[rohrpost] Manovich

Stefan Heidenreich stefan.heidenreich at rz.hu-berlin.de
Don Okt 21 14:03:52 CEST 2004


> So ist dann auch das Dissen seiner Person in einem 
> Kittlerseminar wegen mangelnder Programmierkenntnisse zu sehen, dass an 
> seinem eigentlich Punkt vorbeigeht.
> 
> -H
> 

dass lev manovich wegen "mangelnder programmierkenntnisse" gedisst 
wurde, stimmt so nicht. lev ist, wie er es ganz gern macht, eine stunde 
lang konzeptlos aber unterhaltsam durch seine festplatte gesurft und die 
konzeptlosigkeit kam nicht gut an.

zum verhältnis von praxis und theorie:
oft genug kommt ein origineller gedanke gerade ohne genaue sachkenntnis 
zustande. detailwissen kann auch blockieren.
und andersrum: hinter dem bestehen auf detailwissen versteckt sich 
manchmal eine akademische pedanterei, die nicht wissensbegierig ist, 
sondern claims absteckt und redeverbote erlässt.

stefan


> 
> Am 17.10.2004 um 23:34 schrieb Harald Hillgärtner:
> 
>> Hallo Florian
>>
>> Am Samstag 16 Oktober 2004 21:46 schrieb Florian Cramer:
>>
>>> Das ist genauso, als wenn man Literaturwissenschaftler ist und
>>> Analphabet, Fremdsprachenphilologe ohne Fremdsprachenkenntnisse oder
>>> ein Musikwissenschaftler, der weder ein Instrument spielen, noch Noten
>>> lesen kann. Schimpf mich konservativ, aber dies sind in
>>> geisteswissenschaftlichen Fächern sonst völlig selbstverständliche, oft
>>> schon von Studienanfängern verlangte Mindestkompetenzen.
>>
>>
>> Ein wenig schief sind die Vergleiche schon noch, da es sicherlich einen
>> Unterschied macht, ob man von etwas überhaupt nichts versteht, weil 
>> man nicht
>> lesen kann, oder ob man dilletiert, weil man etwas in seinen technischen
>> Grundlagen nicht versteht. In ersterem Fall kann man noch nicht einmal
>> dilletieren. Trotzdem sind die Vergleiche gut und keinesfalls 
>> konservativ.
>>
>>> Also ist von einem Medienwissenschaftler, der über Computer
>>> theoretisiert, zu erwarten, daß er mindestens eine simple
>>> Programmiersprache wie BASIC beherrscht, oder von einem
>>> Medienwissenschaftler, der über das Internet schreibt, daß er z.B. weiß,
>>> was TCP/IP, Routing und DNS sind. [Wie sonst könnte man sonst z.B.
>>> kompetent über ein netzaktivistisches Kunstprojekt wie voteauction.com
>>> schreiben, dessen DNS-Einträge zentral gelöscht wurden?] Dies sind so
>>> banale Mindeststandards, daß sie vorauszusetzen noch lange nicht
>>> heißt, ein Technik-Materialist wie Kittler zu sein.
>>
>>
>> Mir fällt da spontan ein, dass ich vor einer Weile einen Text eines
>> prominenten Kunstwissenschaftlers gelesen hatte: Dort versteigt er 
>> sich zu
>> der Aussage, dass es im Netz aufgrund seiner Topologie, also die 
>> Dateien auf
>> entfernten Servern liegen und eine eindeutige Adresse haben, der von 
>> Benjamin
>> absentierte Begriff des Originals wieder Einzug halten würde. Die Kopien
>> würden wieder territorialisiert, und eben dadurch keine Kopien mehr. 
>> Tja, was
>> soll man da sagen...
>>
>> Insofern verstehe ich gut, was du meinst. Man muss natürlich in jedem 
>> Fall
>> seine Grenzen kennen. Wenn man diese aber kennt, lässt sich sicherlich 
>> auch
>> über den Computer sprechen, ohne BASIC zu können, denn schließlich
>>
>>> Es ist ja gerade die Stärke von einem unsystematischen und
>>> nicht-medienmaterialistischen Theoretiker wie Manovich, daß seine Thesen
>>> unmittelbar aus dem praktischen Umgang mit Computern gewonnen sind.
>>
>>
>> schreibt Manovich auch nicht über Algorithmen und Datenstrukturen, 
>> sondern
>> schaut in den allermeisten Fällen auf die Oberfläche etwa eines
>> Quicktime-Movies um dies mit Avantgarde-Kino und -Theater in einen
>> Zusammenhang zu bringen (nicht ohne dabei Bertolt Brecht falsch zu 
>> schreiben,
>> aber egal). Frage wäre dann schon, ob sich nicht der größte Teil von
>> Manovichs "Language of New Media" ohne Programmierkenntnisse schreiben 
>> ließe.
>> Und zwar, wie du selber sagst, aus besagtem praktischen Umgang heraus. Da
>> fällt mir nämlich ein anderer Kunsthistoriker ein, der einen lesenswerten
>> Aufsatz über die Zumutung der Assistenten unter Windows geschrieben 
>> hat, ohne
>> sich mit Computern auszukennen. Ganz naiv, nur durch hinschauen und sich
>> darüber wundern.
>>
>> (Apropos Manovich, gerade fällt es mir wieder ein: Vielleicht sollte 
>> ihm mal
>> jemand sagen, dass .doc-Dateien auf Webseiten nichts verloren haben. Ich
>> befürchte ja, mir auf dieser Liste bösen Ärger zuzuziehen, aber in Punkto
>> Kompetenz könnte auch dazu gehören, zwischen offenen Standards und 
>> zwischen
>> propritären Formaten zu unterscheiden. Aber es gibt ja inzwischen
>> OpenOffice...)
>>
>> Beste Grüße,
>> Harald.
>>
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