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mongo flattner onomastik at braan.org
Sam Jul 3 23:09:38 CEST 2004


Braan,
lies das mal, darauf bin ich gestossen, weil jemand bei yahoo "Weiber 
mit schmalem Arsch" eingegeben hat und dabei auf dein "Seppeltreffen" 
gestossen ist.

Daniel Rosenblatt
Schattenarbeit (Teil 1)
Aus der Praxis der Gestalttherapie

Aus der Gestaltkritik

Gestaltkritik - Die Zeitschrift mit Programm aus dem Gestalt-Institut 
Köln
Gestaltkritik (Internet): ISSN 1615-1712

Themenschwerpunkte:

	• 	Gestalttherapie und ihre Weiterentwicklung
	• 	Gestalttherapie als spirituelle Suche
	• 	Gestalttherapie als politische Praxis

Gestaltkritik verbindet die Ankündigung unseres aktuellen 
Veranstaltungs- und Weiterbildungsprogramms mit dem Abdruck von 
Originalbeiträgen: Texte aus unseren "Werkstätten" und denen unserer 
Freunde.

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  Hier folgt der Abdruck eines Beitrages aus der Gestaltkritik 1-2002:

Daniel Rosenblatt
Schattenarbeit (Teil 1)
Aus der Praxis der Gestalttherapie

 

Daniel Rosenblatt

 

Liebevolle Achtung und leidenschaftliche Beharrlichkeit zeichnen Dan 
Rosenblatts gestalttherapeutische Arbeit aus. Er arbeitet geduldig, 
ohne hartnäckig zu werden. Ohne beweisen oder gewinnen zu müssen. Seine 
Bereitschaft, Menschen zu begleiten, hat jenen langen Atem, jene 
Zugewandtheit und Achtsamkeit, die die Seele braucht, um lernen zu 
können. Zugleich ist seine Gestalt-Arbeit auf eine sehr wirksame Weise 
einfach. So ursprünglich, so pur wie ihn sah ich nur einen weiteren 
Menschen arbeiten: Lore Perls, seine Lehrerin, deren engster Vertrauter 
er später war.

Im folgenden Beitrag öffnet er uns Leserinnen und Lesern großzügig auch 
die Tür zu seinen eigenen inneren Prozessen, während er arbeitet. Er 
berichtet von seinen eigenen Erfahrungen, von seiner Gegenübertragung, 
von seinen Werten, seinen Ängsten und seinen eigenen Bedürfnissen - und 
auch von seinen Fehlern. Auf diese Weise wird deutlich, was es heißt, 
daß der Gestalttherapeut "sein eigenes Instrument" ist.

Den zweiten Teil dieses Beitrags finden Sie unter diesem Link!

Der Herausgeber

 

Timmy kam zu mir auf Empfehlung eines ehemaligen Partners, eines 
Antiquitätenhändlers, der früher einmal in Therapie bei mir war. Weil 
Timmy von der Heterowelt nur Ablehnung und Verurteilung erwartete, 
hätte er an Therapie bei einem Heterosexuellen nie zu denken gewagt.

Timmy war weich, sanft und voller Scham. Er ließ sich von einer reichen 
Witwe aushalten, bumste mit ihr aber so wenig wie möglich und in der 
Hauptsache dann, wenn er für eine seiner Unternehmungen ihre Hilfe 
brauchte. Meine Hilfe suchte er wegen psychosomatischer Beschwerden: 
Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Blähungen, übermäßigem Schwitzen und 
schlechtem Atem. Er trug etwas zu viel Schmuck, roch ein bißchen zu 
sehr nach Canoe, hatte das Haar mit Pomade gestriegelt. Er rief ein 
Gefühl sozialen Dünkels wach, das ich eigentlich nicht mag. Ich 
bewahrte mir einen gewissen Abstand zu seinem Leid und zu dem, das er 
Meg, seiner zweiundsechzig Jahre alten Dame, antat.

Den Namen Timmy (nicht Tim oder Timothy) hatte sich Mario selber 
zugelegt. Er meinte, "Timmy" klänge gediegener, denn darin verriete 
sich nichts von seiner Herkunft als Latino aus der Unterschicht, mit 
der er nichts mehr zu tun haben wollte. Timmy war als jüngstes von 
sieben Kindern im Kreise von Tanten, Onkeln, Cousins und Großeltern in 
der Südbronx aufgewachsen. Als er sechs Jahre alt war, bekam sein 
Vater, der seine Mutter regelmäßig verprügelte, einen Herzanfall und 
starb. Timmy war nett und freundlich und bekam von seiner Mutter und 
seinen Verwandten viel Aufmerksamkeit geschenkt. Daraus entwickelte 
sich ein wesentlicher Zug, über den er sich definierte: Er fand sich 
mit siebenunddreißig Jahren einfach unwiderstehlich. Ihm war völlig 
unbegreiflich, daß ich von ihm nicht hingerissen war, aber für solchen 
blanken Narzißmus hatte ich nur ein leicht verächtliches Lächeln übrig. 
Ich fand, er besaß wohl einen gewissen natürlichen Charme, aber nichts 
von der urtümlichen sexuellen Ausstrahlungskraft eines goldigen 
Strichers, eines bulligen LKW-Fahrers oder eines rauhen 
Straßenarbeiters. Nun war Timmy aber auch nicht zu einer persönlichen 
Verabredung oder zur moralischen Vervollkommnung bei mir. Vielmehr 
hatte er dauernde Kopfschmerzen, schwitzende Armhöhlen, übelriechende 
Fürze und einen kneifenden Magen - Symptome, die ihn sehr belasteten. 
So beschloß ich, meine persönliche Abneigung gegen sein pomadiges 
Auftreten und seine Großspurigkeit zur Seite zu legen und mich mit 
meinem beruflichem Selbst zu engagieren. Hier war eine Seele in Not, 
Timmy litt. Und ich beschloß, für ihn mein Bestes zu tun.

Am Ende des Tages wollte ich mir ein Video über Starman (1) ansehen, 
mußte aber immer wieder an Timmy und Meg denken. Also schaltete ich das 
Video wieder ab und wandte mich den störenden Gedanken zu. Wie die 
meisten Amerikaner war ich dazu erzogen worden, sexuelle Ausnutzung 
abzulehnen. Vergewaltiger, Kinderschänder, Zuhälter, Dirnen, Huren und 
Freier, männliche wie weibliche (in dieser Reihenfolge der 
Schandbarkeit) verachtete ich. Wenn ich nun Timmy "umerziehen" sollte, 
damit sich seine Symptome besserten, so würde ich genau festlegen 
müssen, wie weit ich mit dem "Lehrplan" gehen könnte. Sollte ich Timmy 
etwa zu einem Kurs in Karriereplanung anhalten, damit er aus seinen 
Lebensverhältnissen herausfände, obwohl es ihm darin doch scheinbar gut 
ging? Wenn ich ihm helfen wollte, würde ich sicher erst einmal mich 
selbst umerziehen müssen und meine von Kindheit an bestehenden 
Einstellungen gegenüber Ausnutzung und Verkauf von Sexualität 
überdenken müssen! Denn wenn ich es nicht auf mich nähme, an mir selber 
zu arbeiten, würde mein mögliches Mitgefühl für Timmy wegen meiner 
Ablehnung seiner sexuellen Praxis blockiert bleiben - wahrlich eine 
unhaltbare Position für einen schwulen Therapeuten.

Mir fiel das Musical My Fair Lady ein. Das mangelnde Mitgefühl des 
Sprecherziehers für Liza Doolittle hätte fast alles verdorben. Liza 
hätte fast nach der ersten Stunde aufgehört, wären nicht Henry Higgins 
Bedienstete und sein Freund Colonel Pickering so einfühlsam mit ihr 
umgegangen. Am Ende des Stückes sagt Eliza, das entscheidende sei 
gewesen, daß Colonel Pickering sie stets wie eine Dame behandelt hatte. 
Genau so würde ich Timmy mit der Würde und Achtung behandeln müssen, 
die man einem Gentleman entgegenbringt. Als sich Eliza ein 
Blumengeschäft kaufen will, redet ihr der Colonel dies nicht etwa als 
kleinbürgerliches Ziel aus, sondern gibt ihr sogar noch Geld dazu. Er 
behandelte sie also als Dame, ohne darauf zu bestehen, daß sie wirklich 
eine Dame würde. Pickering wußte die Erziehung Elizas in Grenzen zu 
halten. Bis zu welcher Grenze würde ich mit Timmys Erziehung gehen 
sollen? Mir und Timmy blieb noch viel zu tun, mehr als für diesen einen 
Abend. Dem Wesen der Prostitution wird in Mistress Warren's Profession 
von George B.

Shaw (2) genauer nachgegangen, aber ich wollte heute nicht mehr darüber 
nachdenken. Ich wollte dieses unschöne Stück warten lassen, mich 
erholen und mich wieder der wunderbaren Romanze von Starman und seiner 
Freundin zuwenden.

Therapie war harte Arbeit für Timmy. Er hatte an einer kleinen 
katholischen Universität in Westchester zwei Jahre studiert, aber 
schlecht abgeschnitten. Das Lernen aus Büchern war für ihn nur ein 
Mittel zum Zweck, um seine ungehobelte Erscheinung zu polieren, es war 
nur eine Eintrittskarte in die Gesellschaft. Durch den Besuch einer 
traditionsreichen Schule wollte sich Timmy sozusagen ein soziales 
Schmuckstück zulegen. Dabei hatte er auch gelernt, daß Fragen erlaubt 
ist. Zum Beispiel fragte er in der Therapiegruppe und in 
Einzelsitzungen "Wer war Faulkner?", "Wo ist die Alhambra?", "Was ist 
ein Kibbuz?". Aber wenn er eine Antwort bekommen hatte, ging er niemals 
darauf ein, um sein Verständnis zu vertiefen. Er wollte nur mitreden 
können, nicht selber diskutieren.

