[rohrpost] Call for papers für die Tagung: Mediale Codierungen des Sports

Guido Brombach guido.brombach at hattingen.dgb-bildungswerk.de
Mit Aug 9 11:25:21 CEST 2006


KONZEPTION:
Das Phänomen "Sport" ist ohne massenmediale Vermittlungsinstanzen nicht
zu denken. Dies gilt umso mehr für jene Sportarten, die durch
regelmäßige -- auch globale -- "Events" (Ligen, Meisterschaften, Turniere)
ein sich verlässlich wiederholendes und zugleich sukzessive
entwickelndes Geschehen für mediale Berichterstattung inszenieren. Was
Sport ist, wie er verstanden wird und/oder werden soll, wird somit vor
allem in medialen Präsentationsformen ausgehandelt, die ökonomisch und
kulturell eine zentrale Stellung in der gegenwärtigen Gesellschaft und
ihrem Mediensystem einnehmen.
Während dieser Mediensport auf der einen Seite durch spezifische
Darstellungsformen, ausdifferenzierte Codes und Regelhaftigkeiten sowie
eine oftmals klare räumliche und temporale Abgrenzung als ein
gesellschaftlicher Sonderbereich definiert ist, bildet er auf der
anderen Seite ,eine' zentrale Schnittstelle zwischen sportlichem
Geschehen, medialen Verfahren und umfassenderen kulturellen Diskursen
und funktioniert somit als ein spezifischer Ort der Vergesellschaftung.
Im Mediensport werden zeitliche Strukturen und Wissensformen einer
Gesellschaft geprägt, Symbole und Modelle für Zugehörigkeit und
Ausgrenzung, für Freundschaft und Feindschaft inszeniert und spezifische
Modi der Sichtbarkeit und Sagbarkeit etabliert.
Insofern die Institutionen und Diskurse des Mediensports -- der
Vereinssport ebenso wie die übertragenden Medienorganisationen -- fast
durchgängig regional und national verankert sind, wird eine kulturelle
Verortung von "Sport" innerhalb medial adressierter Öffentlichkeiten
gestützt. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass der Mediensport von
gesellschaftskonstitutiven Konzepten wie ,Nation', ,Rasse',
,Geschlecht', ,Klasse' u.a. durchdrungen ist, die er aus umfassenderen
Diskursen aufgreift und gemäß seiner eigenen Regelhaftigkeiten
weiterverarbeitet, umformt und mit seinen spezifischen Varianten und
Plausibilitäten anreichert. Die Großkonzepte ,Nation', ,Rasse',
,Geschlecht', ,Klasse' werden dabei gerade im Blick auf den Mediensport
als zwar vermeintlich unumgängliche, zugleich aber relationale und
dynamische (nicht-essentialistische) Kategorien einsichtig, die immer in
Bezug auf ein selbst Variables "Außen" oder "Anderes" Gestalt erhalten.
Das Wechselverhältnis zwischen Sport, öffentlicher Kommunikation,
medialer Vermittlung und Vergesellschaftung mit einem besonderen Fokus
auf Verfahren von Inklusion und Exklusion, von Vergemeinschaftung und
rassistischer Zuschreibung genauer in Augenschein zu nehmen und zu
diskutieren ist der Grundgedanke der geplanten Tagung. Besonderes
Augenmerk wird auf die massenmedial präsenten, professionalisierten
Sportarten gerichtet, wobei andere Formen des Sports wie Breitensport,
Fitnessbewegung, Randsportarten wie Poker und Billard, Showsport wie
Wrestling usw. nicht im Zentrum der Diskussion stehen sollen, aber als
Vergleichsebene durchaus ihren Platz haben.
Zu fragen ist dabei, was den Mediensport als einen gesellschaftlichen
wie medialen Sonderbereich ausmacht, welche kulturellen
Darstellungsformen (Narration, Spiel, Ritual etc.) und welche Praktiken
und Wissensformen (Medizin, Statistik etc.) er verarbeitet und für die
Darstellung (und Bewertung) von Gesellschaften und Individuen, von
Kulturen und Verhaltensweisen fruchtbar macht.

