[rohrpost] Mickey-Mouse-Forschung und die Distanz zu Deutschland

Till Nikolaus von Heiseler Till_N_v_Heiseler at web.de
Mit Okt 26 21:34:45 CEST 2005





> > Von: "Stefan Weber" <cyberwriter at utanet.at>
> > Datum: Wed, 19 Oct 2005 21:23:24 +0200
> > An: <Undisclosed-Recipient:;>
> > Betreff: Distanzierung von Mickey-Mouse-Forschung

Wissenschaft reproduziert sich einerseits in Semantiken und Methoden und andererseits vermittels Posten und akademische Ehren, Verordnungen etc. In letzter Zeit scheint beides zunehmend in Konkurrenz zu geraten. Kaum hat einer einen Prof.-Titel wird das, was er schreibt und spricht, zu Wissenschaft. Gut für ihn, schlecht mitunter für die Wissenschaft. 

Das deutsche Wissenschaftssystem braucht eine Veränderung, die nur aufgrund eines kollektiven Drucks zustande kommen kann. Sinnvoll wäre es u.U., alle Titel etc. aufzugeben und allein auf Leistungen zu sehen. Offene Ausschreibungen für Stellen, danach Workshop zunächst intern, dann Lehrproben. 2-3 Jahres Verträge wären hier vielleicht auch hilfreich (so ist es am Theater). 

Wie könnte eine Wissenschaft aussehen, die auf die Einheit der Differenz akademische Ehre / Diskriminierung verzichtet? => www.formatLabor.net

Auch Kooperationen werden durch das bestehende System erschwert. 

Weniger utopische Forderungen: Lasst uns wieder rein!

Deutsche Forscher in den USA schreiben nach Hause
Von Manuel J. Hartung

Die Wissenschaftler in den USA sparen nicht mit Pathos. »Wir sind leistungswillig, leistungsfähig und begeistert für die Wissenschaft«, schreiben über hundert von ihnen in einem offenen Brief an deutsche Bildungspolitiker und fügen an: »Wir fühlen uns Deutschland verbunden.«

So stark verbunden, dass viele von ihnen gern nach Deutschland zurückkehren würden, wenn sie denn könnten. 80 Prozent der 6000 jungen deutschen Wissenschaftler in den USA würden lieber in ihrer alten Heimat lehren und forschen, schätzt Eicke Weber, der Chef der German Scholars Organization (GSO), eines Verbandes deutscher Forscher in Nordamerika. Doch die besseren Bedingungen hielten sie in den USA.

In dem von der GSO initiierten offenen Brief (s.u.) nennen die Wissenschaftler nun Bedingungen für ihre Rückkehr. Der Brief mit dem Titel »Zukunft Wissenschaft« wird an diesem Freitag versandt. »Eine solch konzentrierte Meinungsäußerung gab es noch nie«, sagt Weber, Professor für Materialwissenschaften in Berkeley. Unterschrieben ist der Brief von Nachwuchshoffnungen, unterstützt wird er auch vom Physik-Nobelpreisträger Wolfgang Ketterle, von Ernst-Ludwig Winnacker, Chef der Deutschen Forschungsgemeinschaft und Günter Stock, Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. 
Die vorderste Forscher-Forderung ist, Professoren in transparenten Verfahren zu berufen und Berufungskommissionen international zu besetzen. Diese Gremien wählten bislang »nicht immer den wissenschaftlich besten Kandidaten aus«, heißt es in dem Brief, Weber sagt gar, diese Verfahren seien »durch Seilschaften kontaminiert«.

Die Forscher kritisieren zudem, dass die föderale Struktur Deutschlands zu »unübersichtlichen und ungleichen Arbeitsbedingungen« geführt habe. Stattdessen solle es autonome Hochschulen mit einem einheitlichen rechtlichen Rahmen geben. Weiter fordern die Wissenschaftler, einen tenure track einzurichten, einen institutionalisierten Weg von der Juniorprofessur zu einer Dauerstelle. Auch müsse das Nebeneinander von Habilitation und Juniorprofessur zugunsten einer »attraktiven Juniorprofessur« aufgegeben werden. 