Viele von Timmys Symptomen hingen mit seiner Angst zusammen. Nachdem 
ihn Meg zu ihrem Gesellschafter gewählt hatte, gelangte er in die 
Kreise der oberen Mittelschicht. Dort fühlte er sich wie ein 
Eindringling und Betrüger. Er wußte, daß er es als sozialer Aufsteiger 
nicht schaffen würde, denn es war eben nicht genug, eine Tafel decken, 
ein Salatbesteck benutzen und das Geflügel zerlegen zu können. Ihm 
fehlte bei Megs Freunden der Boden unter den Füßen. Er war voller 
Unsicherheiten über seine Kleidung, die Ethan-Allen-Möbel (3) in seiner 
Wohnung, die Nouvelle Cuisine, die er einfach nicht mochte. Als 
allseits bewundertes Kind in einer vielköpfigen Latino-Familie hatte er 
nie die Mühe kennengelernt, welches Stück Seife von Roger&Gallet man 
auswählen solle oder ob 4711 inzwischen aus der Mode sei. Vor allem 
fand er die Geschlechtsorgane von Frauen widerlich, ihr Aussehen, ihren 
Geruch und ihren Geschmack. Und hier war er nun in ein heterosexuelles 
Verhältnis mit Meg eingebunden, einer Frau, die ihm seine Wohnung und 
seine Reisen bezahlte und die zweiundsechzig Jahre alt war, älter als 
seine eigene Mutter.

Timmy legte Wert darauf, daß Meg von seinen homosexuellen Beziehungen 
wußte. Damit wollte er nicht Ehrlichkeit an den Tag legen, sondern sich 
in erster Linie Meg sexuell vom Leibe halten und sein Recht auf ein 
eigenes Leben zum Ausdruck bringen. Meg hörte sich seine Geschichten an 
und legte sich dann ihre eigenen zurecht: "Du bist an Männern nicht 
wirklich interessiert, Timmy. Bei der Art, wie du Sex mit mir machst, 
kann das einfach nicht sein. Ich weiß es." Oder sie meinte, er hätte 
nur früher einmal Geschmack an Männern gefunden, bevor er wußte, wie 
gut es in Wahrheit mit Frauen ist; aber dies sei jetzt Vergangenheit. 
Oder wenn sie besonders zynisch war, dachte sie: Gegenwärtig ist er mit 
mir zusammen, und wenn er nun schon mal ein bißchen herumstreunen muß, 
dann doch lieber mit einem Mann als mit einer hübschen jungen Frau. Was 
ist schon dabei. Timmy ist gerade so gut, wie ich ihn mir mache.

Meg wußte, daß sich ihre heterosexuellen Mittelschichtfreunde daran 
störten, daß Timmy Latino war und von ihr ausgehalten wurde. Ihr machte 
das nichts aus, jedoch Timmy durchaus. Er wollte Anerkennung. Und 
vielleicht fühlte er sich irgendwo im Innersten dafür schuldig, was er 
Meg antat, und vielleicht auch dafür, was er sich selbst antat. Es war 
zumindest meine Vermutung, daß ein Teil von Timmys Angst und 
psychosomatischen Beschwerden Folge seines Schuldgefühls wären. Aber 
herauszufinden, ob er sich tatsächlich schuldig fühlte, oder ob ich 
meine eigenen Werthaltungen auf ihn projizierte, würde nicht so leicht 
werden.

Als wir mit der Arbeit begannen, hatte Timmy nur beschänkte 
Vorstellungen von Therapie und dem Therapieprozeß. Da er wußte, daß 
viele von Megs Freunden einen Therapeuten hatten, hielt er seinen 
Schritt in die Therapie für mutig und außerdem für modern. Zu Beginn 
benahm er sich überaus höflich und freundlich. Schließlich war er nur 
Krawattenverkäufer bei Countess Mara, ich dagegen ein Doktor von der 
Harvard Universität. War dies also nicht der richtige Stil, wie man mit 
einem Doktor umgeht? Außerdem suchte er meine Hilfe für Symptome, die 
ihn gesellschaftlich in die Ecke manövrierten und derer er sich sehr 
schämte.

Ich glaube, daß jeder Mensch vor der Aufgabe steht, der Welt einen Sinn 
zu geben und sich dann zu ihm passend zu verhalten. Deshalb wird jeder 
unausweichlich zum Psychologen und Philosophen. Ich wußte, daß auch 
Timmy seine eigenen Werte und Weltanschauungen hatte, auch wenn er sie 
nicht in Worte fassen konnte. Ich wollte ihm helfen, seine 
grundlegenden Auffassungen darüber, wie die Welt funktioniert und wie 
er in ihr funktioniert, besser zu verstehen. Dabei wußte ich, wenn ich 
mit meinen Mittelschichtauffassungen seine Auffassungen verurteilte, 
würde ich ihn nicht erreichen. Deshalb war auch ich auf meine Weise 
höflich und freundlich. Und auch ich war ein Schwindler und Betrüger, 
insofern ich tatsächlich mißbilligte, wie er Meg ausnutzte, mir aber 
aus beruflichen Gründen kein Urteil und keinen Einspruch erlaubte, 
solange die beiden denn zufrieden waren. Allerdings ob Timmy 
tatsächlich zufrieden war, würde ich noch in Erfahrung bringen müssen, 
und bei Meg war ich mir auch nicht ganz sicher.

Noch etwas beunruhigte mich. Ich empfand Timmy als Schleimer, fühlte es 
im Bauch, spürte es als Aufruhr im Magen. Mir wurde nicht gerade übel, 
aber ich hatte einen sauren Geschmack im Mund, wie wenn ich etwas 
gegessen hätte, das zu scharf gewürzt war. So also hatte ich in 
Reaktion auf Timmy meine eigenen psychosomatischen Symptome. Woran 
machte sich nun mein Eindruck fest? Ich konnte drei Elemente benennen. 
Das erste war Timmys pures Eigeninteresse. Er sah die Welt wie ein 
Wolfsrudel: Friß oder werde gefressen. Stiehl oder werde bestohlen. 
Dabei mag die Armut zu seiner einseitigen Ansicht über menschliche 
Beziehungen beigetragen haben. Das zweite waren Timmys selbstgerechte 
Rationalisierungen. Er behauptete, Meg bekäme für ihr Geld einen guten 
Gegenwert, er würde sich um sie kümmern und ihren Interessen 
bestmöglich entgegenkommen. Und schließlich waren da seine 
Unterschichtwerte: Geld bedeutet alles; auf Liebe ist kein Verlaß; mit 
einem dicken Konto kommt alles in Ordnung; Privateigentum und 
Grundbesitz sind heilig. Einer seiner größten Triumphe war, daß er Meg 
dazu gebracht hatte, ihm eine Wohnung kaufen und auf seinen Namen 
eintragen zu lassen.

Ich hatte manche Berührungspunkte mit Timmy. Meine Eltern waren vor 
achtzig Jahren wegen Diskriminierungen aus Osteuropa ausgewandert, doch 
nur um sie im Gelobten Land erneut zu erleben. Mir war Timmys Wunsch 
sympathisch, auf der sozialen Leiter aufzusteigen, gerade so wie ich es 
selber tat. Jedoch seine Mittel zum Aufstieg waren eine Herausforderung 
für die meinen. Er wollte seinen sozialen und sexuellen Charme 
einsetzen, um Menschen auszunutzen; ich wollte meine intellektuellen 
Fähigkeiten dafür zur Verfügung stellen, Menschen bei der 
Selbsterkenntnis zu helfen. Ich wußte, daß seine Selbstgerechtigkeit 
einen engen Bezug zu meinen Schuldgefühlen hatte, und fragte mich, ob 
nicht Timmy gewissermaßen der Alptraum meiner selbst sei und ich ihn 
deshalb so anwidernd fand. Manchmal hatte ich im Scherz auch über meine 
Arbeit als Therapeut gesagt, daß sie der einer Hure gleiche: Wir haben 
beide Kunden, werden beide nach Stunden bezahlt, wir bleiben beide aus 
professionellen Gründen moralisch neutral. Offenbar würde ich wohl 
meinen Blick auf zwei Klienten richten müssen: auf Timmy mit seinen 
psychosomatischen Beschwerden und auf Danny mit seinen 
psychosomatischen Reaktionen.

Von der ersten Sitzung an hielt ich Timmys Großtuerei für eine Abwehr 
gegen seine schlechte Meinung über sich selbst. Dies bestätigte sich, 
als ich ihn bat, mehr über seine Symptome zu erzählen. Er fing damit 
an, noch einmal aufzuzählen, wie sehr sie ihm alle zu schaffen machten: 
der schlechte Atem, das Schwitzen, das Furzen. Ich sagte, um ihnen 
etwas näher zu kommen, wäre es vielleicht gut, ihrer möglichen 
Bedeutung nachzugehen. Dann bat ich Timmy, sich einen Moment auf sich 
selbst zu konzentrieren, dann auf seinen Atem, und sich dann mit seinem 
schlechten Atem zu identifizieren und als sein schlechter Atem zu 
sprechen. Erst wies er das von sich als zu weit hergeholt, aber mit 
weiteren Anstößen von mir ging er schließlich darauf ein. "Ich bin 
Timmys schlechter Atem". Er unterbrach sich: "Das ist bescheuert... Das 
ist wirklich verrückt... Na gut, ich probier's nochmal, also: Ich bin 
Timmys schlechter Atem. Ich stinke regelrecht. Die Leute weichen mir 
aus, weil ich so übel rieche. Ich bin wie Giftgas. Etwas in Timmy ist 
am Verfaulen, wie in einer Kloake." Und mit: "Bah, das ist ja 
widerlich", hörte er dann auf.

"Nun, Timmy, das ist überhaupt nicht verrückt, du bist nicht verrückt. 
Wir können uns die Bilder, die dir zu deinem schlechten Atem gekommen 
sind, ja mal genauer ansehen. Sie sind sehr stark: Eine Kloake, 
Verfaulen, übler Gestank, Giftgas. Was kannst du mit diesen Bilder 
anfangen?"

