[rohrpost] Kommunikationsguerilla-Blog über rohrpost-Diskussion
Florian Cramer
cantsin at zedat.fu-berlin.de
Mon Jul 11 13:42:13 CEST 2005
Aus der "BlogChronik der Kommunikationsguerilla"
<http://kommunikationsguerilla.twoday.net/stories/821191/>:
Ende der Spaßzeit!
Auf der Mailingliste "Rohrpost" (und nun auch in diesem Blog) gärt
es. Der Grund ist der Katalog der Ausstellung "Just do it!" aus
dem Linzer Lentos-Museum. Der Katalog wurde bereits Ende Februar
veröffentlicht und ist nun wohl auch in Berlin, dem scheinbaren
Nabel allen subversiven Kunstschaffens, angekommen. Während die
Ausstellung im Linzer Lentos Museum eher demonstrierte, wie fad es
sein kann, wenn Subversives im Museum präsentiert wird, fängt der
Katalog an Spaß zu machen.
Der Katalog hat insofern ein ungewöhnliches Aussehen, als das Buch
in Form eines Totenkopfes, also dem Markenzeichen der Piraten,
zugeschnitten ist.
Schon allein das hätte unsere Kunst- und
ZeichendeutungsspezialistInnen misstrauisch werden lassen müssen. Um
es vorwegzunehmen. Der gesamte Text des Katalogs ist "geklaut" und
ein Zusammenschnitt diverser einschlägiger Texte (u.a. auch von der
autonomen a.f.r.i.k.a. gruppe).
Der nun einsetzende Debatte um den Katalog ist ein Beispiel dafür was
passiert, wenn Culture Jamming auf die Produkte und Marken der Szene
angewendet wird. Während das Adbustern im Museum nichts oder nur
wenig in Bewegung setzt, lässt sich der Kunstbetrieb damit offenbar
prima aufmischen.
1. Angefangen hat alles mit einer Bemerkung von Andreas Broeckmann
und der Frage nach der Herkunft der Katalogtexte:
dann sollte man die herren kuratoren unbedingt mal fragen, wo die
texte im reader genau herkommen, bzw. wer sie geschrieben hat. und
wer sie sich im sinne eines 'just do it!' angeeignet hat.
2. Ein Markenzeichen namens Florian Cramer" recherchiert:
"Genauer gesagt, handelt es sich um Texte von Inke Arns, die ohne
Autorinnen- und Quellenangabe und gleich kapitelweise - über mehr als
zwanzig Seiten am Stück - in den (kommerziell vertriebenen) Katalog
"appropriiert" wurden.
und er riecht, dass dies irgendwie mit "Culture Jamming"
zusammenhängt:
Die Kuratoren zeigen auf diese Weise höchst raffiniert die
dialektische Kehrseite des "culture jamming" auf: Ausbeutung fremder
Arbeit zur Beförderung der eigenen Karriere. "Just Do It" ist
wirklich ein schöner Titel für ihr Projekt.
3. Jetzt wird erstmal gesucht und gelesen. Und dann geht es zur
Sache: Kuratoren gegen Kuratoren. Inke Arns schreibt einen Offenen
Brief (der in diesem Blog in voller Länge hineingestellt wurde).
Das Markenzeichen Florian Cramer, dem ebenfalls übel mitgespielt
wurde, tritt darauf hin auf den Plan: "Anlaesslich der Ausstellung
"Just do it - Die Subversion der Zeichen von Marcel Duchamp bis
Prada Meinhof" im Lentos Museum in Linz, Oesterreich, haben die
drei Kuratoren Thomas Edlinger, Florian Waldvogel und Raimar Stange
einen Katalog produziert, der aus - teils sehr langen - Passagen
von Texten verschiedener AutorInnen besteht. Die Urheber wurden
weder um Erlaubnis zum (Wieder-)Abdruck gefragt, noch sind die Texte
namentlich gekennzeichnet, d.h. einzelnen AutorInnen zuzuordnen. Der
Katalog scheint so aus einem einzigen zusammenhaengenden Text zu
bestehen, der keine Textgrenzen mehr erkennen laesst.
Generell handelt es sich hierbei um ein Missverständnis und
Missbrauch der Konzepte des "Culture Jamming", "Appropriation" und
"Subversion von Zeichen". Bei diesen Praktiken geht es nicht um
einen Freibrief zur kostenlosen Selbstbedienung bei KollegInnen,
sondern - v.a. im netzaktivistischen Bereich - um eine Strategie
der Entwendung von Zeichen (z.B. Markennamen, CIs, Logos) zwecks
Unterwanderung der Autoritaet grosser Korporationen. Es geht um die
kritische, künstlerische Verfremdung und Wiederaneignung herrschender
Codes, nicht um unkritisches postmodernes Recycling und auch nicht um
Arbeitseinsparungen für Kuratoren und Kritiker, die sich sowenig Mühe
wie möglich machen wollen."
