[rohrpost] Peripherie 3000, Dortmund, 21.-23. April 2006
Inke Arns
inke.arns at snafu.de
Don Apr 13 13:35:30 CEST 2006
Der Hartware MedienKunstVerein lädt ein zur Projektpräsentation:
Peripherie 3000 - Strategische Plattform für vernetzte Zentren
Dortmund, 21.-23. April 2006
http://www.peripherie3000.de
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde,
Essen wird mit dem Ruhrgebiet Kulturhauptstadt
Europas 2010 werden. Weshalb eigentlich? Die
Hauptsachen, so das Projekt Peripherie 3000 -
Plattform für vernetzte Zentren, passieren doch
gar nicht in den Hauptstädten, sondern längst
dort, wo Randlagen den Blick auf
gesellschaftliche und kulturelle Grundlagen
freigeben. Nicht das Zentrum, die Peripherie ist
ein produktiver Ort der Verunsicherung.
Zwei von relations initiierte Projekte, Zagreb -
Cultural Kapital of Europe 3000 und Peripherie
3000 aus Dortmund, haben gemeinsam mit weiteren
kulturellen Institutionen und Initiativen aus
Nordrhein-Westfalen und Zagreb über Strukturen
jenseits von Zentren diskutiert und stellen nun
in Dortmund die Ergebnisse vor:
Vom 21. bis 23. April 2006 werden
künstlerisch-urbane Interventionen sowie das
Kolloquium “What kind of cultural institutions do
we need? On the (political) effects of
structures" (in englischer Sprache) der
Öffentlichkeit präsentiert.
Umfangreiches Material zu Peripherie 3000 steht zum Download bereit unter:
http://www.projekt-relations.de/de/explore/peripherie3000/start.php
relations ist ein Initiativprojekt der
Kulturstiftung des Bundes, das neue Wege des
Kulturaustauschs zwischen Deutschland und den
Ländern des östlichen Europas sucht. relations
wird dort aktiv, wo kulturelle Akteure von
lokalen Problemstellungen ausgehend künstlerische
Projekte entwickeln, die in eigener und
eigenwilliger Weise gesellschaftlich relevante
Fragen aufgreifen und sich kritisch mit Gegenwart
und Vergangenheit auseinandersetzen.
* * * *
Erschienen in: read relations No. 4, Fruehjahr 2006
Bestellen Sie read relations unter relations at projekt-relations.de
Lob der Raender
Essen wird mit dem Ruhrgebiet Kulturhauptstadt
Europas 2010 werden. Weshalb eigentlich? Die
Hauptsachen, so das Projekt Peripherie 3000 -
Plattform fuer vernetzte Zentren, passieren doch
gar nicht in den Hauptstaedten, sondern laengst
dort, wo Randlagen den Blick auf
gesellschaftliche und kulturelle Grundlagen
freigeben. Nicht das Zentrum, die Peripherie ist
ein produktiver Ort der Verunsicherung.
Peripherie 3000 - Plattform fuer vernetzte
Zentren ist ein Projekt des Hartware
MedienKunstVerein Dortmund mit dem kroatischen
Netzwerk Zagreb - Cultural Kapital of Europe 3000
und relations, das im Ruhrgebiet Strukturen und
kulturelle Produktion jenseits von Zentren
untersucht.
Von Inke Arns
Im April 2006 wird Zagreb Cultural Kapital of
Europe 3000 (ZCK3000) zu Gast im Ruhrgebiet sein.
ZCK3000 ist ein heterogener Zusammenschluss von
urspruenglich vier, heute acht unabhaengigen
Zagreber Kulturinitiativen aus den Bereichen
bildende Kunst, Medienkunst/-theorie, kollektive
kuratorische Praxis, Softwareentwicklung,
Theater- und Performancekunst sowie von
Stadtplanern und Architekten, die seit etwas mehr
als zwei Jahren zusammen arbeiten. Anlass fuer
den Besuch ist das gemeinsam mit dem Hartware
MedienKunstVerein Dortmund und verschiedenen
kulturellen Institutionen und Initiativen aus
Nordrhein-Westfalen und relations entwickelte
Projekt Peripherie 3000 - Strategische Plattform
fuer vernetzte Zentren, das zeitgleich zur
Bekanntgabe der Entscheidung ueber die
Kulturhauptstadt Europas 2010 stattfindet. Essen
hat sich zusammen mit dem Ruhrgebiet um diesen
Titel beworben (und ist es Anfang der Woche
geworden).
