[rohrpost] Tätig Sein. Pressemitteilung

Matthias Reichelt presse at ngbk.de
Mon Mai 3 17:15:22 CEST 2004


liebe kolleginnen und kollegen,
hiermit möchten wir nochmal freundlichst auf unsere am letzten freitag mit
großer beteiligung eröffnete ausstellung "tätig sein" hinweisen und bitten
sie, die ausstellung in ihrem ausstellungs- und veranstaltungskalender
aufzuführen. über eine redaktionelle hinweis bzw. eine rezensione würden wir
uns sehr freuen. bei bedarf an bildern senden wir ihnen gerne eine presse cd
zu oder mailen ihnen bilder.
mir vielen grüßen

Matthias Reichelt
Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK) e.V.
Oranienstr. 25
D-10999 Berlin
Tel. ++49/(0)30/6153031, Fax ++49/(0)30/6152290
Email: presse at ngbk.de

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Pressemitteilung
3. Mai 2004

Tätig Sein
1. Mai -13. Juni 2004
Täglich von 12 - 18.30 Uhr in der NGBK, Oranienstr. 25, 10999 Berlin

"Ich weiß nie, arbeite ich gerade oder nicht. Und was in mir arbeitet, dass
kann ich meistens nur erahnen. " (René Pollesch) Ein Szenario, das eine
inzwischen alltägliche Situation umreißt, fernab der Trennung zwischen
Arbeit und Freizeit, zwischen Wohn- und Arbeitsort, wie sie für die
fordistische Produktion charakteristisch war.

Das Projekt Tätig Sein, dass neben einer Ausstellung ein Buch umfasst, setzt
sich mit Veränderungen unserer Arbeits- und damit auch Lebenswelt im Zuge
einer forcierten Kapitalisierung auseinander. Was immer wir tun, wir tun es
unter dem Aspekt seiner Verwertung. Galt dieser Satz einst für das
wirtschaftliche Handeln werden nun mehr und mehr Bereiche von der Logik des
Marktes erfasst, die in der traditionellen Ökonomie als außerökonomisch
beschrieben wurden. Insofern dies auch die Kunst betrifft, verwundert es
nicht, dass sie sich dieses Themas verstärkt angenommen hat. Insbesondere
vor dem Hintergrund, dass das von der Boheme getragene Ideal
selbstbestimmter und nichtentfremdeter Arbeit ? vormals Gegenmodell zum
kapitalistischen Prinzip der Arbeitsteilung ? nun als Norm befestigt wird.

Die Ausstellung stellt historische und zeitgenössische Positionen vor, die
diesen Wandel auf verschiedenen Ebenen reflektieren. Mit dem Begriff Tätig
Sein wird eine Größe jenseits des Gegensatzes zwischen Arbeit und Freizeit
eingeführt, die nicht nur das Nebeneinander, sondern auch die Äquivalenz
verschiedener Tätigkeiten betont.

In der Diainstallation von Allan Sekula, die an den Film La sortie des
usines der Brüder Lumière erinnert, erscheint das Arbeitsmodell der Moderne
nochmals im Rückblick: sie zeigt ArbeiterInnen, die nach Schichtende die
Fabrik verlassen. Die für die Ausstellung realisierte Arbeit von Gunter
Reski steht sowohl in der Tradition des (sozialistischen) Wandbilds als auch
Grafitti ? Medien, die unter umgekehrten Vorzeichen an eine breitere
Öffentlichkeit adressiert sind. Michaela Schweiger verschränkt Sequenzen des
Kultfilms Themroc, in dem der Held gegen die Zwänge des Fordismus
rebelliert, mit eigenem Filmmaterial, dass in einer Planstadt gedreht wurde
und das Ende der industriellen Gesellschaft beschreibt.
In vergleichbarer Weise thematisieren Cao Fei/Ou Ning und Asta Gröting
Umbrüche der Arbeitswelt auf der Ebene des urbanen Raumes. Am Beispiel der
chinesischen Metropole Guangzhou dokumentieren Cao Fei/Ou Ning die rasante
Umgestaltung von einer landwirtschaftlichen Region in ein kommerzielles
Ballungszentrum. Gröting hält die verzweifelte Suche nach einem Parkplatz im
städtischen Raum fest.

