um die diskursentfaltung dabei, die
be- und ermaechtigungswut der wortmacher auf dem gebiet der
massen-medienpaedagogie zu checken. und ihr fehlgeleitetes streben nach
abkopplung der technisch-medialen kompetenz von der rellen oekonomischen und im
gleichen zug die vermischung technisch-medialer kompetenz mit der
verindividualisierten ultramikrooekonomie. etwa so, als koenne man den
inhalt des zigarettenautomaten per bezahlung konsumieren, indem man die
marken ueberkleben lernt - das aendert nichts am kauf, er bleibt.

VG Wort? jaja, Online-VG <- das wort fiel schon ein paar mal. das
schlaegt die berliner erklaerung ja vor. sie schlagen vor, was den
autoren von texten (z.b.) zur grundlage ihrer gegenseitigen konkurrenz
dient. der vorschlag ist also mehr als billige
scheinselbststaendigen-rhetorik.

und: drm wird vom konsumenten ohne zwang aber nicht mehr angenommen
werden? ja, wird denn die bezahlung der direkt-datei ohne zwang
angenommen werden? wird denn der spiegel-artikel fuer 50 cent ohne zwang
bezahlt? oder heben wir auf freiwillige bezahlung ab? "50 cent und gut"
("bitte seid ehrlich", so aehnlich schreibt heise)? syndikate dann
vielleicht, die sich verkapitalisieren? arbeiterselbstverwaltung zur
bildung von minikapitalistengruppen? eine historisch interessante
fragestellung. klitschen sind noch immer klitschen geblieben oder haben
andere verdraengt.

> Und nun kommen die Kreativen

mal abgesehen von der seltsamen (paradigma "informationsgesellschaft")
abspaltung von *kreativ* (white collar) und *nicht
kreativ* (der industriearbeiter, der post-fordistische arbeiter) in den
creative commons, erscheint die setzung der kreativen, die jetzt kaemen,
als elite und avantgarde eben jener "informationsgesellschaft" im
strukturwandel eine zu sein, die auf ihre gesellschaftliche
schluesselposition setzt. und wenn es dieser elite dann gut geht, dann
ist der strukturwandel vollzogen? ich glaube schon, dasz die CCs sich
auf ihre klientel beschraenken musz, vom rest - z.b. dem wachsenden
dienstleistungsmarkt auf unterstem lohnniveau und auf niedrigster
bildungsebene - hat sie keine ahnung. oder geht es um die vergroeszerung
der 'kreativen' potentiale aller? dann haette eBay mehr zu bieten als
jede CC-lizenz (ebay arbeitet nicht von ungefaehr mit der Bundesagentur
fuer Arbeit auf dem gebiet der existenzgruendung zusammen).

m