Timmy war erschüttert. "Verdammt, ich fange an zu schwitzen. Ich bin 
hierher gekommen, um Hilfe zu bekommen, und jetzt krieg ich 
Kopfschmerzen." Ich wartete und wiederholte dann: "Was kannst du mit 
diesen Bildern anfangen, Timmy?" Er machte eine Pause. "Na gut. 
Manchmal fühl ich mich mit mir selber einfach mies. Aber das tut doch 
jeder, oder?" Dann wurde seine Stimme weicher: "Manchmal habe ich einen 
regelrecht Haß auf mich. Ich finde mich widerlich und will von mir weg. 
Irgendwo tief drinnen sitzt das. Und es ist immer da." Timmy bekam 
feuchte Augen, allerdings kamen ihm keine Tränen. "Habe ich den 
schlechten Atem deshalb?"

"Ich weiß nicht, warum du schlechten Atem hast, Timmy. Aber sag mehr 
über die Gefühle, die du verstecken willst. Natürlich kannst du sie 
auch weiterhin verstecken, aber sie werden dadurch nicht verschwinden, 
sondern werden weiter gären. Ich wünsche mir, daß du unsere Zeit hier 
dafür nutzt, um herauszufinden, was in dir vorgeht."

"Ich weiß nicht, ob ich darüber mehr wissen will, wenn das eben ein 
Beispiel dafür war!"

"Timmy, dann will ich dich nur noch um eines bitten, und danach können 
wir unsere Arbeit für heute beenden. Geh doch noch einmal zurück, geh 
in dich hinein, geh zu dem fauligen Geruch, der Kloake, dem Giftgas ... 
Bist du jetzt dort?"

Er nickte.

"Und schau dich mal um, wo dieser Geruch herkommt. Und sag mir dann, 
was du gefunden hast."

Timmy schwieg über eine Minute lang, dann sagte er: "Ich hasse mich, 
weil ich schwul bin. Ich hasse es, Puertoricaner zu sein. Ich hasse es, 
arm zu sein. Alles ist verdorben und faul. Alles stinkt zum Himmel!" 
Und jetzt liefen im die Tränen übers Gesicht und benetzten sein 
Sulka-Hemd und seine Countess-Mara-Krawatte. Seine Stimme schwoll vor 
Ärger an: "Und das Übelste an allem ist, daß ich überhaupt nichts 
dagegen machen kann!"

"Was du daran ändern kannst, ist, was für Gefühle du dazu hast. Das ist 
ein wichtiger Teil unserer Arbeit. Schwul zu sein oder Puertoricaner zu 
sein ist kein Grund, um sich selbst zu hassen."

"Sie haben gut reden. Sie sind weder Puertoricaner noch arm. Und ich 
wette, daß auch Sie es hassen, schwul zu sein."

"Richtig daran ist, daß ich es früher auch haßte, schwul zu sein. Ich 
schämte mich dafür sehr. Aber meine eigene Therapie hat mir darüber 
hinweggeholfen, und ich hoffe, deine wird dir dabei helfen. 
Puertoricaner bin ich keiner, aber ich bin Jude, und ich bin heute 
durchaus stolz darauf, mehr als ich es in der Kindheit war. Genauso 
kannst du stolz darauf sein, daß du Puertoricaner bist, und wir können 
uns das, was du dagegen hast, in ein, zwei Minuten einmal genauer 
ansehen. Was das Armsein angeht, so finde ich das nicht das 
Entscheidende auf der Welt. Ich erinnere mich an die große 
Wirtschaftsdepression 1933, als wir alle arm waren; trotzdem hat uns 
das nicht davon abgehalten, auch unser Vergnügen zu haben. Und einmal 
ehrlich, Timmy, hast du nicht auch jede Menge Spaß gehabt, als du noch 
ein Kind warst und draußen in der Bronx gelebt hattest?"

Er lächelte: "Ja klar. Aber ich fand es trotzdem schrecklich, arm zu 
sein, und ich schwor mir, daß ich dort herauskäme, und das habe ich 
auch geschafft. Bloß fühle ich mich heute immer noch arm. Ich träume 
oft, daß ich immer noch draußen in der Bronx bin, in all dem Lärm und 
Durcheinander. Es ist dreckig und stinkig, und die Leute laufen in 
billigen alten Klamotten herum. Ich will nicht zurück. Nicht einmal 
dann, wenn es mir dort als Kind auch mal gut ging."

"Du brauchst auch nicht zurückzugehen und in der Bronx zu leben. Was 
für dich ansteht, ist die Verabschiedung von all diesen negativen 
Gedanken über das Schwulsein, über Puertoricaner, über Armut. Ich hatte 
vorhin gesagt, ich würde dir heute nichts mehr zum Bearbeiten geben, 
aber jetzt möchte ich doch noch eine Aufgabe stellen. Wenn du nicht auf 
sie eingehen willst, kannst du sie auch sein lassen. Ich möchte dich 
bitten, aufzuzählen, was es Gutes hat, schwul zu sein, Puertoricaner zu 
sein, arm zu sein. Einverstanden?"

"Ja okay. Also, was ist gut daran, schwul zu sein?" Timmy verdrehte die 
Augen, dann zog ein breites Lächeln über sein Gesicht. "Ich finde 
cruisen (4) einfach gut: einen Typen finden,

den ich will, und ihn dann auch kriegen. Und ich finde Sex mit einem 
Typen geil, da kommt nichts anderes gegen an. Und ich finde schwule 
Kneipen gut, wenn sie wirklich laufen, wenn die Musik okay ist, die 
Typen gut aussehen, wenn ich ein paar Glas getrunken habe oder einen 
Joint geraucht, und wenn es mir einfach gut geht. Sie haben recht, das 
ist echt Wahnsinn. Aber ich finde Diskriminierungen schlimm, und ich 
kann diese Schwulenorganisationen nicht ausstehen, die die 
Aufmerksamkeit immer auf die Schwulen lenken. Ich mag Politik sowieso 
nicht. Ich will einfach nur Spaß am Schwulsein haben."

"Einen Moment, Timmy, bleibt eben nur bei dem, was du am Schwulsein gut 
findest."

"Was noch? Also ich finde Parties gut. Und wie Schwule sich bewegen, 
und was sie für Sachen anziehen, und wie sie sie tragen. Schwule sind 
einfach beweglicher, flotter, lebendiger. Und deswegen hassen uns die 
Heteros; sie sind einfach neidisch."

"Bleib ausschließlich bei dem, was am Schwulsein gut ist."

"Ich mag den Strand auf Fire Island (5), den Sand, die Wellen. Ich mag 
den Teadance im Boatel (6), die wilden Parties, den Fleischmarkt (7), 
am liebsten wäre ich jetzt dort."

"Und jetzt zum Puertoricaner. Was ist daran gut, Puertoricaner zu sein?"

"Das ist schwer zu beantworten. Ich könnte nur sagen, was ich daran 
hasse."

"Gut, dann das zuerst."

"Ich hasse das Gewühle. Es sind zu viele Kinder da. Zu viele fette 
Weiber mit breitem Arsch und dicken Titten. Zu viele faul herumhängende 
Typen. Ich kann all diese Kirchen nicht ab. Die Katholiken. Die 
Pfingstler. Die dich nur kontrollieren wollen und dir vorschreiben, was 
du zu tun und lassen hast. ... Ich könnte den ganzen Tag so 
weitermachen."

"Dann mach damit weiter."

"Ich hasse die Gerüche. Diesen säuerlich Geruch von muffigen, alten 
Klamotten. Den Geruch von billigen Imbißbuden, von pappigem Reis, von 
altem Frittieröl .. Es reicht jetzt!"

"Gut. Und was magst du daran, Puertoricaner zu sein?"

"Ich mag wirklich sehr das Essen, wenn es gut gemacht ist, die Gewürze, 
den Paprika, den Safranreis, wenn er richtig zubereitet ist. Und ich 
mag die Farben, diese leuchtenden Farben, wenn die Leute sie richtig zu 
tragen wissen. Und der geile Gang der Männer, wie sie die Hüften 
bewegen und sich vorwärtsrollen, und wie sie sich immerzu an den 
Schwanz fassen, hinfühlen und nachsehen, daß er da ist und jederzeit in 
Aktion gehen kann. Und ich liebe die Puertoricanische Weihnacht, wie 
die Menschen glücklich sein können, lachen, sich eine gute Zeit machen 
und dafür den letzten Groschen hergeben, egal wie arm sie sind."

"Und was ist mit dem Armsein? Was ist daran gut?"

"Nein, Herr Doktor, tut mir leid. Heute nicht. Sogar wenn ich etwas 
finden könnte, ich will nicht. Ich finde es schrecklich, arm zu sein. 
Das werden sie mir nicht wegnehmen. Ich kann mir vielleicht ansehen, 
was daran gut ist, schwul zu sein und Puertoricaner zu sein, und das 
bringt mir auch was. Aber nicht mit dem Armsein. Das ist, als ob Sie 
von einem Kranken wollten, daß er das Gute an Krebs findet."

"Wenn du Krebs hättest, würde ich dich tatsächlich danach fragen, was 
das Gute daran ist, Krebs zu haben."

"Na meinetwegen. Aber ich bin ja eben auch gar nicht arm, und ich werde 
auch nicht arm werden. Also brauche ich mir auch keine Gedanken zu 
machen, was am Armsein gut ist."

"Vielleicht kannst du dir ansehen, was am Armsein so erschreckend und 
erschütternd ist?"

"Vielleicht, vielleicht. Aber nicht heute. Ich hab für einen Tag genug 
getan."

Und Timmy hatte in der Tat genug gearbeitet. Er hatte mich sehr 
beeindruckt, wie offen er sich auf manche erschreckenden Themen 
unmittelbar einlassen konnte, und ich war ganz zuversichtlich, wie es 
mit seiner Therapie weitergehen würde. Nicht so sicher war ich mir 
allerdings, wie weit wir mit seiner Angst vor der Armut kämen. Aber ich 
gebe die Hoffnung nie auf; sie ist einer der besten Verbündeten für 
Therapien.