[Offener Brief]
Zukunft Wissenschaft
Initiative deutscher Auslandswissenschaftler für eine attraktivere Hochschullandschaft
Offener Brief an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie sowie an die zuständigen Ministerinnen und Minister für Wissenschaft in den Ländern 
Wir, deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler , arbeiten derzeit an Universitäten und Forschungseinrichtungen in Nordamerika. Jeder von uns steht demnächst vor der Entscheidung, entweder nach Deutschland zurückzukehren oder eine dauerhafte wissenschaftliche Karriere im Ausland zu verfolgen. Interessiert an einer Rückkehr nach Deutschland, sehen wir jedoch deutliche Hindernisse bei einer solchen Entscheidung „für Deutschland“.
Wir begrüßen den sichtbaren Geist der Innovation in Deutschland, der sich in den bereits erfolgten und den noch geplanten Reformen der akademischen Landschaft in Deutschland widerspiegelt. Durch unsere unmittelbaren Erfahrungen mit dem deutschen sowie dem nordamerikanischen Hochschulsystem können wir wertvolle Anregungen für die Reformdebatte liefern. Aus unserer Sicht sind die folgenden Punkte essenziell, um Deutschland für rückkehrwillige Wissenschaftler aus Nordamerika attraktiver zu machen und den Wissenschaftsstandort Deutschland international wettbewerbsfähiger zu gestalten:

Für die Kontinuität in Forschung und Lehre ist es notwendig, dass erfolgreiche Juniorprofessoren und Leiter von Nachwuchsgruppen eine längerfristige berufliche Perspektive haben. Eine Weiterbeschäftigung von Juniorprofessoren an derselben Hochschule ist in Deutschland jedoch nicht vorgesehen. In Anlehnung an das „tenure track“-Verfahren an amerikanischen Universitäten fordern wir daher, Wissenschaftlern, die ihre Stelle durch ein reguläres Berufungsverfahren im offenen Wettbewerb erhalten haben, und die am Ende ihrer befristeten Tätigkeit durch eine internationale Kommission erfolgreich begutachtet werden, eine unbefristete Weiterbeschäftigung zu ermöglichen.
Flexiblere Beschäftigungsstrukturen
Professoren in Deutschland tragen gleichzeitig die Verantwortung für Forschung, Lehre und die Verwaltung der Hochschule. Im angloamerikanischen Raum werden diese Aufgaben flexibler verteilt. Dies ermöglicht den effektiveren Einsatz von Wissenschaftlern entsprechend ihren Fähigkeiten auf den Gebieten Forschung, Lehre und Wissenschaftsmanagement. Wir fordern mehr Flexibilität bei der Aufgabenverteilung an deutschen Hochschulen und bei der Ausgestaltung von Arbeitsverträgen. Dabei ist die starre Obergrenze für die Befristung von Arbeitsverträgen sowie die Unkündbarkeit von längerfristig Beschäftigten aufzuheben. Beides verhindert häufig die Weiterbeschäftigung bewährter Wissenschaftler trotz vorhandener finanzieller Mittel.

Transparente und zügige Berufungsverfahren
Initiative deutscher Auslandswissenschaftler für eine attraktivere Hochschullandschaft
Fairer Wettbewerb ist eine entscheidende Voraussetzung für herausragende Wissenschaft. Berufungskommissionen wählen jedoch nicht immer den wissenschaftlich besten Kandidaten aus. Zur Sicherung eines echten Wettbewerbs um die besten Köpfe fordern wir, Berufungsverfahren transparenter und nachvollziehbarer zu gestalten sowie die Kandidaten zeitnah über die Entwicklung des Verfahrens zu informieren. Die guten Erfahrungen amerikanischer Spitzenuniversitäten in diesem Verfahren sollten auf eine mögliche Übernahme an deutschen Universitäten näher untersucht werden. Zur Beschleunigung von Berufungsverfahren ist den Hochschulen volle Autonomie für die Berufung von Professoren zu geben.
Einheitliche Anerkennung akademischer Leistungen
Die föderale Struktur des Hochschulwesens in Deutschland erschwert wissenschaftliche Karrieren über Landesgrenzen hinweg. Wir fordern alle Verantwortlichen dazu auf, die gegenseitige Anerkennung akademischer Leistungen bundesweit sicherzustellen. Das gegenwärtige Nebeneinander von Habilitation und Juniorprofessur ist zugunsten einer attraktiven Juniorprofessur aufzugeben. Die rechtliche Stellung der Leiter von Nachwuchsgruppen, die durch ein offenes Auswahlverfahren entstanden sind, wie z. B. Emmy Noether-Gruppen der DFG und unabhängige Nachwuchsgruppen der MPG, ist denen der Juniorprofessoren anzugleichen.
Finanzielle Ausstattung
Herausragende Forschung hat ihren Preis. Wir sind uns bewusst, dass die öffentlichen Hochschulen in Deutschland finanziell nicht mit den am besten ausgestatteten Universitäten in Nordamerika konkurrieren können, welche zum Teil einen Jahresetat von mehreren Milliarden Euro haben. Gerade in Zeiten knapper öffentlicher Haushalte halten wir jedoch eine klare Prioritätensetzung für die Bereiche Bildung, Wissenschaft und Forschung auf Ebene der Länder, des Bundes und der Europäischen Union für unerlässlich, um Deutschland auch in Zukunft international wettbewerbsfähig zu halten. Ein entscheidender Schritt hierzu ist die zügige Umsetzung des finanziellen Ziels der Lissabon-Agenda, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf 3% des Bruttosozialprodukts zu erhöhen. Mit großer Sorge sehen wir die Bestrebungen einzelner Bundesländer, Hochschulen die zusätzlichen Einnahmen aus Studiengebühren durch gleichzeitige Kürzungen der Landeszuweisung wieder zu entziehen.
Wir sind leistungsbereit, leistungsfähig und begeistert für die Wissenschaft. Wir fühlen uns Deutschland verbunden, auch wenn wir derzeit im Ausland tätig sind. Wir sind bereit, mit unseren spezifischen Erfahrungen den Reformprozess der deutschen akademischen Landschaft mitzugestalten. Wir sind überzeugt davon, dass die Umsetzung der hier genannten Punkte viele von uns zu einer Rückkehr nach Deutschland bewegen würde. Wir rufen Sie als politisch und gesellschaftlich Verantwortliche auf, unsere Forderungen aufzugreifen und mit uns in Dialog zu treten. 
Quelle: http://www.zeit.de/online/2005/39/offener_brief 








