[rohrpost] Nachtgedanken zur Medientheorie-Debatte

Florian Cramer cantsin at zedat.fu-berlin.de
Son Jan 23 13:28:12 CET 2005


Am Sonntag, 23. Januar 2005 um 09:50:12 Uhr (+0100) schrieb Claus Pias:
 
> Ein anderes Beispiel:
> 
> Abraham Moles proklamierte Ende der 50er
> 
> - eine "experimentelle Ästhetik", in der Kunstproduktion und Theorie 
> ein neues Bündnis eingehen und innerhalb derer z.B. 
> Programmierkenntnisse auf beiden Seiten nötig sind;

...was er, um dies schnell zu ergänzen, nicht nur geschrieben, sondern
auch in die Praxis umgesetzt hat. 1962 veröffentlichte er, auf Deutsch,
ein "erstes manifest der permutationellen kunst", das in der
"Rot"-Taschenbuchreihe der Stuttgarter Schule um Max Bense erschien und
ein Hybrid aus informatischer Ästhetiktheorie und Avantgarde-Manifest
ist.  Später baute er diesen Text zum Buch "Art et Ordinateur" (deutsch:
"Kunst und Computer", DuMont 1973) aus, das u.a. zahlreiche Bezüge zu
konkreter Poesie und Oulipo nimmt, aber auch z.B. von de Sades "120 Tage
von Sodom" als Programmier-Kunstwerk spricht. Ferner gab es in den 60er
Jahren zwischen ihm und der Situationistischen Internationale einen
Disput, der in einer der Nummern der "Internationale Situationniste"
dokumentiert ist. - Übrigens kommt Moles, diese Anmerkung kann ich mir
nicht verkneifen, hervorragend ohne den Begriff "Medien" aus, obwohl
McLuhan in den späten 60er und frühen 70er Jahren wohlbekannt war.

> Man wird schwerlich daran anknüpfen können, sollte so etwas aber nicht 
> ganz aus dem historischen Gedächtnis verlieren.

Präsent ist Moles z.B. im ältesten deutschen Netzliteratur-/kunstprojekt
"Pool Processing/Die imaginäre Bibliothek" von Heiko Idensen und
Matthias Krohn, das an mehreren Stellen Material aus "Kunst und
Computer" verwendet.

-F

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