Timmy kam im Laufe der Therapie seinen eigenen Zielen näher und wuchs 
dabei über sich hinaus. Nach der Erkundung seiner tieferen Gefühle und 
Motive erlebte er eine große Erleichterung und seine Symptome besserten 
sich, wenn sie auch nicht völlig verschwanden. Timmy schätzte an mir, 
daß ich seine puertoricanische Herkunft akzeptierte. Er faßte mehr 
Vertrauen und war nicht mehr so gehemmt wegen fehlender Bildung. Ich 
wies ihn darauf hin, daß ihn andere Menschen wegen seiner 
bodenständigen, spontanen Gefühlsreaktionen mochten, und er nahm dies 
gerne als ein weiteres Element an, das ihn attraktiv machte.

Timmy lernte Therapie auch dazu zu benutzen, Ängste und Sorgen 
einzubringen und zu klären. Er gab mir Geld für eine Dienstleistung, 
also wollte er auch so viel wie möglich dafür bekommen. Er wollte nicht 
nur seine Symptome heilen, sondern auch möglichst viel von dieser Welt 
begreifen, vor der er so viel Angst hatte.

Ich freue mich immer, wenn ein Klient etwas aus seiner Therapie machen 
kann, weniger an Symptomen leidet und sich überhaupt besser fühlt. 
Zwischen Timmy und mir bestand ein solches therapeutisches 
Arbeitsbündnis. Allerdings mußten wir auch noch darauf kommen, wie er 
Meg ausnutzte bzw. darauf, daß er dies überhaupt als Ausnutzung 
wahrnahm. Ich hoffte, wenn er unsere

Arbeit im Laufe der Zeit genügend zu würdigen wußte, würden wir auch 
noch zu diesem Punkt kommen - zu meinem Punkt.

Über diesen meinen Punkt machte ich mir noch mehr Gedanken. Ich 
überlegte, wann er bei mir im Leben zum ersten Mal aufgetaucht war. Mir 
fielen zwei Situationen ein, in denen ich - ähnlich wie Timmy - der 
Liebhaber einer älteren Frau werden konnte, um daraus einen 
persönlichen Vorteil zu ziehen. Die erste Situation begegnete mir, als 
ich dreiundzwanzig Jahre alt war. Damals, in der dunklen Epoche der 
späten vierziger Jahre, hatte ich gerade meine Therapie bei Laura Perls 
begonnen, um mit meinen homosexuellen Gefühlen klarzukommen. Fritz und 
Laura Perls waren gerade von Südafrika, wo sie zehn Jahre im Exil 
zugebracht hatten, nach Amerika übergesiedelt. In New York als einem 
Zentrum orthodoxer Psychoanalyse hatten sie den Ruf linksorientierter 
Abweichler. Ich war der zweite Klient, den Laura in New York hatte. Die 
Theorie der Gestalttherapie war noch nicht entwickelt, das Buch Gestalt 
Therapy (8) noch nicht geschrieben. Ich hatte seinerzeit eine 
Beschäftigung als Schul- und Hauslehrer an der Hessian Hills School in 
Croton on Hudson, einer fortschrittlichen Schule, die von John Deweys 
(8) Schülerin

Elizabeth Moos gegründet worden war. Als neue Direktorin war Winifred 
Dahlberg von der Winetka Day School in Illinois gekommen. Wir fingen 
alle miteinander neu an, weil nach den Peekskill-Unruhen von 1948 (10) 
das gesamte Personal entlassen worden war und wir einen neuen Anfang 
machen sollten. Winifred hatte vier Kinder, zwei von jedem ihrer beiden 
früheren Ehemänner. Ihr erster Mann war Harry Moore gewesen, ein 
Biograf von D.H. Lawrence, ihr zweiter Mann war Edward Dahlberg, der 
Autor des von T.S. Eliot hochgelobten Buches "Bottom Dogs". Winifred 
war fünfunddreißig und damit ein Dutzend Jahre älter als ich. Eines 
Abends, nachdem sie zu viele Martinis getrunken hatte, kam sie zu mir 
aufs Zimmer und ging mit mir ins Bett. Sie war eine attraktive Frau, 
ein kluger Mensch, und zuvor die Gattin von zwei berühmten 
Schriftstellern. Ich ließ ihre Verführung geschehen, und wir wurden 
Partner. Wir betranken uns öfter, spielten Platten von Judy Garland, 
tanzten zusammen und ging dann miteinander ins Bett. Trotzdem war ich 
dabei unglücklich. Ich fand es zwar eine aufregende Entdeckung, daß es 
auch für mich Sex mit Frauen geben konnte, aber ich wußte auch, daß ich 
mit dieser Rolle nur spielte. Ich kümmerte mich zwar ernsthaft um 
Winifred, aber mir war bewußt, daß sie es war, die mich ausgesucht 
hatte, während ich mir bei freier Wahl einen Mann ausgesucht hätte. 
Nach einigen Monaten wandte sich Winifred einem reichen Mann aus dem 
Elternbeirat zu, der ihr bei der Erziehung ihrer vier Kinder und auch 
bei der Sanierung der Schulfinanzen helfen konnte. Als das Schuljahr 
vorüber war, begann ich mein Promotionsstudium. Ich war erleichtert, 
mich in der Liebe nicht länger wie ein Hochstapler zu verhalten. Mit 
Winifred hielt ich noch bis zu ihrem Tode den Kontakt, und von ihrem 
Sohn, dem ich für kurze Zeit den Vater ersetzte, höre ich auch heute 
noch.

In der Therapie bei Laura Perls verbrachte ich viele Stunden mit der 
Klärung meiner schillernden Situation und meiner ambivalenten Gefühle. 
Auf der einen Seite war Winifred meine Chefin, und ich mochte sie als 
Menschen. Auf der anderen Seite war sie für mich trotz ihrer Schönheit 
sexuell nicht attraktiv. Wohl war ich noch nicht bereit, mich offen für 
schwul zu erklären, aber wenn ich die Beziehung fortsetzen würde, 
empfände ich mich als unehrlich und hätte Schuldgefühle. Also konnte 
ich die Beziehung nicht länger aufrechthalten.

Gut zehn Jahre später machte ich bei einer Party von Dwight Macdonald 
Bekanntschaft mit Muriel Spark. Ich war fünfunddreißig, Muriel Ende 
fünfzig. Ihre Bücher The Prime of Miss Jean Brodie (11) und The Girls 
of Slender Means (12) hatte ich sehr bewundert. Sie zählte seinerzeit 
zusammen mit Iris Murdoch und Angus Wilson zu meinen Lieblingsautoren. 
Ihr Vater war ein Jude aus Edinburgh, und vielleicht trug das dazu bei, 
daß sie mich attraktiv fand. Für mich war es sehr schmeichelhaft, von 
einer so talentierten, berühmten und erfolgreichen Schriftstellerin 
beachtet und umworben zu werden. Deshalb ging ich auf ihre Avancen auch 
bereitwillig ein. Die Beziehung war kurz und nicht sehr erfolgreich. 
Ich war seinerzeit an einem Punkt, daß ich zu einem Leben als 
Homosexueller entschlossen war, und Muriel, die den Zenith ihrer 
Schönheit überschritten hatte, war auf der Suche nach einem Gefährten. 
Ich war niedergeschlagen, mich erneut in einer sexuellen Situation 
wiederzufinden, in der ich mir wie ein Betrüger vorkam und mich schämte 
und schuldig fühlte. Trotz all der verlockenden Vorteile, die eine 
Beziehung mit Muriel bieten konnte, gingen wir nach einer nicht 
besonders intensiven oder leidenschaftlichen Affäre wieder unsere 
eigenen Wege.

In diesen beiden Episoden hatte ich mich wie Timmy in eine sexuelle 
Beziehung mit einer älteren Frau verwickelt gefunden. Aber anders als 
Timmy, hatte ich daraus keine persönlichen Vorteil ziehen wollen. Ich 
hatte beide Beziehungen ein Weilchen aufrechterhalten, aber doch nicht 
allzulange gewartet, um mich daraus wieder zu befreien. Mit den 
Entscheidungen, meine Bedürfnisse für kein wie auch immer geartetes 
sexuelles Verhältnis zu verraten, fühlte ich mich ehrenhaft. Timmy 
hatte sich für die andere Alternative entschieden, und mir wurde klar, 
daß ich mich immer noch darüber ärgerte, auf welche Vorteile ich in 
beiden Fällen verzichtet hatte. Ich begriff, daß ich Timmy auch deshalb 
verurteilte, weil er sich auf das Tauschgeschäft eingelassen hatte. Mir 
wurde wieder leichter, und ich hatte mehr Energie für Timmys Therapie 
frei statt für meine Selbstanalyse.

Mit Timmy ging es voran. Statt seine Herkunft schlechtzumachen, machte 
er Meg mit arroz con pollo und mit burritos bekannt, allerdings noch 
nicht mit seiner Mutter. Er dachte sogar daran, sich wieder Mario zu 
nennen, und ließ dies nur deshalb bleiben, damit seine Freunde nicht 
verwirrt würden. Bei passender Gelegenheit ließ er auch mal ein Wort 
oder einen Satz auf Spanisch fallen. In einer Sitzung erzählte er, daß 
er die Westsidestory gesehen hätte und daß er bei dem Chor "Wir werden 
einen Platz für uns finden, irgendwo, irgendwie" geweint hätte. Vor der 
Arbeit mit mir hätte er niemals das Gefühl gehabt, irgendwo auf der 
Welt einen Platz zu haben. War es bloß eine Täuschung, wenn ich in 
seiner Äußerung einen Fortschritt hörte, er hätte jetzt ein 
freundschaftliches Gefühl zu Meg und sie sei fast wie ein Engel, der 
ihm zu einem eigenen Platz verhelfen könne?

