[rohrpost] (kein Betreff)

leopold blum onomastik at braan.org
Sam Jun 26 19:31:52 CEST 2004


Bis vor einem Jahrhundert konnten unter Verweis auf reale Phänomene
Debatten über den Zusammenhang von Subkultur und Dissidenz,
Verweigerung, Systemkritik geführt werden, ohne allzu absurd zu
erscheinen. Mehr und mehr diffundieren aber seitdem
widerwärtig-reaktionäre Elemente in die als heile Welt gedachten
Identitäten. Der postmoderne Differenzkapitalismus löst ständig Symbole
und Codes aus und setzt sie zusammen. Identitäten sind die Foltern, auf
denen diese Netzkultur produziert werden und sich selber ständig neu
generieren. Da das flexibilisierte Subjekt die Kraft der Negation
einbüßt, gewinnen Kategorien wie Distanz etc. neue Bedeutungsrahmen.
Eine Trennung von Netzkultur und Mainstream ist unter den Aspekten der
strittigen Verwohlfeilerung der Distinktionsmittel kaum mehr
aufrechtzuerhalten. Sie löst sich hin zu einer Transparenz von
Mainstream und sich subkulturell inszenierender Milieus auf. Mittels
der Waren, immer schon Teil der Netzkultur, werden dissidente Milieus
marktförmig zugerichtet, ihre Codes enteignet und gegen sie gewendet.
Ausgehend vom Verhältnis Krise und Nationalismus lassen sich die
institutionalen Identitätsfindungsdebatten bearbeiten, die in
gesamtgesellschaftliche Vergemeinschaftungspraktiken eingebettet sind.
Hierbei ist erstens die Konstituierung einer flexibilisierten
Subversion, sowie postmoderne Praxis in einem globalisierten Netz
entscheidend, und zweitens die Veränderung kultureller Diskurse hin zu
einem transzendenzialen totalitären Multimedia-Eventionalismus. Zentral
stellt sich hierin die Frage,  inwieweit die neue deutsche Welle auf
andere Debatten dieser Art zu beziehen ist und welche Rolle den
subalternen netzkulturellen Milieus beizumessen ist, in denen sich die
ProtagonistInnen selbst verorten. Denn: KünstlerInnen verarbeiten in
ihren Texten, sofern es sich nicht um gesamtgesellschaftliche Diskurse
wie die Rohrpost etc. handelt, die jeweiligen Debatten der Milieus oder
Szenen, in denen sie sich selbst orten. Daher ist besonders auf die
Rezeption der Linken in ihren Medien zu achten, in denen sich
abgearbeitet wurde. Es stellt sich dann die Frage ob der
Lifestyle-Kulturalismus lediglich eine Strategie innerhalb veränderter
Kulturindustrien darstellt, oder vermischt er sich mit übergeordnete
Kategorien zu einem deutlichen Bewußtseinsloop.