[rohrpost] Nine Points of the Law/ Bild-Macht-Besitz-Verhältnisse

Matthias Reichelt presse at ngbk.de
Mon Jul 5 17:42:14 CEST 2004


Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
bereits heute möchten wir Sie auf unsere nächste Ausstellung hinweisen, die
sich mit der Bilderflut beschäftigt und dabei die Frage stellt, wer hat die
Macht über die Bilder. Welche Macht Bilder erlangen können, wird zurzeit am
Beispiel des Irak nur allzu deutlich. Al Quaida setzt auf die Verbreitung
von grausamen Exekutionsbilder, mit der sie ihre Entschlossenheit und eben
Macht zum Ausdruck bringt, während die USA die Verbreitung bestimmter Bilder
von heimkehrenden Särgen mit US-Soldaten sowie die grausamen Folterbilder
unbedingt unterbinden möchte. Dies ist jedoch nur ein aktueller Aspekt eines
sehr komplexen Problems, das politische, soziologische, ökonomische und
kulturelle Fragen berührt.
Anbei sende ich Ihnen die Pressemitteilung und würde mich sehr über Ihr
Interesse freuen. Falls Bedarf an Bildmaterial oder weiterer Information
besteht, wenden Sie sich einfach per mail oder Telefon an mich.
Mit freundlichen Grüßen

Matthias Reichelt
Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK) e.V.
Oranienstr. 25
D-10999 Berlin
Tel. ++49/(0)30/61651313, Fax ++49/(0)30/61651377
Email: presse at ngbk.de / Webpage: www.ngbk.de
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Nine Points of the Law
Bild I Macht I Besitz I Verhältnisse

Eine Ausstellung in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK), Berlin

Eröffnung:             20.8.2004, 19 Uhr
Laufzeit:                  21.8. - 3.10.2004
Öffnungszeiten: tägl. 12 - 18.30 Uhr

Die Ausstellung Nine Points of the Law untersucht die Beziehungen zwischen
der Erstellung, dem Besitz und der Vermarktung von fotografischen und
filmischen Bildern sowie der Macht, die vor dem Hintergrund kultureller und
ökonomischer Entwicklungen durch gezielten Bildeinsatz ausgeübt wird. Sie
stellt künstlerische und aktionistische Arbeiten vor, die Bildwelten
innerhalb und außerhalb des Kunstkontexts untersuchen sowie Organisationen
in Augenschein nehmen, welche die Distribution von Bildern zu verantworten
haben.
Der Ausstellungstitel Nine Points of the Law ist dem angelsächsischen
Sprichwort Possession is Nine Points of the Law (frei übersetzt: Wer
besitzt, ist im Recht) entlehnt und spielt auf die oftmals prekäre
Kausalität zwischen (Bild-)Besitz und (Verfügungs-) Macht an. Der Fokus der
Ausstellung richtet sich dabei auf mediale Bilder, deren Einsatz und
Kontrolle. Wem gehören die Bilder? - Wer hat die Kontrolle über sie? - Wer
kann sie benutzen und wie? - Wer kann auf sie zugreifen? - Wer kann sie
verändern?
Die These des antiken Philosophen Quintillian »Wer die Macht über die Bilder
hat, hat die Macht über die Menschen« bewahrt bis heute Gültigkeit:
Wirtschaftstrategen wie Bill Gates, internationale Politiker und deren
Medienberater installieren und festigen über kontrollierte Bildverbreitung
politische und wirtschaftliche Macht. In einer Welt, in der eine scheinbar
unbegrenzte Verfügbarkeit von Bildern besteht, in der durch die
Globalisierung ähnliche Bildwelten überall Verbreitung finden und ins
Alltagsleben vordringen, in der kulturelle und ideologische Macht durch
Bilder definiert wird, müssen neue Methoden entwickelt und erlernt werden,
um mit diesen Entwicklungen und Realitäten umzugehen.
Mit der Ausstellung Nine Points of the Law knüpft die Arbeitsgruppe
Fotografie an die Ausstellung Ex Machina - Über die Zersetzung der
Fotografie (2001) an, die die technisch begründeten Unterscheidungen und
medialen Grenzüberschreitungen des Mediums Fotografie untersuchte. Nun geht
es um die Produkte dieser Apparate.

