[rohrpost] Re: Zensur im Tesla?

Till Nikolaus von Heiseler Till_N_v_Heiseler at web.de
Sam Nov 5 10:24:39 CET 2005



Als ich noch Theater gemacht habe, wurde immer gesagt, das ist kein 
Theater, als ich Stücke geschrieben habe, haben die Leute gesagt, 
dass es keine Stücke seien. Es schafft immer Probleme, wenn die 
Leute Schwierigkeiten damit haben, zu verstehen, was man macht, 
weil es nicht in das hinein passt, was sie als Kategorie kennen. Das 
eben hat mit Formaten zu tun. Aber von Zensur kann gar keine Rede 
sein. Nur hat niemand so richtig begreifen wollen, was wir machen 
wollen, weil das formatLabor - das liegt auf der Hand - eben kein 
konventionelles Format sein kann. 

Also: Detlev Schneider (zusammen mit Andreas Broeckmann und Carsten 
Seiffarth künstlerischer Leiter des TESLA im Podewils’schen Palais) hat 
uns zunächst jeden ersten Samstag im Monat zugesagt und zwar mit 
einem Raum unserer Wahl. Das ist dann am Veto von Andreas Broekmann - 
so die Stille Post - gescheitert. 

Andreas hatte sich bei einem andern Projekt sehr für uns eingesetzt. 
Das Projekt kam dann aber nicht zustande. Das ist sehr blöd gelaufen 
und wir verstehen, dass da ein schlechter Nachgeschmack übrig geblieben 
ist. 
Darüber hinaus haben wir ein Projekt „In-KLO-sion//Exklusion“ (nächste 
Eröffnung 17.Nov 05 in der Gemäldegalerie Berlin => 
http://www.formatlabor.net/formatlabor.htm , mittlere Spalte, scroll down, 
JA - Installation), das er unmöglich findet, weil dort u.a. Personen ohne 
Aufenthaltsgenehmigung in Audioform auf Klos zu Wort kommen (idealer 
Spielort: Staatsoper oder Deutsche Oper). Wenn ich Andreas richtig 
verstanden habe, fand er das menschenverachtend. Florian Schneider, 
der tatsächlich mit Leuten arbeitet die illegalisiert werden, findet das Projekt 
dagegen prima. Das macht Mut. Merali wollte das Projekt im Haus der Kulturen 
der Welt haben. Das wurde dann dort auch vom Leitungsteam verhindert - mit 
ähnlichen Argumenten. Also Andreas Broeckmann steht da nicht allein. Je 
politischer die Leute sind, desto akzeptabler scheinen sie das Projekt zu finden. 
Auch den Titel fand Andreas wörtlich „inakzeptabel“. Ich persönlich sehe es nicht 
als Aufgabe eines Organisators an, Titelwünsche zu äußern. Mit Radioredakteuren 
und Theaterintendanten habe ich in dieser Hinsicht so manchen Kampf hinter mir, 
doch ein Kurator ist kein Redakteur und auch kein Intendant. Oder ändert sich 
das gerade? Wie auch immer. Ich zumindest diskutiere mit Organisatoren//Kuratoren 
etc. nicht über die Titel meiner Projekte.  

Darüber hinaus habe ich eine Kritik über die Tesla-Eröffnung für die 
rohrpost geschrieben 
=> http://coredump.buug.de/pipermail/rohrpost/2005-May/008109.html . 
Das mag Andreas auch verstimmt haben oder er mag den Heiseler nicht ständig 
(im Tesla) sehen. Das finden ja durchaus einige Leute anstrengend.   

Wie auch immer es sein mag, Janus (der du mir ja unterstellst, dass ich zahm und 
langweilig geworden bin, weil ich versuche, mit Wissenschaftlern zu reden) ich weiß 
nicht so richtig, was nun letztendlich den Ausschlag gegeben hat, aber ich 
finde es durchaus legitim, dass - wenn es um eine regelmäßige Veranstaltung 
geht - alle in einem Leitungsteam gefragt werden. Das Problem war nur, dass 
Detlev Schneider uns die Veranstaltung zugesagt hatte und sogar mit dem 
Kunstkritiker und Architekten, Herbstreuth (der bei uns das Bühnenbild machen 
sollte) eine Begehung der Räume gemacht hat. Da waren dann noch drei von 
Herbstreuths Studentinnen dabei und alles schien in Stein gemeißelt zu sein. 
Nun stehe ich Herbstreuth gegenüber als Idiot dar. Wie ich nun von Mitarbeitern 
des Teslas und auch anderen Leuten und von mehreren Seiten höre, scheint 
das aber keine besonders hinterlistige Attacke gezielt auf uns zu sein, sondern 
es scheinen täglich Probleme aufzutauchen, die mit uneingelösten (teilweise 
auch uneinlösbaren) Versprechungen des Leitungsteam zu tun haben. 
Detlev hatte ich auch noch angeboten, ein PR-Konzept fürs Tesla zu erstellen. 
Ich habe das in den letzten Jahren für unterschiedliche Institutionen gemacht 
und hätte es fürs Tesla für wenig oder sogar gar kein Geld gemacht, wenn 
damit etwas in die richtige Richtung bewegt worden wäre, in künstlerischer, 
wissenschaftlicher und politischer Hinsicht. Ich habe das Konzept und u.a. 
einen Katalog mit Fragen zur Zielsetzung etc. entworfen, da kam dann nicht 
mal eine Antwort. Ich habe so ein wenig den Eindruck, dass irgendetwas da 
nicht besonders gut läuft und genauer gesagt, existiert das TESLA im 
Bewusstsein der Menschen in dieser Stadt so gut wie gar nicht. 
Das hätte man ändern können.  