Manchmal fluchte er auf Meg, weil sie ihn betatschte, überall an ihm 
herumfummelte, ihn abknutschte und ihm die Zunge in den Mund schob. 
Dann wieder lachte er manchmal obszön und erzählte, er hätte ihr 
wirklich heftig in die Titten gekniffen, und nach ein paar Drinks würde 
er halt mal schnell in ihr abspritzen. Darin steckte auch ein Angebot 
an mich als anderen schwulen Mann, mit ihm zusammen darüber zu lachen, 
wie er Meg nebenbei benutzte. Ich fühlte mich dabei in einen Konflikt 
gebracht zwischen meiner Rolle als sein Therapeut und meiner Haltung 
als Mann, der Frauen nicht feindlich gesonnen ist. Manchmal sagte er 
mit eiskalter Stimme: "Für jeden einzelnen Fick wird sie mir teuer 
bezahlen." Im allgemeinen war Sex zwischen ihnen sowieso dünn gesät, 
schloß Joints und Poppers ein und wurde von Meg auch noch mit 
Geschenken belohnt, zum Beispiel einer kompletten Sinatra-Sammlung, 
einem weißen Leinenanzug oder einer Reise in die Türkei. Ich hörte mir 
das alles an und sagte nichts dazu.

Einmal, als Timmy in der Therapiegruppe wieder einmal über Meg 
hergezogen war, griff ihn Roger, ein jüngeres Gruppenmitglied, heftig 
an und nannte ihn eine Hure. Darauf explodierte Timmy, daß Roger einen 
Dreck davon verstünde und daß er ihm die Scheiße schon aus dem Leib 
prügeln werde. Ich blieb zitternd stumm, und die Gruppe schaffte es, 
die beiden wieder zu beruhigen. Sie gingen nicht darauf ein, ob Timmy 
eine Hure sei, sondern machten klar, wie unfruchtbar solche 
persönlichen Angriffe sind. Mir prägte sich besonders ein, wie wütend 
und verletzt Timmy auf die Bezeichnung Hure reagiert hatte, und ich 
beschloß daraufhin, ihn auf keinen Fall mit dem Wesen seiner Beziehung 
mit Meg zu konfrontieren. Aber ich machte mir Gedanken, warum ihn wohl 
Roger angegriffen hatte. Es ist ja bekannt, daß Kinder unglaublich 
feine Antennen für die verborgenen Gedanken ihrer Eltern haben können 
und sie dann zu deren heimlicher Freude laut aussprechen. Hatte Roger 
in ähnlicher Weise meine verborgene Meinung erraten? Oder vertrat er 
dieselben Einstellungen wie ich nur zufällig und unabgesprochen? Ich 
wußte, daß ich auf jeden Fall sehr genau aufpassen mußte, daß meine 
persönliche Haltung zu Timmy nicht den Prozeß in der Gruppe bestimmte. 
Gewiß kann es oft nützlich sein, einen Klienten mit etwas zu 
konfrontieren, vor dem er die Augen verschließt. Aber mir wurde die 
Gefahr bewußt, daß ich Timmy, wenn ich nicht sehr feinfühlig mit ihm 
umginge, auch aus der Therapie herausdrängen könnte. Für Timmy war es 
eben beschlossene Sache, seine Beziehung mit Meg auf der bestehenden 
Grundlage fortzuführen, er sah darin kein Problem und wollte dafür auch 
keine Hilfe. Hätte ich darauf bestanden, daß dies für Timmy zum Problem 
würde, bloß weil ich damit ein Problem hatte, dann hätte ich seine 
Therapie in einen Missionierungsversuch für meine Werte verkehrt.

Timmy hatte mir berichtet, Meg würde auch gern eine Therapie bei mir 
machen. Das klang verlockend. Die Arbeit mit einem Paar ist anregend 
und herausfordernd. Ich finde es faszinierend, welche verborgenen 
Themen und unerledigten Geschäfte, welche unausgesprochenen Verträge 
und unterschwelligen Verständigungen ein Paar in eine Therapie 
mitbringt. Ich hatte schon mit Ehemann und Ehefrau gearbeitet, mit 
Beziehungspartner und Beziehungspartner, Bruder und Schwester, Mutter 
und Sohn. Aber ich hatte noch nie mit einem Paar gearbeitet, bei dem 
der eine Partner den anderen aushält. Zwar hatten manche Paare auch 
diese Dimension angesprochen, aber nirgend war sie so offen zu Tage 
getreten.

Timmy zufolge hatte Meg nur etwas ganz Simples im Sinn. Weil sie noch 
nie im Leben Therapie gemacht hatte, sei sie einfach neugierig 
geworden, wie so etwas abläuft. Timmy hätte meine Arbeit gelobt, und da 
wäre sie auf die Idee gekommen, sie könne sich einmal mit mir darüber 
unterhalten, wie sie den Rest ihres Lebens gestalten wolle.

Das alles hörte sich arg vereinfacht an. Aber ich wurde neugierig, 
welche Motive Meg sonst noch hatte, mich in Anspruch zu nehmen. Ich 
fragte Timmy, was er dabei empfände, wenn auch Meg bei mir Klientin 
würde. Er fand das großartig: Vielleicht würde ich sie ja dazu bewegen 
können, ihn sexuell in Ruhe zu lassen; vielleicht könnte ich ihr ja 
auch helfen, mit all den Schnorrern um sie herum besser klarzukommen. 
Ja, vielleicht.

Meg war schlicht und gediegen. Sie trug ein lila Laura-Ashley-Kleid mit 
weißen Handschuhen und hatte einen luftigen weißen Strohhut mit 
schmalem Bändchen auf. Das Haar hatte sie blaß honigfarben gefärbt und 
trug es glatt zurückgekämmt und zu einem Dutt geknotet. Dankbar sah ich 
ihre blanken schwarzen Krokodillederschuhe, die etwas mehr Lebendigkeit 
zum Ausdruck brachten. Abgesehen von ihren Bleistiftabsätzen hätte sie 
eine Bibliothekarin im Gorlier Club oder eine Krawatten kaufende Lady 
bei Countess Mara sein können. Alles in allem hatte sie sich 
erfolgreich aufgemacht.

Meg strich sich das Kleid glatt, fuhr sanft über ihre Handschuhe, 
vermied meinen Blick und sagte über ihre Entscheidung zur Therapie eine 
der Plattitüden, die mir Timmy erzählt hatte. Ich wies darauf hin, daß 
die meisten meiner Klienten mehr an akutem Schwierigkeiten litten und 
das deutliche Gefühl hätten, daß in ihrem Leben etwas nicht stimme. 
Nein nein, erwiderte Meg, ihr Leben sei durchaus in Ordnung, denn sie 
habe stets gut für sich gesorgt. Dann blickte sie mir in die Augen, 
lächtelte und sagte: "Sie werden hoffentlich wissen, daß Timmy eine der 
Lösungen ist, wie ich für mich sorge. Ich mag es, wenn ein Mann 
aufmerksam ist." Ich war verwirrt. Verstand Meg ihre Beziehung mit 
Timmy so, daß er ihr aufmerksamer Liebhaber sei? Ich schaute ihr in die 
blaßgrauen Augen, entdeckte aber keinerlei versteckte Spannung, keinen 
Anflug von Schauspielerei. Was hätte sie wohl gesagt, wenn sie Timmys 
Beschwerden über ihre sexuelle Reizlosigkeit gehört hätte?

Immer wenn ich mit Paaren arbeite, werde ich zum Hüter von 
Geheimnissen, die ein Partner vor dem andern hat. Aber gewöhnlich sind 
die Diskrepanzen zwischen den Partnern nicht so gravierend wie bei 
Timmy und Meg. Ich sagte: "Timmy ist sehr dankbar für Ihr Interesse an 
ihm" und dachte dabei im Stillen: Sie hat nicht Timmy betrogen, sondern 
sich selbst. So begannen wir also: Meg zeigte wenig Engagement und warf 
mir gelegentlich Brosamen über ihren Lebenslauf zu, ich hörte ihr mit 
großer innerer Unruhe zu und suchte nach einem gangbaren Weg, um ihr 
die Wahrheit über ihr Verhältnis mit Timmy beizubringen und dabei 
dennoch nicht ihr Arrangement mit Timmy zu gefährden.

Da Meg so wenig Leidensdruck hatte, vereinbarten wir, die Therapie zwei 
Monate lang zur Probe zu führen und danach auszuwerten. Meg kam treu zu 
ihren Terminen und bat mich, ihr Fragen zu stellen. Ich erklärte ihr, 
daß ich gewöhnlich keine Fragen stelle, sondern darauf warte, daß der 
Klient seine Probleme und Bedürfnisse ausbreitet. Darüber lächelte sie 
und fragte: "Könnten Sie mir nicht wenigstens eine Frage stellen, damit 
ich hineinkomme?" Ich wollte mich nicht auf eine Debatte einlassen, und 
so beschloß ich spontan, Psychoanalytiker zu spielen und mir aus ihren 
frühen Lebensjahren erzählen zu lassen. Meg war beglückt, daß es nach 
ihrem Kopf gegangen war, und schenkte mir dafür die folgende 
Kindheitsgeschichte.

Sie sprach im Ton eines Sachberichts fast ohne jede Emotion.

Meg kam in Revere (Massachussetts), einem Vorort von Boston, als 
einziges Kind eines armen englisch-irischen Paars zur Welt. Als sie 
vier Jahre alt war, verschwand ihr Vater auf Nimmerwiedersehen. Sie 
hätte Träume über seine Rückkehr gehabt, aber heute, im Alter von 62 
Jahren, sei ihr sein Verschwinden so unwichtig geworden, daß sie sich 
nicht einmal mehr an sein Aussehen erinnern könne.

Meg zog mit ihrer Mutter zu den Großeltern. Als sie sechs war, wurde 
sie vom jüngsten Bruder ihrer Mutter sexuell belästigt, aber wie so 
viele Opfer kann sie sich an Einzelheiten kaum erinnern. Sie hatte 
Angst, ihrer Mutter von dem Vorfall zu erzählen, und sie meinte, ihre 
Mutter hätte auch nicht gern davon erfahren, denn dann hätten sie wohl 
wieder wegziehen müssen. Den Onkel, der sie belästigte und quälte, 
haßte Meg. Sie wünschte, er würde sterben. Im Jahr darauf kam er bei 
einem Autounfall ums Leben. Meg fühlte sich daran schuld. Noch heute 
kommen ihr beim

Träumen Bilder von seinem verletzten Leib, und dann weint sie 
bitterlich über ihren bösen Wunsch.

