[rohrpost] Tagung: Was ist ein Medium? - Vorträge online
Harald Hillgärtner
hillgaertner at tfm.uni-frankfurt.de
Fre Mar 3 03:22:49 CET 2006
Hallo Florian,
nun ist ja schon länger klar, dass du wenig vom Medienbegriff hältst, aber
eine Sache ist mir nie klar geworden: Was wäre gewonnen, wenn man versucht,
den Begriff zu "vermeiden"?
> Mögliche Wege aus dem Dilemma zwischen umgangssprachlichen und
> technischen Medienbegriffen:
>
> * Man betrachtet "Medien" als das, was gemeinhin als solche
> bezeichnet wird: als diskursive Formation und kulturhistorisches
> Epochenphänomen, das z.B. mit der Dotcom-Spekulationsblase oder dem
> aktuellen Hype ums "Web 2.0" für unsere Zeit ähnlich signifikant ist
> wie etwa der Diskurs der "Kybernetik" für die 1960er Jahre. Dies
> impliziert eine analytische Distanz gegenüber dem Begriff, sowie die
> Annahme, daß er nicht struktural definierbar ist und sich einmal
> überleben könnte.
Eben dieses nicht-definierbare halte ich hingegen für außerordentlich
fruchtbar. Ohne auf Winklers Vortrag ausführlicher eingehen zu wollen,
handelt er doch weit gehend von der These von den Medien als dem Raum für ein
Probehandeln, so beginnt er seinen Vortrag doch mit einem Plädoyer,
Definitionen als das Umreisen von Problemstellungen zu begreifen. Mit einer
Definition benennt man, worüber man sprechen will. Das heißt, dass es die
"eine", die alles klärende Definiton nicht gibt, nicht geben kann. Und dies
gilt nicht bloß für den Medienbegriff, sondern für viele Begriffe, so unter
anderem auch für die von dir unten genannten Begriffe "Information" und
"Technik" (bei beiden gibt es sehr wohl ein alltagsprachliches Verständnis,
das sich über Definitionen zwar aus der Reflektion ausscheiden aber nicht aus
der Welt schaffen lässt) bzw. "Symbole" (da reicht die Spanne bis hin zu
"symbolischen Formen" als epistemologischer Kategorie) und "Apparate" (sind
das nur die technischen Vorrichtungen, oder auch die Übertragungskanäle oder
gar die gesamten Institutionen, die etwa am Apparat "Fernsehen" mit dran
hängen?).
Definitionen funktionieren über einen Ausschluss und benennen dabei eben auch,
worüber man nicht sprechen will, was aber nicht heißt, dass man darüber nicht
in einem anderen Kontext mit einer anderen Definition aber unter demselben
Begriff sehr wohl zu ebenso legitimen Ergebnissen kommen kann.
Anders formuliert (und du sagst es selber): Ganz und gar technische
Definitonen des Medienbegriffes etwa als "Übertragungskanal" sind
kulturwissenschaftlich wenig fruchtbar. Gibt man sich weitergehende
Definitionen, dann handelt man sich Scherereien ein, die aber fruchtbar zu
machen sind.
> * Man verzichtet auf den Begriff "Medien" wegen seiner Unschärfe
> und problematischen Implikationen und spricht sowohl genauer,
> als auch umfassender von Informationstechnik oder symbolischen
> Apparaten. Gegenstand wissenschaftlicher, künstlerischer,
> aktivistischer Arbeit wäre dann zu reflektieren, wie sich
> Information und Technik, Symbole und Apparate zueinander
> verhalten, und welches ihre physikalisch-materiellen, politischen,
> intellektuellen, künstlerischen, ökonomischen Bedingungen sind.
Ja, und hier komme ich zu meiner eigentlichen Frage zurück: Was um alles in
der Welt wäre mit einer Rede von "symbolischen Apparaten" gewonnen? Was wäre
hieran genauer oder umfassender als der Medienbegriff?
> Beide Lösungswege, "Medien" lediglich als zeithistorischen Begriff
> zu betrachten und im analytischen Sprachgebrauch andere Begriffe zu
> verwenden, schließen einander nicht aus.
So ist es, aber genauso wenig schließt es sich aus, den Medienbegriff und
analoge Begriffe zu verwenden, vorausgesetzt, man sagt, was man damit meint.
Nichts andere meint doch die Rede vom "analytischen Sprachgebrauch", oder.
Viele Grüße,
Harald.