Es wäre nach meinem Geschmack gewesen, auf unterschiedlichen Listen und 
an unterschiedlichen Orten einen Diskurs zu entfachen, was man denn mit 
so einem Haus machen könnte und offene Ausschreibungen zu machen und 
öffentliche Präsentationen. Das war auch eine unserer ursprünglichen Ideen, 
dass eben Leute einmal im Monat in unserem Salon ihre Projekt AUCH FÜR 
DAS HAUS präsentieren können und dann die Projekte öffentlich diskutiert 
werden. Aber wahrscheinlich bin ich von einer geradezu idiotischen Naivität, 
da es offensichtlich immer um etwas anders geht als was ich mir vorstelle. 
Manuel Bonik, dem ich im Sommer diese Gedanken geschickt hatte, hat mich 
schon darauf aufmerksam gemacht, dass sich die Leitung sicherlich von mir 
nicht „ins Handwerk pfuschen lassen wollen“. Ich denke irgendwie anders und 
bin immer noch der Meinung, dass Andreas, obwohl er sicherlich alles möglich 
ziemlich schnell „abartig“ findet, irgendwie doch an einem wichtigen 
Kristallisationspunkt werkelt, nämlich an jenem Punkt, wo experimenteller 
Mediengebrauch und gesellschaftliches oder polisches Interesse konvergieren. 
Nur kommt es ja nun gerade darauf an das „Andere“ ins Recht zu setzen ( vgl. http://www.formatlabor.net/html/Das%20Ueberhoerte.pdf ) Ab einem gewissen 
Aufmerksamkeitsniveau wird das Nette und Gut-Gemeinte nicht mehr ausreichen. 
Aber Andreas wird intelligent genug sein, sich nach geeigneten Partnern 
umzusehen. Es gibt ja durchaus interessante Kuratoren in der Stadt: Merali, 
Schmidt überhaupt die Leute von der NGBK; -- aber es ist ja nicht an mir, hier 
eine Kooperation vorzuschlagen. 

Wie auch immer.

Wir machen nun also das FormatLabor_0.1, d.h. eine Probe (www.formatLabor.net) , 
zu der die gesamte Leitung kommen soll, um zu sehen, ob und wie wir miteinander 
können. Du kannst Andreas also am 8.Nov selbst fragen. => http://www.tesla-berlin.de/_content.php?aktion=SHOW_PAGE&Page_ID=141

Vielleicht mag er sich auch hier äußern. 

- cut - 

...auch jetzt gab es immer wieder Missverständnisse, weil niemand eigentlich 
sich die Mühe machen wollte, zu verstehen, was wir hier eigentlich tun. Wir 
haben immer mit dem Haus telefoniert und es wurde immer wieder gefragt: 
Ist dass nun ein Salon, also eine Diskussion oder ist das eine Show? Das ist ein 
legitimes Interesse eines Hauses, das sich profilieren will und muss. 

Nur versuchen wir unsere Erfahrungen immer auch auf die Theorie zurückzubiegen: 
Bevor überhaupt eine Veranstaltung zustande kommt, muss ein Format festgelegt 
werden. Ohne Formatreferenz keine Distributionsmöglichkeit. Denn das Format ist 
nicht nur der frame of reference, der Signale zu Zeichen werden lässt und das 
mediale Überangebot in lesbare Vertrautheiten umbaut, sondern die Außenseite 
des Formats bildet eine rigide Kategorie, innerhalb der institutionellen und 
kommerziellen Verwaltung von Kultur - dies nur in Parenthese. - 

Wenn etwas als Format nicht passt, dann kann die Unpassendheit thematisiert 
werden. Das verlangt dann Theorie und bleibt dann oft auch theoretisch. 
Soweit die Stille Post wahr spricht, empfand Andreas die Texte, die ich geschickt 
habe und in denen sich Beschreibungen und theoretische Background vermischt 
haben als „wissenschaftliches Gewäsch“ und eine Zumutung. 

Mir müssen nun fragen, geht es darum, Kunst- und Wissenschaftsmimikry zu verbinden, 
so wie es hier und da üblich ist und im Tesla mitunter praktiziert wird oder wollen wir 
wirklich versuchen, hier Brücken zu schlagen? Wie aber können derartige Brücken 
aussehen? 