Nun bedient sich ein mehr oder weniger etabliertes Museum dieser
Techniken und mischt diejenigen auf, die mittels entsprechenden
Themen noch gerne in diese Institutionen hinein wollen. Der Tenor
der Diskussion jedenfalls geht in die Richtung, die einen sind böse,
weil das Buch kommerziell vertrieben wird (ja wir wissen alle, mit
solchen büchern verdienen wir Millionen ... und edition selene erst,
auch böse). Da haben wir ihn wieder: diesen deutschen Affekt, das
Böse ist immer und überall: komerziell. Und dann ist da noch die
Konkurrenz und die Behauptung, dass die Herausgeber und Kuratoren mit
den geklauten Texten Karriere machen wollen. Immer noch Cramer ....
"Bei Just do it scheint es sich jedoch nicht um ein Missverstaendnis
aus Unwissenheit zu handeln, sondern um eine bewusste karrieristische
Verschleierungsstrategie."
Tja, wieder nicht zitiert worden. Wieder ein Baustein weniger in der
eigenen Kuratoren- und Künstlerbiographie (Wie heißt es doch so schön
oder ähnlich: "Ich möchte Teil einer Widerstandsbewegung sein ...").
5. Und dann outet sich Florian Cramer in einer weiteren Stellungnahme
ebenfalls als "Kurator" ("Die kuratorische Rhetorik vom Widerstand")
mit einer verzweifelten Satire. Er hat bemerkt, dass es uncool ist,
was er da schreibt und bejammert. Aber er weiss ja zu bluffen und
weiss auch welche Autoren er heranziehen muss, um auf der Seite der
Guten zu bleiben:
"Die Situationisten entwickelten eine Methode der permanenten
Entfremdung von gesellschaftlichen Konventionen. Was ich, wie man
sieht, noch viel besser kann. Die Situationisten suchten nach Rissen
innerhalb der Gesellschaft, die sie mit Satire, Bluffs, Provokationen
und Gewalt vergrößern wollten. Satire und Provokationen sind zwar
nicht so mein Ding, bluffen kann ich aber ganz gut und Gewalt übe ich
lieber diskursiv aus. Manchmal packt mich der Kasernenhofton, und
ich schwadroniere vom situationistischen "Vollstreckungsbefehl an die
Wirklichkeit". Doch was ich eigentlich sagen will, ist: Stangen aller
Edlinger, waldvögelt Euch ins Knie!"
Wir haben gelernt, dass Culture Jamming gegen Big Business im
Museum für den Oarsch ist. Doch mit diesem Museumskatalog
wird der Kunstbetrieb auf seinem eigenen Feld und mit den ihm
adäquaten Mitteln angegriffen. Vorführen tut sich der Laden
nun selbst (Man muss nur die absurden rechtlichen Tips und
Ratschläge auf der Mailingliste anschauen, da schlägt das Herz
eines jeden Kommunikationsguerilleros - bessere Vorlagen aus
der deutschen Buchhalterseele kann doch niemand liefern - und
das zeigt welch verheerende Auswirkungen die flächendeckende
Einrichtung von Kulturmanagementstudiengängen nach sich zieht). Der
Lentos-Katalog führt auf eindrückliche Weise vor, dass es dem
Künstler-Culture-Jamming nicht um Widerstand gegen was auch immer
geht, sondern um das je eigene Markenzeichen, das ist auch weder
wirklich verwerflich oder auch moralisch schlecht. Nur hören würden
wir es ab und zu ganz gerne, damit es weniger oft vorkommt, dass
wir uns dabei ertappen, wenn wir Kunst mit Widerstand verwechseln,
anstatt künstlerische Mittel zum Widerstand einzusetzen..
Glückwunsch Edlinger, Waldvogel und Stange - Wir sind ein bisserl
neidisch ....
PS. Zur Ehrenrettung der Rohrpost-Liste müssen wir dann doch noch den
Johannes-Auer-Vorschlag nachreichen:
"koennte es nicht vielleicht sein, dass ihr mit eurer reaktion
genau in die strategie der initiatoren spielt (sozusagen "arns"
und "cramer" als marke verstanden mit den theoretischen texten als
markenzeichen. protest erwuenscht und kalkuliert...)
anderer vorschlag: bezeichnet euch in euren cv's ab sofort als die
kuratoren dieser ausstellung, schickt ein paar gepflegte kuratorische
statements durch die listen, plagiiert die museums-/verlags-seite,
natuerlich mit euch als kuratoren, gebt am besten den katalog noch
einmal unter eurem namen heraus (ist machbar...)...
und irgendwann spaeter kann man vielleicht mal ueber "just do it" zu
seinen bedigungen diskutieren (da gibt es ein, zwei aspekte, die ich
nicht uninteressant finde...)"
Kleine Bemerkung zu:
"Und dann outet sich auch Florian Cramer als
"Kurator" ("Die kuratorische Rhetorik vom Widerstand") mit einer
verzweifelten Satire. Irgendwie merkt er dass es uncool ist, was er da
schreibt und bejammert. Aber er weiss ja zu bluffen und weiss auch
welche Autoren er heranziehen muss, um auf der Seite der Guten zu
bleiben:" -
Wer es ist noch nicht gemerkt hat, das uncoole Geschreibsel stammt von
<http://www.rebelart.net/i0002.html>
-F
--
http://cramer.netzliteratur.net