[rohrpost] betrifft: deutsche medientheorie

geert geert at desk.nl
Mon Okt 18 13:01:12 CEST 2004


Herzlichen Dank, alle. Ich weiss gar nicht wo ich anfangen soll. Ich
musste mir zuerst Zeit nehmen die Antworten zu lesen. Irgendwie scheint
es denn doch etwas zu wesen, diese DMT, weil ich ehrlich gesagt so
viele, ausfuehrliche Antworte nicht erwartete.

Deutsch ist fuer mich erstmal ein Verweis auf die Sprache, also nicht
auf Deutschland. Ich verstehe mich selbst ja auch irgendwie teil dieser
Diskurswolke und das gilt fuer viele, zum Beispiel in Ost-Europa oder
Skandinavien. Erst vor ein paar Tage noch kontaktierte mich ein Finner
der an eine Uebersetzung von deutsche Medientheorie arbeitete. Auch gibt
es so ein Vorhaben in Rotterdam fuer ein Sammelband, auf Englisch. Ich
verstehe das es problematisch ist DMT einzugrenzen und sowieso ist den
author approach nicht der richtige. Einverstanden. Jeder Auswahl blendet
aus.

Warum das ganze nicht auf nettime-l auf Englisch diskutieren? Kern des
'Problems' (falls es ueberhaupt einer gibt...) ist natuerlich das ganz
ganz wenige ausserhalb des Sprachgebietes Deutsch lesen und die Gefahr
daher gross ist das wir nur ueber Rumoren reden und die Sache auf
Kittler beschrenken weil das das einzige ist was irgendwie bekannt ist.
Hier in .nl kommt die Frage auf, wenn ich ueber das Vorhaben eines
Treffens in Amsterdam ueber DMT rede: aber wieso Deutsch? Das versteht
keiner hier. Verena hat da recht. Medientheorie aus Letland koennte
genau so wichtig sein. Aber da habe ich eine andere Meinung. Das ist
dann eben meine persoenliche Wahl (oder Geschmack, wenn es sowie
bezueglich Theorie gebe...).

Ich persoenlich glaube das die DMT eine wirkliche Bereicherung waere
fuer das internationale neue Mediendiskurs. Ich sehe das ganz klar im
Falle der Internetforschung (www.aoir.org). Das kommt nicht weiter, und
mache eigentlich nur Schritte zurueck richtung langweilige
Sozialwissenschaft. Ich finde den heutigen ethnographischen Ansatz
interessant, aber sie ist selber nicht 'fremd'. Was fehlt ist das
'abartige'. Damit meine ich das zitieren von Nietzsche oder Foucault. Es
geht um begrifflichen Reichtum, vielleicht sogar Poetik um ueber die
Sprache der Sachverwalter hinauszukommen. Die meisten Untersuchungen im
neue Medienbereich sind kalt, leer und standarisiert. Selbst der Meister
des Synthetisierens, Manuel Castells, ist da noch interessant. Genau so
schlimm ist natuerlich das kombinieren von Deleuze und neue Medien, aber
vielleicht koennen wir darueber ein anderes Mal reden. Hauptsache:
konzeptuell kommt die Anglo-saksische Medientheorie nicht weiter. Da ist
die Stagnation von cultural studies nur ein Beispiel.

Konkret ginge es mir um die Frage wie Eurosprachen (Deutsch aber
vielleicht auch andere...) sich global positionieren. Deutsch wird von
100 millionen Leute gesprochen, wird aber trotzdem oft heruntergeredet
als bedeutungslos und provinziell. Ich bin damit ueberhaupt nicht
einverstanden. Trotzdem... die Uebersetzungsmachine ist nachwievor in
den Haenden von nekrofilen Akademien und deren Verleger. Erst ein toter
Author laesst sich irgendwie gut vermarkten. Das ist aber fatal fuer die
Gegenwartstheorie. Wir leben im Echtzeitalter und da warten die Leser
nicht mehr 10-30 Jahre. Dazu geraet den Gutenbergzentrismus langsam ins
schwanken. Unter diesen Bedingungen, wie laesst sich da neue
internationale Dialogformen gestalten? Oder noch konkreter: soll eine
Tagung ueber Deutsche Medientheorie in Amsterdam auf Englisch gehalten
werden? Was soll das? An der Uni hier gibt es nur noch eine Hand voll
Exoten die noch Deutsch lesen. Stolz melden die Zeitungen das sich im
ganzen Land 50 Studenten fuer das Deutschstudium anmeldeten. Das ist
eine Verdopplung im Vergleich zu letzten Jahr, ein Resultat von
Millionenschwere Kampagnen. Trotzdem ist eine es laecherliche Zahl. Ist
die Loesung also das wir alle Englisch schreiben werden und uns auf
Englisch unterhalten?

Gruss, Geert