Also, lieber Janus, ich würde dich bitten, nicht weiter zu stänkern, sondern dein 
Potenzial konstruktiv und kritisch einzusetzen. Dass du mir über die Liste die Frage 
gestellt hast, hatte ja wohl den Sinn, dass ich alles offen darlege. Ich sehe die 
Sache hiermit als abgeschlossen an. 

Glück zu allen!
till 

P.S. 
Du kannst übrigens auch eine Videoarbeit von dir zeigen. 

...kann jeder andere auch. Bring your Video!
 => http://www.formatlabor.net/formatlabor.htm



"Janus von Abaton" <jv-abaton at gmx.net> schrieb am 04.11.05 17:24:31:
> 
> 
> Hey Heiseler,
> hatte gedacht, das formatLabor sei von Andreas Broeckmann zensiert worden.
> Wenn ich mich recht erinnere, sollte es eine Reihe werden, was ist denn nun
> damit? Komme am 3.11 wieder nach Berlin. Bin am 8.November dann im Tesla. 
> 
> Würden gerne eine große illegale Aktion vor der amerikanischen Botschaft
> organisieren. Wer sich dafür interessiert, kann sich melden. 
> 
> Haltet die  steif und kackt nicht ins Bett!
> Euer Janus 
> 
> 
> 
> > --- Ursprüngliche Nachricht ---
> > Von: Till Nikolaus von Heiseler <Till_N_v_Heiseler at web.de>
> > An: rohrpost at mikrolisten.de
> > Betreff: [rohrpost] Aesthetik des Wissens - Dienstag 8. November im
> > Tesla	Klub
> > Datum: Thu, 03 Nov 2005 12:30:54 +0100
> > 
> > 
> > 
> > Ästhetik des Wissens - formatLabor 0.1
> > Medientheatralik & Operative Vernunft
> > 8. Nov. 2005 | 20:15
> > TESLA Klub, Klosterstr. 69-70, 10178 Berlin 
> > 
> > 18:00 Audiolounge: Sounds & Samples zum Diskurs
> > 20:15 Ästhetik des Wissens (Hauptveranstaltung)
> > [ => www.formatLabor.net ]
> > 
> > In welchem Verhältnis stehen Medium und Theorie? Sind Medien prinzipiell 
> > theoriefähig? Kann das Medium der Audiovisualität sich selbst als Medium 
> > im Medium reflektieren? In welchem Verhältnis stehen Wissen und Ästhetik? 
> > Kann Video ein Instrument von Theorie und Reflexion sein? Wie werden 
> > die audio-visuellen Medien in zwanzig oder dreißig Jahren aussehen? Wie 
> > verhält sich Video zu anderen statischen, bildgebenden Verfahren? Welche 
> > Möglichkeiten eröffnen sich einer Ästhetik, die eher den Prozess als das 
> > Resultat in ihr Zentrum stellt?
> > 
> > Wolfgang Ernst, Bernd Ternes, Oliver Lerone Schultz und Till Nikolaus von 
> > Heiseler diskutieren über die Theoriefähigkeit von Medien und präsentieren
> > deutsche und internationale Videokünstler (u.a. Ola Lewin, Daniela Butsch,
> > Andrés Fuentes Cannobbio, a-clip, Dimitris Tzamouranis, Dolly Tschad). Die
> > Sängerin und Performerin Michaela Caspar und Séan D.C. Marquardt zeigen 
> > "Ohne Titel 23". Diese Arbeit bricht die Redundanz von Bild und Tonspur
> > mit 
> > Hilfe von Live-Elementen und Zufallsoperationen auf.  
> > 
> > Manuel Bonik, Mic Mikina u.a. installieren die Theorie-Disko zum Thema, in
> > der 
> > sich sowohl die Bühnensituation als auch die ästhetische und thematische 
> > Konzentration der Inszenierung des ersten Teils nach und nach
> > dekonstruieren 
> > und auflösen. In diesem zweiten Teil werden die vorher aufgenommenen 
> > Materialien verarbeitet und Rückkopplungs- und Verrechnungsschleifen
> > erzeugt, 
> > in denen nicht nur die aufgenommenen Personen, sondern das Medium selbst 
> > als Gestaltungselement erscheint und zum Akteur wird. 
> > 
> > Die Veranstaltung hat auch den Charakter eines offenen Arbeitstreffens;
> > sie ist 
> > ein Ort der gemeinsamen Produktion, der Live-Rekombination von Material,
> > ein 
> > Thinktank und eine Kontaktstelle für Künstler, Musiker, Konzepter und
> > andere 
> > Kreative. Gäste können Video- und Audiotracks zum Thema mitbringen sowie 
> > Videos, die neue Produktionsweisen oder experimentelle Formate erproben. 
> > 
> > weitere Infos: www.formatLabor.net
> > Flyer: http://www.formatlabor.net/html/Flyer.htm
> > 
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