[rohrpost] ZKM/Eroeffnung/Making Things Public. Atmosphaeren der Demokratie

Irina Koutoudis koutoudis at zkm.de
Mit Mar 9 18:06:16 CET 2005


ZKM | Zentrum fuer Kunst und Medientechnologie Karlsruhe
09.03.05 Infomail Nr. 27
 
 
M a k i n g  T h i n g s  P u b l i c. Atmosphaeren der Demokratie
(20.03. bis 07.08.2005)
 
Eroeffnung: Samstag, 19. Maerz 2005, 19 Uhr im ZKM, Lorenzstrasse 19, 
76135 Karlsruhe
 
Eine Ausstellung im ZKM | Museum fuer Neue Kunst
unter der kuratorischen Leitung von Bruno Latour und Peter Weibel
Kurator der webbasierten Projekte: Steve Dietz
 
Die Ausstellung „Making Things Public“ wagt die Erneuerung des 
Politischen aus dem Geiste der Kunst und der Wissenschaft. Diese 
ungewoehnliche Ausstellung baut auf der Ausstellung Iconoclash (ZKM 
2002) auf, welche die Krise der Repraesentation in der Kunst 
behandelte, waehrend Making Things Public das Problem der 
Repraesentation in der Politik entfaltet.
 
In diesem bahnbrechenden Projekt ueberdenken mehr als hundert 
Kuenstler, Wissenschaftler, Soziologen, Philosophen, Historiker den 
Begriff Politik neu. In einer Zeit, in der viele Menschen an der 
Politik zweifeln und verzweifeln, ist es dringlich notwendig, nicht die 
traditionellen politischen Antworten auf die Probleme der Zeit zu 
erhalten, sondern die Frage nach dem Politischen selbst neu zu stellen.
 
Dabei ist es nicht verfehlt, sich zu erinnern, dass eine der 
einflussreichsten Schriften zur Philosophie des Politischen, naemlich 
„Leviathan“ (1651) von Thomas Hobbes, eigentlich nicht als politischer 
Traktat beginnt, sondern mit dem Entwurf einer Aesthetik: „Die Natur 
(das ist die Kunst, mit der Gott die Welt gemacht hat und lenkt) wird 
durch die Kunst des Menschen wie in vielen anderen Dingen so auch darin 
nachgeahmt, dass sie ein kuenstliches Tier herstellen kann.“ Hobbes 
fuehrt also bereits die drei Arten der Repraesentation, die 
ueblicherweise getrennt gehalten werden, zusammen, wie auch wir es 
explizit tun: Naemlich die Wissenschaft, welche die Natur und Dinge 
repraesentiert, die Politik, welche die Menschen repraesentiert und die 
Kunst, welche das Zusammenkommen von Menschen und Dingen 
repraesentiert.
 
Wir haben uns an eine Auffassung von Demokratie gewoehnt, in der es nur 
um eine Art der Repraesentation geht, naemlich um die Repraesentation 
des Volkes bzw. der Interessen von Menschen, deren Konflikte im 
Parlament geloest werden. Wir denken also bei Demokratie an eine 
repraesentative parlamentarische Demokratie. Der hier vorgetragene neue 
Begriff des Politischen blendet die Repraesentationsstrategien der 
Wissenschaft und Kunst nicht aus, sondern erweitert im Gegenteil die 
bisherigen politischen Repraesentationstechniken um Wissenschaft und 
Kunst. Anstatt nach mehr Demokratie nur in der professionellen Politik 
zu suchen, lenken wir die Aufmerksamkeit auf die neuen atmosphaerischen 
Bedingungen des Demokratischen, ein komplexes Set von Technologien, 
Schnittstellen, Plattformen, Netzwerken und Medien, die Dinge 
oeffentlich werden lassen.
 
Wir gehen also zurueck auf die Dinge der Natur, der Menschen, der 
Kunst, die das Politische begruenden, und fragen gleichzeitig, was sind 
diese Dinge? Wir fragen, wie entstehen Dinge? Wie werden Dinge 
oeffentlich gemacht? Was sind oeffentliche Dinge, res publica? 
Republik?
 
Beim Verlassen der Ausstellung wird klar, dass das Repertoire an 
Haltungen und Leidenschaften, die ueblicherweise mit dem Einnehmen 
eines politischen Standpunkts verbunden werden, entschieden zu eng 
gefasst ist. In anderen nichtwestlichen Traditionen, in den alten 
politischen Philosophien, in den meisten Bereichen der modernen 
Wissenschaft und Technologie, in den neuen Raeumen im Internet und in 
den Instrumenten der Repraesentation, von denen Parlamente nur einen 
Teil darstellen, gibt es zahlreiche andere Moeglichkeiten, politisch zu 
agieren und reagieren. Warum also nicht eine „objektbezogene 
Demokratie“ ausprobieren und „zurueck zu den Dingen“ gehen?!
 
Waehrend des Aufenthalts in der Ausstellung hinterlaesst der Besucher 
zahlreiche Spuren, die das Phantom Oeffentlichkeit aktivieren, und 
dieses Phantom wiederum hinterlaesst einige Spuren im Besucher. Ohne 
sich darueber vollstaendig klar zu werden, wurde der Besucher 
gleichzeitig Akteur und Projektionsflaeche eines unsichtbaren 
Kunstwerkes, welches danach strebt, das neue Gemeinwesen zu 
veranschaulichen und mit Substanz auszustatten. Das gemeinsame 
Erforschen der unbeabsichtigten und unerwarteten Auswirkungen unserer 
Handlungen ist in den Worten des amerikanischen Philosophen John Dewey 
die einzige Moeglichkeit, „die Oeffentlichkeit entstehen zu lassen“. 
Genau dieses versuchen wir mit den Besuchern der Ausstellung zu 
erreichen: sie werden in neuen Gruppierungen zusammengefuehrt und 
werden so Teil von einem vollstaendig neuen Ding, einer neuen 
Versammlung.
  

Weitere Informationen finden Sie unter:http://makingthingspublic.zkm.de
 
Zur Ausstellung erscheint ein englischsprachiger Katalog:
Making Things Public – Atmospheres of Democracy, Hrsg. von Bruno Latour 
und Peter Weibel
MIT Press Cambridge, Mass.
 

Kontakt:
 
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76135 Karlsruhe
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