> > Von: "Stefan Weber" <cyberwriter at utanet.at>
> > Datum: Wed, 19 Oct 2005 21:23:24 +0200
> > An: <Undisclosed-Recipient:;>
> > Betreff: Distanzierung von Mickey-Mouse-Forschung
> >
> > Sehr geehrte Damen und Herren!
> >
> > Als Lehrbeauftragter des Fachbereichs "Kommunikationswissenschaft" der
> > Universität Salzburg möchte ich mich in aller Schärfe von einem  
> > Vortrag von
> > Prof. Elisabeth Klaus distanzieren. Der Fachbereich lud heute zu einem
> > Lektoren-Welcome, in dessen Rahmen auch ein Punkt "Werkstattberichte:
> > Präsentation ausgewählter Forschungsprojekte" angekündigt war.  
> > Vorgestellt
> > wurde allerdings nur ein "Projekt".
> >
> > Prof. Klaus erzählte den rund 40 anwesenden Wissenschaftlern und
> > Medienpraktikern etwas über die ORF-Serie "Vier Frauen und ein  
> > Todesfall". Die
> > bloße Aufzählung von Charaktereigenschaften der dargestellten  
> > Figuren wurde
> > als "Inhaltsanalyse" bezeichnet. Zur Serie befragt wurden elf  
> > (zufällig
> > ausgewählte?) ÖsterreicherInnen. Das bloße Abspielen von O-Ton- 
> > Segmenten im
> > Idiom wurde "qualitatives Interview" genannt. Das Niveau unterbot jede
> > mediokre Proseminar-Leistung deutlich. Schon als Auftragsforschung  
> > ist die
> > Produktion derart trivialer "Forschungsergebnisse" unter  
> > Missachtung aller
> > Regeln der empirischen Sozialforschung m.E. nicht zu verantworten.  
> > Wenn solche
> > Dinge allerdings als Visitenkarte für einen universitären Fachbereich
> > herhalten müssen, dann muss endlich gehandelt werden.
> >
> > Ich halte es für unzumutbar, eine derartige Form der "Forschung" einer
> > Öffentlichkeit als "Werkstattbericht" eines Instituts zu  
> > präsentieren. Das
> > Niveau am Salzburger Fachbereich hat mit dieser Powerpoint-Show  
> > einen neuen
> > Tiefpunkt erreicht. Ich kann nur hoffen, dass es sich bei dem  
> > Vortrag in
> > Wahrheit um ein ethnomethodologisches Krisenexperiment handelte und  
> > ich nun
> > das Intendierte tue, wenn ich mich (erneut) an die scientific  
> > community wende.
> >
> > In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auch darüber informieren,  
> > dass Prof.
> > Paus-Hasebrink einem von mir nachweisbaren, konkreten Plagiatsfall,  
> > bei dem
> > sich ein Studierender seine Bakk-Arbeit dreist erschwindelt hat, nicht
> > nachgegangen ist und auf mein Insistieren per Mail mit Schweigen  
> > reagiert hat.
> > Ich hätte diesen Fall ohne das heutige erneute Unterbieten aller
> > wissenschaftlichen Standards allerdings nicht an die Öffentlichkeit  
> > getragen.
> >
> > Frau Prof. Klaus und Frau Prof. Paus-Hasebrink: Bitte nehmen Sie  
> > Ihren Hut!
> >
> > Ergeht an: LektorInnen und MitarbeiterInnen der KoWi Salzburg
> > Interessierte Medien und JournalistInnen
> > Adressensatz der DGPuK [sic! C.P.]
> >
> > Ich ersuche Sie, diese Information zu streuen, damit es zu einer  
> > öffentlichen
> > Diskussion über Qualität in der Forschung kommt.
> >
> 
> 
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