Petra Maitz und Peter Piller machen die prekäre Situation, den
Lebensunterhalt durch Nebenjobs verdienen zu müssen, für ihre künstlerische
Produktion fruchtbar. Sowohl Pillers Zeichnungen, in die Einblicke des
Büroalltags einfließen, als auch Maitz Installation, der Geräusche zugrunde
liegen, die sie bei ihrer Arbeit für Rebecca Horn aufnahm, gehen aus einer
fremdbestimmten Tätigkeit hervor.
Im Zentrum der Arbeiten von Moira Zoitl und Phill Niblock stehen
Machthierarchien, die durch Veränderungen von Arbeitsverhältnissen
(re-)produziert werden. Während Zoitl diese auf geschlechtsspezifischer
Ebene reflektiert, wird bei Niblock die Trennung zwischen materieller und
immaterieller Arbeit auf globaler Ebene erfahrbar. Kulturelle Grenzen
überschreitet Maria Thereza Alves, die mit einem T-Shirt ? bedruckt mit der
ihr im Senegal verliehene Ehrenbürgerurkunde ? mit Berliner Passanten
diskutieren wird. Im Anschluss daran entsteht ein Faltblatt, das in der
Ausstellung ausliegen wird.
Vor allem Jeanne van Heeswijk, aber auch Heike Bollig eignen sich für ihre
projektbezogenen Arbeiten unterschiedliche Rollen an. An die Stelle
herkömmlicher künstlerischer Formen treten verstärkt Tätigkeiten, die
Arbeitsfelder jenseits der Kunst ähneln und so den Verwertungscharakter des
Kunstbetriebs offenlegen. Inga Svala Thorsdottir offeriert Serviceangebote,
die jedoch überflüssige Dienstleistungen sind, da sie einer Zeitökonomie,
wie sie vor allem die protestantische Arbeitsmoral propagiert hat,
widersprechen.
Mit dem Modell der Natur setzen sich Cornelia Schmidt-Bleek und Rosemarie
Trockel auseinander. Schmidt-Bleek, indem sie mit der Nachbildung der in
Südamerika beheimateten Seerose victoria amazonica auf die Bionik
rekurriert, und Trockel, indem sie fehlerhafte Netze unter Drogen gesetzter
Spinnen fotografiert.

Zur Ausstellung erscheint ein Buch, das einzelne Aspekte der Ausstellung
aufgreift und eigenständig fortführt. Es enthält eine Einführung von
Franziska Lesák, Annette Wellhausen und Kalli Wellhausen, Texte von
Hans-Christian Dany, Oliver Marchart, Petra Reichensperger, Manuela Schöpp
und Jan Verwoert, Inserts von Claudia Hardi und Kirsten Pieroth sowie einen
Fragebogen, indem Vertreter verschiedener Disziplinen ihre Haltung zum Tätig
Sein bekunden. (160 Seiten, dt., s/w und farbige Abbildungen, 10 ? in der
Ausstellung, 14 ? im Buchhandel) Das Buch liegt zur Pressevorbesichtigung
vor.

KünstlerInnen: Maria Thereza Alves, Heike Bollig, Cao Fei/Ou Ning, Asta
Gröting, Claudia Hardi, Jeanne van Heeswijk, Petra Maitz, Phill Niblock,
Kirsten Pieroth, Peter Piller, Gunter Reski, Cornelia Schmidt-Bleek,
Michaela Schweiger, Allan Sekula, Inga Svala Thorsdottir, Rosemarie Trockel,
Moira Zoitl

Konzeption und Realisation: Franziska Lesák, Petra Reichensperger, Manuela
Schöpp, Annette Wellhausen, Kalli Wellhausen

Für weitere Informationen und Bildmaterial wenden Sie sich bitte an Matthias
Reichelt,
Tel. 0 30/61 53 03 1, presse at ngbk.de