Als vollentwickeltes Mädchen von vierzehn Jahren wurde Meg von einem 
Nachbarn, dessen Ehefrau verkrüppelt war, verführt und halb 
vergewaltigt. Er gab ihr ein paar Dollars dafür, aber sie gab das Geld 
nicht aus, aus Angst, ihre Mutter könnte mißtrauisch werden. Mit 
fünfzehn schaffte sie die High School nicht und ging ab. Sie nahm einen 
Job in einer italienischen Bäckerei an, und der Bäcker begann mit ihr 
ein sexuelles Verhältnis. Er machte ihr dafür kleine Geschenke wie 
billiges Parfüm, ein Armband aus Kieselsteinen und eine Korallenkette. 
Meg gewöhnte sich an die Vorstellung, daß Sex etwas ist, wofür man 
bezahlt wird, wenn auch nicht unbedingt in Geld.

Sie heiratete einen vierundzwanzig Jahre älteren jüdischen Mann, der 
eine kleine Schuhfabrik besaß. Während des zweiten Weltkriegs kaufte 
die amerikanische Armee seine gesamte Produktion, so daß er sich daran 
gesund stieß. Meg wollte auf keinen Fall Kinder bekommen, und er war 
damit einverstanden, denn die Kinder würden ja nicht jüdisch sein 
können, weil sie nicht jüdisch war. Nachdem er sich aufs Altenteil 
zurückgezogen hatte, unternahmen sie viele Reisen. Vor zwölf Jahren, 
als Meg fast fünfzig war, starb er an einer Herzerkrankung und 
hinterließ ihr ein Vermögen. Fünfzig Jahre lang war sie nie verliebt 
gewesen und hatte nie einen Orgasmus erlebt. Aber eines Winters bei 
einer Kreuzfahrt nach Rio wurde sie von einem wunderschönen 
südamerikanischen Kellner umschwärmt und verliebte sich zum ersten Mal 
im Leben. Eine ganze Woche lang schlief er jede Nacht in ihrer Kabine. 
Als das Schiff an Land ging, mußte sie jedoch feststellen, daß ihr eine 
Diamantspange, die sie von ihrem Mann geschenkt bekommen hatte, fehlte. 
Sie wußte, daß sie den Diebstahl bei der Polizei hätte melden können, 
unternahm aber nichts. In Rio begann sie, mit Gigolos auszugehen. Dabei 
gab sie auf ihren Schmuck besser acht und entdeckte außerdem, daß sie 
beim Sex mehr Lust hatte, wenn sie dafür bezahlte und deshalb auch 
verlangen konnte, was sie begehrte. Sie fand heraus, daß sie sich bei 
vaginalem Verkehr überwältigt und unterworfen fühlte, aber daß ihr 
oraler Sex, bei dem sie nicht Lust gab, sondern empfing, sehr gut 
gefiel. Allerdings hatte sie dabei Schuldgefühle und empfand orale 
Befriedigung als etwas Schmutziges, weshalb sie sogar dann, wenn sie 
dafür bezahlte, nicht direkt zu fragen wagte.

Ich fand es sehr eindrucksvoll, wie Meg mit dem Erbe der erlebten 
Traumata ihr Leben eingerichtet hatte. Sie war eine wahrhaftige 
Überlebende. Und als sie nun auf das Alter zuging, wollte sie sogar 
noch mehr als bloß überleben, sie wollte sogar gewinnen. Vielleicht war 
auch ihr Motiv für die Therapie, daß sie mich als Verbündeten gewinnen 
wollte, damit Timmy an ihrer Seite bliebe.

Meg hatte mir zu einem Verständnis ihres Geschäfts mit Timmy verholfen. 
In ihren frühen Lebensjahren war sie von Männern verführt und benutzt 
worden und hatte dafür kleine Geschenke und Belohnungen bekommen. Dabei 
hatte sie ihr Gefühl, ausgenutzt zu werden, wie die meisten Opfer 
sexueller Übergriffe unter der Decke gehalten. Ihr Einsatz waren eine 
gute Figur, reizende Beine, ein schönes Gesicht und eine fügsame 
Persönlichkeit gewesen. Dafür hatte sie aus ihrer Sicht und im 
Vergleich mit den vielen Nöten und Entbehrungen der meisten Menschen 
einen lohnenden Gewinn erzielt. Nun, da sie älter wurde und keine 
Kinder zu versorgen hatte, wollte sie ihrerseits jüngeren Männer, die 
sich nach ihren Vorstellungen um sie kümmerten, einen Lohn dafür 
zukommen lassen. Sie sah sich weit entfernt davon, Timmy auszunutzen, 
sondern sie wollte ihm eine Zukunft verschaffen, so wie ihr Mann ihr 
die ihre verschafft hatte.

Allem Anschein nach stimmten Meg und Timmy darin überein, daß sie ein 
legitimes Abkommen im gegenseitigen Interesse getroffen hätten. Was 
also hatten meine Bedenken hier zu suchen? Was trieb mich zu so viel 
Mißbilligung? Ich mußte begreifen, was mich so beunruhigte. Wenn ich an 
Meg und Timmy dachte, wurde ich ganz verstört. Irgendetwas stimmte hier 
nicht, ich spürte es förmlich im Bauch. Und ich wußte aus Erfahrung, 
wenn mich etwas dermaßen aufwühlen konnte, dann mußte ich mich selber 
bedroht fühlen. Aber was war daran so bedrohlich, wenn Timmy mit Meg 
bumste und dafür Geld bekam? Hing es vielleicht mit meinen wenigen 
eigenen Erfahrungen mit Prostitution zusammen?

Im Rom traf ich einmal beim Flanieren auf der Via Veneto einen netten 
jungen Italiener. Wir setzten uns zu einem Espesso in ein Straßencafé, 
und dort wurde mir klar, daß er auf den Strich geht und von mir Geld 
erwartete. Ich dachte mir: Na gut, das wäre ja noch einmal etwas Neues, 
noch ein Abenteuer, von dem ich zu Hause erzählen kann. Allerdings war 
ich im Grunde mit seiner Definition der Situation nicht einverstanden. 
Unser Sex vollzog sich routiniert, und zuletzt wollte er von mir "ein 
paar Dollars", denn er hatte keinen festen Preis, und er bat mich um 
meine Krawatte, die ich ihm auch gern verehrte. Danach fühlte ich mich 
irgendwie leer, beschmutzt und beschwingt in einem. Ich hatte jemanden 
für Sex mit mir bezahlt, ich hatte eine weitere Schranke zu meiner 
sexuellen Befreiung überwunden.

In New York passierte mir ein paar Jahre später so etwas Ähnliches. Ich 
kam in einer Bar mit einem attraktiven jungen Mann ins Gespräch. Er war 
freundlich, aufmerksam und klug, studierte am Columbia College und 
besserte sein Einkommen durch Gelegenheitsstrich auf. Er sagte mir, daß 
er sich nur mit Leuten einließe, die er auch persönlich mochte. Für 
einen Prostituierten hielt er sich nicht, und er hatte auch nicht vor, 
nach dem Studium ein richtiger Callboy zu werden. Am liebsten wären ihm 
Leute wie ich, mit denen er sich gut unterhalten könnte, die ihm aber 
auch noch Geld dazu gäben. Ich mochte ihn wirklich gut leiden und 
verbrachte einen schönen Abend mit ihm. Danach traf ich ihn noch drei 
Mal. Allerdings faßte ich die Möglichkeit, daraus eine längere 
Beziehung werden zu lassen, in der ich für seine Zeit, Aufmerksamkeit 
und sexuelle Gefälligkeit bezahlen würde, nie ernsthaft ins Auge. 
Nachdem ich mich nicht mehr bei ihm meldete, kam auch von ihm kein 
Anruf bei mir. Ich habe diese Episode in guter Erinnerung. Aber 
offenbar war meine sexuelle Befreiung nicht bis zu dem Punkt 
vorgedrungen, daß ich mir eine längerfristige Beziehung, ich der ich 
als Freier auftrat, vorstellen konnte.

Ich hatte nicht das Gefühl, daß ich ihn oder er mich ausnutzte. Es war 
mehr, daß ich mich beschämt und gedemütigt fühlte, weil ich für Sex 
Geld hergab; mein Stolz war verletzt. Außerdem verschleuderte ich auch 
meine inneren Werte, wenn ich den Unterschied an Macht und Geltung 
übersprang. Liebe sollte nichts Käufliches sein, sondern etwas, das ein 
Mensch einem andern spontan zum Geschenk macht. Oder war dies ein 
alberner Idealismus? Lebte ich in einer scheinheiligen Welt? Ich war 
verwirrt. Ich fühlte mich fast wie ein Pfadfinder, der mit der Hand an 
der Stirn vor den strammen Werten der Gesellschaft salutiert. Und mir 
fiel dazu ein, wie einer der Gründer der Angewandten Sozialwissenschaft 
an der Columbia Universität auf den Vorwurf der Datenfälschung zynisch 
geantwortet hatte: "Wir sind keine Pfadfinder". Im tiefsten Herzen 
hielt ich wohl noch am Ehrenkodex der Pfadfinder fest und beschnitt 
damit meine Handlungsmöglichkeiten in der realen Welt, in der Welt der 
Erwachsenen.

Nach dieser Selbstanalyse hatte die Sexualität zwischen Timmy und Meg 
keine so große Bedeutung mehr für mich. Auch meine eigenen Eskapaden 
mit bezahltem Sex konnten mich nicht wirklich beunruhigen. Ich regte 
mich auch nicht über einen guten Freund auf, der sich als Sexualpartner 
vor allem Stricher suchte. Seine streng protestantische Erziehung hatte 
ihm ein so tiefes Schuldgefühl wegen seiner Homosexualität 
eingepflanzt, daß er ihm nur durch die Verschiebung von Liebe und Sex 
auf ein simples Geldgeschäft mit Strichern entkam. Und um nicht 
mitansehen zu müssen, wie tief er in in den Schmutz gesunken war, 
betrank er sich gerne zuvor. Ich verurteilte ihn für seinen Kauf von 
Sex nicht. Er war mein Freund, ich hatte für seine Bedrängnis Mitgefühl 
und spürte höchstens im Allerinnersten ein bißchen Kritik.