Mit dem Titel “Kulturhauptstadt Europas" ist die
Hoffnung einer Aufwertung durch infrastrukturelle
Investitionen, Grossereignisse und daraus folgend
auf eine Steigerung der medialen Aufmerksamkeit
verbunden. Haben zu Beginn der
Kulturhauptstadttradition vor allem Hauptstaedte
diesen Titel getragen (z.B. Athen 1985, Amsterdam
1987, Berlin 1988, Paris 1989), sind es heute vor
allem ’Nicht-Hauptstaedte', Staedte in Randlagen
oder Staedte unter der Millionengrenze, die zu
Kulturhauptstaedten auserkoren werden (zuletzt
u.a. Graz 2003, Cork 2005). Kulturhauptstadt ist
dabei ein Label und ein Marketinginstrument, das
Staedte und Regionen jenseits der Hauptstaedte
aufwerten und attraktiv machen soll.
Waehrend sich die “3000" im Titel von Peripherie
3000 ganz offensichtlich auf Zagreb Cultural
Kapital of Europe 3000 bezieht, spielt der
Begriff der “Peripherie" mit dem Verstaendnis
einer (Kultur-)Hauptstadt als “Zentrum" und tritt
diesem Begriff selbstbewusst entgegen: Peripherie
als Ort der Raender und Ausfransungen, der den
Blick auf sich wandelnde gesellschaftliche und
kulturelle Grundlagen freigibt.
Das Ruhrgebiet - und darueber hinaus die Region
zwischen Dortmund und Rotterdam - besitzt eine
spezifische Netzwerkstruktur, die Rem Koolhaas
als “Eurocore" bezeichnet hat. Hier, in einem
poly- bzw. nonzentrischen urbanen Netzwerk, das
sich aus Knotenpunkten von unter einer Million
EinwohnerInnen zusammensetzt, leben zehn Prozent
der gesamten europaeischen Bevoelkerung. Dieses
“Eurocore" besteht aus kontinuierlichen
Uebergangen zwischen urbanen und nicht-urbanen
Gegenden. Hier von einem Zentrum zu sprechen,
hiesse die Eigenart und die ganz eigene Qualitaet
dieser spezifischen Struktur zu verkennen: “the
edge is everywhere", wie das Dortmunder Projekt
orange.edge es formuliert.
Peripherie 3000 nimmt diese permanente "Randlage"
als positives und produktives Vehikel an und
macht sie zum Ausgangspunkt fuer ein Nachdenken
ueber Strukturen jenseits von Zentren. Dabei geht
es um eine fundamentale Umwertung des Begriffs
“Peripherie": Er steht hier nicht als negativer
Begriff, als Bezeichnung von etwas
Nebensaechlichem oder Unwichtigem, sondern fuer
einen Ort grundsaetzlicher Verunsicherung
binaerer Oppositionen, an die man sich so sehr
gewoehnt hat, dass man sie nicht mehr wahrnimmt.
Waehrend eines ersten Treffens der Gruppen aus
Zagreb und Nordrhein-Westfalen im Dezember 2005
in Dortmund, dem ein Zagreb-Besuch im September
vorausgegangen war, wurden erste gemeinsame
Themenfelder diskutiert. Sie alle sind
ortspezifisch und weisen gleichzeitig ueber den
lokalen Kontext des Ruhrgebiets hinaus, wie schon
die Arbeitstitel zeigen: "Das Verschwinden von
Arbeit und die Transformation des Arbeitsbegriffs
- Vom Industriezeitalter ins
Informationszeitalter"; "Von der
Gastarbeiterkultur der 1960er Jahre zu neuen
Einwanderergemeinschaften"; "Der “alte Westen"
als “neuer Osten": Strukturwandel in den alten
versus Strukturbruch in den neuen Bundeslaendern"
und schliesslich "Peripherie 3000 - Off Center:
Finden wir in den Zentren noch, was wir suchen?"