BEITRÄGE ZU FOLGENDEN FRAGESTELLUNGEN:
Körper / Physiologie
Sport definiert sich stark über Körper, Körperlichkeit und
Zuschreibungen bestimmter Fähigkeiten, die eine Sportart erfordert bzw.
fördert. Körper sind aber auch der Ort von rassistischen und
geschlechtlichen Codierungen. Diese Zuschreibungsprozesse gilt es
hinsichtlich ihrer medialen Verfahren und ihrer historischen Bedingtheit
zu analysieren: Wie kommt es zur Konzeption einer "weißen" oder
"schwarzen" Sportart in unterschiedlichen nationalen Settings? Welche
Rolle spielen dabei die Verzahnung von Klasse, Rasse und Geschlecht?
Daran schließen sich Fragen nach der Diskursivierung (und
Visualisierung) des Körpers  in der Trainingswissenschaft, der
Sportmedizin und - zum Teil daran anknüpfend - den Massenmedien an. Die
Nähe zu rassistischen Diskursen ist augenfällig und bildet einen
wichtigen Bezugspunkt in dem Themenkomplex.

Nation / Identität
Sport ist ein Bereich, der sich aufgrund seines antagonistischen
Charakters für identifikatorische Praktiken anbietet und im körperlichen
Wettstreit das Eigene und das Andere klar zu trennen vorgibt. Das
Abrufen nationaler und patriotischer Mechanismen und Reflexe gehört auch
zu den wichtigen Elementen massenmedialer Vermittlung sportlicher
Ereignisse. Basieren hierauf die Erfolge und gegebenenfalls Misserfolge
der Medialisierung von Sportarten? Welche kompensatorischen
Möglichkeiten sind vorhanden, falls die "nationale Karte" versagt oder
nicht gespielt werden kann? Können popkulturelle Formen und Starkult als
solche Möglichkeit aufgefasst und systematisiert werden? Wie lassen sich
Kriterien oder Bestimmungsgründe für die "Nationalisierung" bzw.
"Individualisierung" einer Sportart fassen?

Ökonomie / Individualisierung
Die parallele Professionalisierung und Globalisierung von Mediensystemen
und Sportorganisationen verändert das Verhältnis zwischen adressierter
Öffentlichkeit, Individualität der Sportler und symbolischen
Kollektiven. Schaffen ökonomische Faktoren nicht stärkere
Identifikationen -- wie z.B. im Wetten? Einerseits ist die Frage nach dem
Sieger bei einem Sportereignis für diejenigen, die eine Wette eingehen,
entscheidender als dessen/deren Nationalität oder ethnische Zuordnung,
andererseits unterliegt dem Mediensport insgesamt eine ökonomisierte
Struktur, die im Grunde genommen als eine unternehmerische Wette auf den
Erfolg einer Sportart angesehen werden kann. Unter diesen Aspekten
stellt sich auch die Frage, welche Kriterien die internationalen
Sportverbände (IOC, FIFA, UCI usw.) für die Zulassung oder Anerkennung
von Sportarten und nationalen Verbänden anlegen, damit diese auf einer
potenziell weltweiten Bühne sichtbar werden können.

Global / lokal
Fragen der Identifikation und der Ökonomie stellen sich kaum allein in
einem globalen Maßstab. Der medialisierte Sport ist auch lokal verankert
und baut auf vermeintlich regionale Charakteristika von Vereinen,
Sportlern, aber auch Sportarten. Dabei nimmt er gesellschaftliche
Funktionen wahr, die sich als gleichermaßen differenzierende wie
integrative, kulturdefinierende Funktionen betrachten lassen. Zu fragen
wäre also beispielsweise nach den Rückwirkungen bzw. Austauschprozessen
zwischen Mikro-, Meso- und Makroebene. Ein Ansatzpunkt hierfür könnten
Debatten über die Authentizität des Sports und seine mediale
Verfälschung bilden. Hier wären auch die Austauschprozesse zu verfolgen,
in denen eine Überformung anderer gesellschaftlicher Bereiche durch
Praktiken und Semantiken des Mediensports erfolgt, und die ebenfalls zur
Bedeutung des Phänomens Sport für die Realisierung gesellschaftlicher
Inklusion und Exklusion beitragen.

VERANSTALTER:
Kulturwissenschaftliches Forschungskolleg
"Medien und kulturelle Kommunikation" und
das Forum politische Bildung

VERANSTALTUNGSTERMIN:
26.01. - 28.01.2007

ABSTRACTS:
Umfang von höchstens einer Seite (2500 Zeichen) bis zum 30. September
2006 an jens.jaeger at uni-koeln.de

-- Guido Brombach Leiter der Themengruppe Computer und Medien Forum
politische Bildung DGB Bildungswerk e.V. Am Homberg 46-50 D-45529
Hattingen fon +49.2324.508-204 fax +49.2324.508-430 ------- mail
guido.brombach at hattingen.dgb-bildungswerk.de
http://www.forum-politische-bildung.de
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Guido Brombach	
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