Beteiligte Künstlerinnen und Künstler: 0100101110101101.org, Mircea Cantor,
Minerva Cuevas, Marine Hugonnier, Elke Marhöfer & Barbara Frieß, Klub Zwei,
Bülent Sangar, Christoph Weber, Zevs

Zu den Arbeiten:
Der Film Ariana (2003) von Marine Hugonnier und die Gemeinschaftsarbeit Mach
Dich weg und denke wir (2003) von Elke Marhöfer & Barbara Frieß setzen am
Punkt vor der Bildentstehung an, bei der Verhinderung von Bildern und ihrer
Kontrolle. In Ariana, der antike Name eines Landstrichs in Afghanistan und
zugleich der afghanischen Fluglinie, wird Marine Hugonnier das Filmen eines
strategischen Aussichtspunktes durch das Militär verweigert, ihr Blick auf
den einer Touristin reduziert. Elke Marhöfer & Barbara Frieß stellen eine
Edition von Vermummungsmasken aus, die durch das aufgenähte Label Mach Dich
weg, und denke wir markiert sind. Die Nutzung dieser Masken würde es
erlauben, die Identität der Teilnehmer videoüberwachter Demonstrationen zu
verschleiern.
Eine eigene Strategie der Bild-Verweigerung beziehungsweise ihrer temporären
Produktion verfolgt der rumänische Künstler Mircea Cantor in The Landscape
is Changing (2003): mit einer in Tirana 2003 inszenierten Demonstration, auf
der die Demonstranten statt Transparenten oder Symbolen Spiegel durch die
Hauptstadt tragen.
In Sehnsucht, Reichtum, Glück  (2001) recherchiert Christoph Weber in der
Bilddatenbank http://image.google.com mit den Suchbegriffen Glück,
Sehnsucht, Reichtum und bindet die Ausdrucke dieser über 2000 Bilder in ein
festes, bibelartiges Buch.
Künstlerische Angriffe auf die konstruierten Bilderwelten der Werbung
vollziehen die Arbeiten Visual Kidnapping - Pay Now (2002-2004) des
französischen Street-art Künstlers Zevs (Zone d´experimentation visuelle et
sonore), Del Montte (2004) von Minerva Cuevas und die Aktion
Nikeground-Rethinking Space (2003) - von 0100101110101101.org und Public
Netbase. Visual Kidnapping - Pay Now ist die ebenso programmatische wie
faktische Entwendung eines Werbeikons, mit der versucht wird, den
Werbestrategen und der ungefragten Bebilderung unserer Öffentlichkeit Paroli
zu bieten. Mit der Wandmalerei Del Montte legt Minerva Cuevas die
kriminellen Verflechtungen eines internationalen Nahrungsmittelkonzerns
offen, indem sie die Werbeträger auf der Text- und Zeichenebene manipuliert.
Die Künstlergruppe 0100101110101101.org und die Internetplattform Public
Netbase haben mit ihrer Fake-Aktion, der Umbenennung des Wiener Karlsplatzes
in Nike-Place, die Öffentlichkeit und die Firma Nike wochenlang irritiert.
Mit der künstlerischen Intervention im öffentlichen Raum und einer Kampagne
im Internet wird der globale Einfluss von Großkonzernen wie Nike, deren
Marke sich inzwischen allein durch ihr Logo verbreitet, ins öffentliche
Bewusstsein gebracht und zugleich die Macht subversiver Kampagnen gezeigt.
Grundsätzliche Fragen der Bilderdistribution durch Veröffentlichung in den
Medien behandeln Klub Zwei in ihrer Videoarbeit Schwarz auf Weiß und Bülent
Sangar in seinen inszenierten Fotografien Suret (2003). In Schwarz auf Weiß.
Die Rückseite der Bilder (2003)  wird durch die Verweigerung sichtbarer
Bilder und deren verbale Evokation, der mediale Verbrauch von Bildern der
Shoah und der oft fahrlässige Umgang mit dem fotografischen Gedächtnis
bewusst gemacht und kritisiert. Suret  thematisiert Fragen des religiös
motivierten Bilderverbots in der Türkei.


Es erscheint bei der NGBK ein Katalog in Deutsch und Englisch mit Texten von
Matthias Bruhn, Katia Reich, Rolf Sachsse, Holger Kube Ventura, Florian
Waldvogel und anderen (ISBN 3-926796-92-8).
Für das  Begleitprogramm mit Vorträgen und Diskussionen stehen bisher
folgende Termine fest:
Donnerstag,  26.8.2004 um 19 Uhr Autonome Afrika Gruppe (angefragt), Vortrag
und Gespräch
Donnerstag, 2.9.2004 um 19 Uhr Konrad Becker, Public Netbase, Vortrag und
Gespräch
Donnerstag, 9.9.2004 um 19 Uhr Detlef Hofmann - Von der Lust und Last der
Bilderflut, Vortrag
und Gespräch, moderiert von Mirjam Wenzel
Sonntag, 3.10.2004 um 19 Uhr Linda Hentschel, Vortrag und Gespräch

Mit freundlicher Unterstützung des AFAA - Bureau des Arts
Plastiques/Französische Botschaft.

Arbeitsgruppe Fotografie
Katia Reich, Anke Ulrich, Friederike Kitschen, Barbara Lauterbach, Martin
Wrede

Ort: Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Oranienstraße 25, D 10999 Berlin,
T. +49 30 616 513 13; Fax:: +49 30 616 513 77, email: presse at ngbk.de ;
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