[rohrpost] So. 10.4. 21 Uhr: Sin City - Europapremiere
pirate cinema berlin
sebastian at rolux.org
Fre Apr 8 10:00:20 CEST 2005
Sin City (USA, 2005, 127 min, 2300065124 bytes)
Frank Miller, Robert Rodriguez, Quentin Tarantino
mit Bruce Willis, Mickey Rourke, Jessica Alba
in Deutschland im Kino ab dem 26. Mai 2005
Sonntag, 10. April 2005, 21:00 Uhr
Pirate Cinema Berlin, Ziegelstrasse 20
S Oranienburger Strasse, U Oranienburger Tor
free entry, cheap drinks, bring a blank DVD
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Vielleicht seit "The Matrix" hat kein amerikanischer Actionfilm mehr sein Genre
mit den Mitteln der Post-Production so weit nach vorn und auf den Stand der Zeit
gebracht wie "Sin City" - durch den Einsatz technischer Effekte, die nicht, auch
wenn viele Reviews das behaupten, der Handlung als Eye Candy äusserlich bleiben,
sondern die phantastische und zugleich völlig plausible Physik einer sozialen
Ordnung bilden: So wie das Raum-Zeit-Kontinuum der Kontrollgesellschaften sich
nicht mehr ohne Bullet Time und Wellen schlagende Glasfassaden denken lässt, so
wird man sich an die sozialen, architektionischen und geschlechterpolitischen
Retro-Noir-Grossstadt-Visionen der 90er und 00er Jahre (psychopathische Pärchen
in Audi TTs vor Beisheim-Centern) einmal in den blutrot nachcolorierten Schwarz-
Weiss-Bildern von "Sin City" erinnern - nicht obwohl, sondern gerade weil der
Film in einer nicht näher identifizierbaren Epoche spielt, in einem Hard-Boiled-
Universum, das derart genau nach seiner gezeichneten Vorlage modelliert ist - es
handelt sich um den ersten komplett in HD und vor Greenscreens aufgenommenen
(also erst im Nachhinein digital mit Hintergrundbildern versehenen) Film der
Kinogeschichte - dass "Sin City" statt wie die Verfilmung eines Comics viel eher
wie das Comic-Strip-Werden des Action-Kinos aussieht. Danach gefällt einem sogar
die neueste Generation CGI-animierter Manga-Filme nicht mehr so richtig, und wer
sich Batman oder Spiderman wieder anschaut, wird den Eindruck haben, in Disneys
Weihnachtsmärchen gelandet zu sein - denn statt familienfreundlicher Superhelden
in lustigen Kostümen zeigt "Sin City", wie wir uns das gesellschaftliche Leben
in einer Stadt vorzustellen haben, bei deren männlichen Bewohnern (Bruce Willis,
Mickey Rourke, Clive Owen u.a.) es sich fast ausnahmslos um vernarbte Killer in
Ledermänteln handelt, während sämtliche Frauen (Jessica Alba, Rosario Dawson,
Jaime King, Britanny Murphy u.a.) als Prostituierte arbeiten und ausser mit
Bondage-Unterwäsche nur ab und zu mit einer Maschinenpistole bekleidet sind. Wer
den (seinerseits nicht unerheblich von Frank Millers Comic Strips inspirierten)
First-Person-Shooter "Max Payne" kennt - eins der ersten und bis heute einzigen
"erwachsenen" Computerspiele, in dessen spärlich beleuchteten Räumen man ständig
über Ratten, Junkies und SM-Werkzeuge stolpert - wird den ganzen Film über das
Gefühl nicht loswerden, hier habe jemand die gezeichneten Cut-Scenes des Spiels
inklusive der ohnehin schon an Bruce Willis erinnernden Off-Stimme eins zu eins
in einen Spielfilm übersetzt - so verwandt ist tatsächlich das Setting: von
Anfang an aussichtslos in Sex & Crime verstrickte alte Säcke mit grossen Knarren
und Benzinfeuerzeugen, die in der Schrägschraffur des nächtlichen Dauerregens
darüber nachsinnen, ob mit ein paar Morden ihr ruiniertes Privatleben noch zu
retten wäre. Während Spiele wie "Max Payne" aber in ihren neueren Iterationen
immer filmischer zu werden versuchen, erinnern die Action-Sequenzen von "Sin
City" eher an 3D-Shooter: Wenn korrupte Cops von katzengesichtigen Ninja-Huren
mit Hakenkreuz-Wurfsternen beschossen werden, dann ist das eher eine Frage der
optimalen Flugbahn als des filmischen Realismus. "Sin City" ist schon jetzt mit
Sicherheit einer der besten fünf amerikanischen Filme des Jahres und zudem, als
weitgehend moralfreier Propaganda-Streifen für Gewalt und Pornographie, eine
hervorragende - und bis zum deutschen Kinostart am 26. Mai nicht wiederkehrende
- Gelegenheit, sämtliche Papst-Bilder, die man sich in den vergangenen Wochen
ins Hirn hat spülen lassen, innerhalb von nur zwei Stunden wieder loszuwerden.
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