Ein anderer Freund fühlte aus anderen Gründen zu Strichern hingezogen. 
Billy war sexuell durchaus attraktiv; er liebte die Jagd und die Chance 
zur Eroberung. Gelegentlich liebte er es auch, überwältigt zu werden 
und sich hinzugeben, aber wenn er nicht in der Laune dazu war, ging er 
gerne in Stricherkneipen wie Rounds, suchte sich den geilsten Jungen 
aus und nahm ihn mit nach Hause. Dann fing sein Vergnügen an: der 
Wettkampf begann. Billy wollte dem Stricher so sehr gefallen, daß nach 
einer Weile aus dem Geschäft eine persönliche Beziehung wurde. Es 
machte ihm nichts, den Stricher im voraus zu bezahlen. Das war einer 
seiner Köder. Danach zog er alle Register, um den Strichjungen 
kennenzulernen, ihm zu gefallen und seine Zuneigung zu erringen. Billy 
wollte es so weit bringen, daß ihn der Stricher zum Freund haben 
wollte. Oft gelang ihm das auch. Damit hatte er sich dann bewiesen, wie 
begehrenswert er ist, nämlich so sehr, daß sogar ein Stricher auf sein 
Geld verzichten wollte. Ich habe dieses Verhalten von Billy nie 
hinterfragt, sondern ihn stattdessen für seinen Einsatz und seine 
Ausdauer bewundert. Ich war von seinen Erfolgen sehr beeindruckt und 
fragte mich nur, wie er sich wohl nach einer Reihe solcher 
Piratenstücke fühlte. Ich ahne schon wie, aber nicht einmal als gute 
Freunde haben wir über seine Motive und Gefühle offen gesprochen.

Was mir keine Ruhe ließ, war, daß man sich selbst für Geld verkaufen 
kann. Ich hatte die feste Überzeugung, daß man seinen Körper und seine 
sexuelle Intimität nur mit jemanden teilen konnte, der sich darauf in 
voller Gegenseitigkeit und als Partner in einer längerfristigen 
Beziehung einlassen wollte. Ich weiß, viele werden meine Ansicht für 
romantisch und hoffnungslos überholt halten und mir vorwerfen, ich 
würde bloß die Heterogesellschaft mit ihren engstirnigen Auffassungen 
über sexuelle Lust imitieren. Doch umgekehrt bin ich der Ansicht, daß 
eine bloß hedonistische Auffassung von Sexualität den Menschen darum 
betrügt, mehr zu erlangen als die vorübergehende Geilheit der 
Ejakulation. Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen: ich finde Lust 
durchaus wunderbar. Aber die hedonistische Auffassung verbaut die 
Möglichkeit, daß sich Liebe entwickelt, von der nur ein Zyniker meinen 
kann, sie sei eine bürgerliche Erfindung zur Unterdrückung des 
einzelnen. In diesem Punkt unterscheide ich mich von manchen 
Theoretikern der Schwulenemanzipation. Sogar wenn ich damit 
gelegentlich in die Nachbarschaft von Barbara-Cortland-Romanen (13) 
gerate, stehe ich zu meiner romantischen Auffassung, daß wir sowohl 
heiße Lust als auch wirkliche Liebe erleben können. Von diesem 
geliebten Grundsatz laß ich mich durch keinen Berg an Wissen und 
Erfahrungen abbringen. Ich weiß, daß es Liebe gibt und daß sie sich 
erlangen läßt.

Natürlich hat auch Liebe ihren Preis, braucht Zeit, Bemühung und harte 
Arbeit. Ich halte es mit dem Grundgedanken der protestantischen Ethik, 
diesem Evergreen von Max Weber: intensives Streben wird mit Erfolg und 
Reichtum belohnt als Zeichen dafür, daß wir zu den Auserwählten 
gehören. Zwar habe ich meine persönlichen Vorbehalte und Abwandlungen 
zur Protestantischen Ethik, aber an ihrem zentralen Lehrsatz, daß 
Anstrengung etwas wert ist und auf dieser Welt belohnt wird, halte ich 
fest.

Timmy war nun jemand, der ohne harte Arbeit Erfolg hatte. Einmal im 
Monat gab er Meg, was sie von ihm sexuell begehrte, und wurde dafür von 
ihr ansehnlich belohnt. Auch Meg hatte nicht hart gearbeitet. Sie hatte 
zwar gelitten, aber einfach wegen ihrer attraktiven Erscheinung und 
ihrer schönen Beine war sie zu Wohlstand gelangt. Meine irrationale 
Antwort darauf war, sie beide für ihren leichten Weg zum Erfolg zu 
beneiden und zu verurteilen.

Ich wußte, daß ich diese Haltung nicht ernstnehmen konnte. Um so mehr 
machte es mir zu schaffen, daß ich die Beziehung zwischen Timmy und Meg 
mißbilligte. Deshalb beschloß ich, noch ein Stück mehr an mir zu 
arbeiten, bis ich vielleicht besser begriffe, was Timmy in mir 
auslöste, um ihn dann unbefangener behandeln zu können. Ich verschrieb 
mir dazu eine Übung am Paradox: Wenn ich bislang meinte, Prostitution 
sei korrupt, so wollte ich mir nun einmal überlegen, was an ihr Gutes 
sei, oder darüberhinaus, inwiefern wir uns alle irgendwie 
prostituieren. In einer Bar hatte mich einmal - leider nur einmal - ein 
Mann gefragt, wieviel ich von ihm verlangte. Das war das erste Mal, daß 
mich jemand für einen Stricher hielt. Ich fühlte mich geschmeichelt, 
aber dann dachte ich auch daran, wie unattraktiv viele Stricher zum 
Beispiel auf der Third Avenue sind. Viele Freier haben so viel 
Schuldgefühle und so wenig Selbstbewußtsein ihrer sexuellen 
Anziehungskraft, daß sie sich Sex sogar von weniger attraktiven Männern 
Geld kaufen. Dadurch wird ihr Erlebnis zu etwas Schmutzigem und einem 
Verlustgeschäft, so daß sie sich angewidert fühlen und froh sind, wenn 
es vorbei ist. Deshalb fand ich es besser, wenn keiner über mich denkt, 
ich würde auf den Strich gehen.

Timmy verkaufte seinen Körper für Geld. Aber wie verkaufen wir alle uns 
selbst, wie verkaufe ich mich? Dabei wollte ich "mich verkaufen" im 
übertragenen Sinn von "mich anpassen" und "mich verraten" verstehen, um 
mit meiner Selbstanalyse weiterzukommen. Sofort fielen mir genügend 
Fälle ein, wo ich, um einem Chef zu gefallen, einen Freund oder 
Liebhaber zu besänftigen oder einen Verkehrspolizisten milde zu 
stimmen, ihm in den Hintern kroch. Timmy tat dies in einem noch 
wörtlicheren Sinn, wenn er Meg die Muschi leckte. Ich weiß, daß ich 
keine unerschöpflichen Energien besitze, um mich bei jeder 
Herausforderung durch das "andere" durchzusetzen. Ich kann feige sein 
und Kompromisse schließen.

Ich weiß noch, wie ich jüngst eine unberechtigte Forderung vom IRS (14) 
bekam und meinen Steuerberater um Rat fragte. Er antwortete: "Zahlen 
Sie einfach. Das Gesetz ist so kompliziert, daß Sie sogar dann besser 
fahren, wenn Sie eigentlich im Recht sind." Ich weiß also nur zu gut, 
was es heißt, sich zu verkaufen, um einem Konflikt aus dem Wege zu 
gehen oder um jemandes Zustimmung zu erlangen.

Von dieser höheren Warte aus konnte ich mich Timmy näher fühlen, auch 
wenn mir seine Form der Käuflichkeit immer noch zu viel war. Ich dachte 
daran, daß der ausgeprägte Sinn meiner Mutter für menschliche Würde und 
ihre sture Geradlinigkeit sicher eine der Wurzeln meines Ärgers auf 
Kompromisse war. Wegen ihrer starren, unnachgiebigen Art, ihrer 
Abneigung, auch nur einen Millimeter zu weichen, war sie oft 
enttäuscht, gab sich geschlagen, zog sich zurück und fühlte sich 
isoliert. Wenn ich nicht achtgab, würde ich mich von Timmy genau so 
isolieren. Ich nahm mir also vor, seine Ausnutzung von Meg auf sich 
beruhen zu lassen und mich stattdessen mehr auf das zu konzentrieren, 
was ich an ihm mochte und was für Nöte und Bedürfnisse er hatte.

Damit würde ich mich wohler fühlen, und sicher war es auch das, was er 
von mir für sein Geld erwartete. Oder war ich hier selber dabei, mich 
zu verkaufen?

Eine gute Freundin von mir, die gegen ihre provinzielle, etablierte, 
sicherheitsorientierte Familie in Connecticut rebelliert hatte, lebte 
nun in New York in Greenwich Village und bewegte sich in den Kreisen 
der literarischen Avantgarde. Sie war berühmt für sprühenden Humor, 
derbe Witze und anzügliche Anekdoten. Sie erzählte besonders gerne die 
Geschichte von zwei Brüdern, die beide noch unter zehn waren. Der 
jüngere fragte lispelnd: "Was ist eine Hure?" Sein Bruder antwortete: 
"Das ist eine Dame, die für Geld bumst." (Eine andere Anekdote handelte 
von zwei feinen Damen, die in einem Tearoom in Greenwich Village 
speisen. Als es einen Moment still war, hörte meine Freundin, wie eine 
der Damen sagte: "Neulich hatte ich ,crabs' [was im Amerikanischen 
sowohl "Krabben" als auch "Filzläuse" heißt, d.Ü.]", und dabei vor 
Lachen aufkreischte. Noch eine andere Anekdote handelt von Franz Kline. 
Sie geht so: "Dieses Bild hat mir Franz versprochen, als er betrunken 
war, aber er gab es mir, als er nüchtern war.").