Bis Januar 2006 wurden vier gemeinsame Projekte
von Gruppen unterschiedlicher Disziplinen aus NRW
und Zagreb zu diesen Themen entwickelt. Im April
werden sie in Form von kuenstlerisch-urbanen
Interventionen und einem Kolloquium der
Oeffentlichkeit vorgestellt werden. Das
Kolloquium widmet sich vor allem der Frage,
welche Arten von Institutionen kulturelle
Produktion heute braucht und was fuer Qualitaeten
durch bestimmte institutionelle bzw.
organisatorische Strukturen produziert werden.
Ist eine grosse zentrale Struktur per se durch
Hierarchie, Undurchlaessigkeit und
Unbeweglichkeit gekennzeichnet, waehrend kleinere
Einheiten sich durch gegenteilige Eigenschaften
auszeichnen? Wie koennen langfristig angelegte
Strukturen im Kontext einer zunehmend auf
Projektfoerderung basierten Kulturarbeit erhalten
werden? Das Verhaeltnis von unabhaengiger und
institutionalisierter Kultur soll insbesondere im
Kontext der fortschreitenden Globalisierung und
der in diesem Rahmen stattfindenden
institutionellen Transformationen untersucht
werden. Eroeffnet wird das Kolloquium am Vorabend
durch den “Klub Peripherie 3000", der
theoretische, philosophische und kuenstlerische
Statements sowohl auf der Website als auch vor
Ort zum Thema Peripherie versammelt.
Neben dem Kolloquium werden folgende Projekte
praesentiert: “Discovering Zagreb (via
Dortmund)", eine Exkursion in den Zagreber
Stadtraum entlang Dortmunder Stadtbilder von
stadtraum.org (Andrea Knobloch, Markus Ambach,
Duesseldorf), “The local transformation of global
standards - a phenomenology", eine Untersuchung
des Tankstellenphaenomens im Ruhrgebiet als
Kooperation von orange.edge (Stefanie Bremer,
Henrik Sander, Dortmund) und platforma 91,8
(Damir Blazevic, Marko Sancanin, Zagreb) sowie
ein Performanceabend mit k.o. (Zagreb) und dem
Trio experimenteller Musik Pajo & Labosh & MariOK
(Zagreb) als Projekt von MeX (Dortmund),
Multimedia Institute mi2 (Zagreb) und Center for
Drama Arts CDU (Zagreb).
Zentrales Element des Projektes Peripherie 3000 -
Strategische Plattform fuer vernetzte Zentren ist
der wechselseitige Austausch. ZCK3000 hat sich
ueber zwei Jahre intensiv mit dem Verhaeltnis von
unabhaengiger Kultur und Institutionen befasst -
und zwar unter den verschaerften Bedingungen
einer sogenannten “Normalisierung", d.h. eines
durch den zunehmenden Globalisierungsdruck
beschleunigten Uebergangs zum Neoliberalismus.
Diese Entwicklungen, die in Kroatien (einem Land,
in dem innerhalb von nur 15 Jahren ein
sozialistisches von einem marktwirtschaftlichen
System abgeloest wurde) sehr deutlich zu spueren
sind, stehen im ehemaligen Westen noch aus, bzw.
sie sind um vieles langsamer und vollziehen sich
sozial abgefederter als im oestlichen Europa. In
diesem Sinne sind die Mitglieder von ZCK3000
Experten, die moeglicherweise schon Strategien
des Umgangs mit einer beschleunigten
Transformation entwickelt haben.
--
Hartware MedienKunstVerein
Guentherstrasse 65 * D-44143 Dortmund
T ++49 (231) 823 106
F ++49 (231) 882 02 40
info at hmkv.de
http://www.hmkv.de
http://www.peripherie3000.de