Auf mich machte der nüchterne Ton, in dem der ältere der beiden Brüder 
"Hure" definiert, ganz besonderen Eindruck. Wenn ich selber von 
Prostitution rede, dann immer so viel von ihren moralischen Aspekten. 
Ich kann mich mit dem liberalen Standpunkt von Shaw in "Mistress 
Warren's Profession" anfreunden: in einer kapitalistischen Gesellschaft 
bringt eine Hure ein Leistungsangebot auf einen bestehenden Markt; die 
Frage der Moral kommt darin nicht vor. Ich denke auch an die "Coyoten", 
eine Gruppe von Prostituierten in den sechziger Jahren, die sich zu 
einem Berufsverband ähnlich dem amerikanischen Ärzteverband entwickeln 
wollten. Aber gewisse Bedenken blieben bei mir bestehen. Nicht jede 
Frau, die in Armut versinkt, versucht durch Prostitution auf eigene 
Füße zu kommen. Muß nicht noch ein Element der Wahl hinzukommen, es mit 
der Moral nicht so genau zu nehmen? Sind nur die Freier zu tadeln, wie 
es die Feministinnen gerne tun, und sind die Huren nur ihre armen 
Opfer? Ich bleibe skeptisch, besitze aber auch nichts des Rätsels 
Lösung.

Und wie steht es mit den männlichen Rollen der Prostitution, dem 
Zuhälter und dem Gigolo? Für den Zuhälter legt niemand ein gutes Wort 
ein, aus wie armen Verhältnissen er auch immer stammt. In ihm sieht man 
nur den Ausbeuter, der die Frauen bumst und mit Drogen vollpumpt. Aber 
wäre er dann nicht auch nur ein Unternehmer? Ich kann so wertneutral 
nicht sein, sondern schließe mich der Mehrheit an und lehne ihn ab. Zum 
Glück bin ich bisher noch nicht um Therapie für einen Zuhälter 
angefragt worden. (Allerdings mag es vorgekommen sein, daß bei einem 
Workshop ohne mein Wissen die Unterkunft von einigen Gruppenmitgliedern 
für Gelegenheitssex benutzt wurde. In diesem Fall bin ich es, der sich 
ausgenutzt fühlt.)

Und wie steht es mit dem schönen schwulen Mann, der für Geld mit Frauen 
bumst? Ist es nicht eine zusätzliche Überschreitung, wenn er um des 
Gewinnes willen auch noch über seine sexuelle Orientierung hinweg 
handelt? Oder stünde er moralisch besser da, wenn er für Geld nur mit 
Männern bumsen würde? Wieviel unterscheidet ihn von einem schwulen 
Mann, der eine Heterofrau heiratet, um gesellschaftliche Anerkennung, 
Einfluß oder Reichtum zu erwerben?

Ich werfe diese Fragen auf, ohne daß ich eine Antwort hätte. Ich bin 
mir gewahr, daß mir all diese Fragen Kopfschmerzen machen. Bei den 
wenigen Gelegenheiten, wo ich erfuhr, daß sich Klienten oder 
Klientinnen prostituiert hatten, setzte mir dies zu. Zwar sagte ich 
mir, daß mir ein Recht zu einem moralischen Standpunkt nicht zusteht, 
aber in der Praxis fühlte ich mich im Konflikt, zumal niemand von ihnen 
in Armut versank.

Mich störte auch die Wichtigkeit, die Timmy und Meg materiellen Dingen 
beimaßen. Meg wußte, daß sie Timmys Gunst mit einer Armbanduhr von 
Phillipe Patek gewinnen konnte, genau wie einst sie mit einem Armband 
aus Flußkiesel umgestimmt worden war. Ihre Währung waren Waren, nicht 
Liebe, Zärtlichkeit und Gefühl. Gefälligkeiten wurden erkauft. Timmy 
wie Meg waren in der Kindkeit Armut und Unglück ausgesetzt gewesen. 
Daraus hatten sie beide die Konsequenz gezogen, daß Geld und Geschenke 
mehr Wert verkörperten als Gefühle. Ich fand das sehr schade, aber sah 
bei Timmy und Meg kein Interesse, etwas daran zu ändern. Ich hätte 
keinen Erfolg damit gehabt, den augenrollenden Eiferer Savonarola zu 
spielen, sie zum Verzicht auf Prunk und Eitelkeit zu drängen und in die 
wahre Kirche zurückholen zu wollen. Die Kirche wäre leergeblieben.

(Fortsetzung folgt in Gestaltkritik 2-2002)

 

Anmerkungen

(1) Deutscher Titel: Starman. USA 1984, Regie: Larry Franco. 
Sciencefiction-Film mit Jeff Bridges in einer Hauptrolle.

(2) Titel der deutschen Ausgabe: Shaw, George Bernard: Frau Warrens 
Beruf. Stück in 4 Akten. Frankfurt/Main 1986.

(3) Ethan Allen stellt billige Imitate amerikanischer Möbel her.

(4) "cruisen": alleine durch einschlägige Straßen flanieren, 
Grünanlagen oder Rastplätze spazieren, schwule Saunen oder Kneipen 
ziehen, etc., um einen Traumprinzen anzumachen und für die Nacht 
abzuschleppen.

(5) Fire Island, langgestreckte Düneninsel vor Long Island bei New 
York. Wegen der beiden schwulen Ansiedlungen Cherry Grove und The Pines 
zum Capri bzw. Sylt von Nordamerika geworden.

(6) "Monster" und "Boatel" sind zwei der vielen schwulen Kneipen auf 
Fire Island. Das ist ein schwimmendes Hotel und veranstaltet für die 
schwule Gemeinde einen Nachmittagstanz im Stile des Ritz. Hier trifft 
man sich um vier bis sechs, nimmt einen Drink, und startet danach in 
die Nacht. Alles sehr gediegen und "camp": ein Stil in Kleidung, 
Wohnung, Lebensart und Umgangsweise, der sich nicht definieren, aber 
kaum übersehen läßt: ungewöhnlich, stilwidrig, hyperoriginell, 
kitschig, witzig, übertrieben, leichtfüßig, ironisch, selbstironisch, 
etc. Die kontinentale Schwester von camp heißt Tuntenbarock.

(7) Fleischmarkt: Hier speziell das allsommerliche 24-Stunden-Cruising 
auf der Strandpromenade und im Buschgelände mit verzweigten 
Trampelpfaden auf Fire Island.

(8) Titel der deutschen Ausgabe: Perls, Friederich S. / Hefferline, 
Ralph / Goodman, Paul: Gestalttherapie, [Bd. 1:] Lebensfreude und 
Persönlichkeitsentfaltung (Taschenbuchausgabe: Gestalttherapie. 
Grundlagen); [Bd. 2:] Wiederbelebung des Selbst (Taschenbuchausgabe: 
Gestalttherapie. Praxis). Stuttgart 1979 (Taschenbuchausgabe: München 
1991).

(9) John Dewey entwickelte die Philosophie des Pragmatismus und in 
Verbindung damit radikale Ideen der Erziehung zu selbständigem Handeln 
nach dem Grundsatz des "learning by doing". Er hatte großen Einfluß auf 
die fortschrittliche Schulbewegung.

(10) Peekskill liegt in Westchester, einer reichen Ansiedlung im Umland 
der Stadt New York. Zu Beginn des Kaltes Krieges unterstützte der 
linksorientierte schwarze Sänger Paul Robeson die 
Präsidentschaftskandidatur von Henry Wallace (der unter Truman 
Vizepräsident war) und seiner linken Fortschrittspartei. Während einer 
Rede Robesons kam es zu Unruhen, bei denen viele Menschen verletzt 
wurden. Dies war wie der erste Schatten des Kalten Krieges, bei dem es 
zur Entzweiung zwischen Linken und Liberalen und zum Haß der Rechten 
kam. Wallace verlor die Wahl.

(11) Titel der deutschen Ausgabe: Spark, Muriel: Die Blütezeit der Miss 
Jean Brodie. Zürich 1990

(12) Titel der deutschen Ausgabe: Spark, Muriel: Mädchen mit begrenzten 
Möglichkeiten. Zürich 1992

(13) Barbara Cortland schrieb über hundert billige, einfache und sehr 
erfolgreiche historische Romane. Sie sind berühmt dafür, daß stets ein 
schöner starker Mann erscheint und der Heldin das enge Mieder aufreißt. 
Die Autorin ist, wie sich später herausstellte, auch mit Prinzessin 
Diana verwandt.

(14) IRS, Internal Revenue Service, ist die Finanzbehörde, die von den 
Bürgern der USA Einkommenssteuer eintreibt.

 

Daniel Rosenblatt

wurde 1925 in Detroit/Michigan geboren. Er studierte in Harvard und 
Cambridge und erlernte Gestalttherapie bei Laura Perls.

Nach einer langjährigen akademisch-wissenschaftlichen Tätigkeit 
arbeitet er seit über 30 Jahren in seiner privaten 
psychotherapeutischen Praxis in New York.

Er ist "Fellow" und ehemaliger Vizepräsident des New Yorker Instituts 
für Gestalttherapie und leitete viele Jahre lang Ausbildungsgruppen in 
Gestalttherapie in den USA, Europa, Australien und Japan.

Der nebenstehende Beitrag ist zuerst erschienen in seinem Buch 
"Zwischen Männern. Gestalttherapie und Homosexualität" in dem sich u.a. 
noch viele weitere Einblicke in Dan Rosenblatts praktische Arbeit 
finden. Wir möchten allen unseren Leserinnen und Lesern - homosexuellen 
und heterosexuellen (!!!) - dieses Buch ganz besonders ans Herz legen.

Wenn Sie gleich zu dieser Seite gekommen sind, ohne bisher unsere 
Homepage besucht zu haben, so sind sie herzlich dazu eingeladen:
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Staatlich anerkannte Einrichtung der Weiterbildung
Rurstr. 9 / Eingang Heimbacher Str.
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Tel. 0221 - 416163
Fax. 0221 - 447652
eMail: gik-gestalttherapie at gmx.de

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