[rohrpost] Re: HEUTE Wizards of ARS(e)! Opening RAUM [][][]

Florian Cramer fc-rohrpost at plaintext.cc
Son Okt 1 12:51:48 CEST 2006


Am Sonntag, 01. Oktober 2006 um 00:35:43 Uhr (+0200) schrieb Matze Schmidt:
> hass-attituede als klaerung zum vorschein. analyse und dezidierte kritik
> ist ja nicht die 'sache', dafuer haben die leute naemlich gar keine
> zeit, weil alle jobben muessen oder die selbst-verwaltung nach anleitung
> und auf befehl der "agentur fuer arbeit" zu erfuellen haben.

Dazu nur mal die private Anmerkung, daß meine Mitarbeit an der WOS3 im
Jahr 2004 auch nur auf "Subventionsbasis" besagter Agentur lief. Was Ihr
über vermeintliche "Medienmacher" schreibt, die sich "Jobs" zuschieben, 
basiert auf völlig naiven, weltfremden Annahmen.

> dd
> ich erinnere als anregung nur an die naive und schon damals neo-liberal
> anmutende "analyse" von dirk baecker, der in dem merve-buechlein _Im
> Netz der Systeme_, herausgebracht nach der ARS ELECTRONICA 1989, doch
> sehr aalglatt behauptete: netze (und hier sind vor allem die damals sehr
> neuen mediennetze, sprich computernetze gemeint) koennten nicht mehr
> als hierarchien, sondern nurmehr - gut foucaultisch - als heterearchien
> beschrieben werden.
> das ist, wenn man so will, die systemtheoretistische (achtung! luhmann-
> meisterschueler) variante des rhizoms.

Ja? Und? Was hat das mit den "Wizards of OS" zu tun?  Zumal es von einem
Theoretiker kommt, der Microsoft eine (hier in der rohrpost diskutierte)
Gefälligkeitsstudie über "geistiges Eigentum" im Internet geschrieben
hat?

Außerdem ist diese Analyse der ars electronica auf dem Stand von 1989.
Seit der ae im Jahr 2001 mit dem Motto "Takeover" operiert das Festival
vielmehr mit der Annahme, daß die interessante elektronische Kunst und
Kultur der Gegenwart aus Werbeagenturen, Dotcoms und industrienahen
Forschungslaboren statt aus klassischen Kunst- oder Aktivistenmilieus
kommt. Das ist eine weitaus radikalere Position, als sie Deine Kritik
erfaßt.

> bei der betrachtung des amts fuer propaganda der brd-regierung,
> division medienmache, zustaendig fuer freie software und dunkles
> fiberglas, mit sitz in der hauptstadt (bundeszentrale fuer
> politische bildung) wird dann aber schnell klar, dass die knoten der
> netze vor allem gesellschaftliche sind. 

Die Publikation zweier Bücher (Volker Grassmucks Buch über freie
Software und Geert Lovinks "Dark Fiber) durch die Bundeszentrale kann man
in der Tat merkwürdig finden. Sie ist aber letztlich nichts anderes als
jede öffentliche Subvention von Kunst und akademischer Forschung, die
natürlich stets Ausdruck eines staatlichen Interesses ist. 

> was die 'kanaele' angeht, also
> alles was auf den linien zwischen den zwischenraeumen, die das netz 
> mit-konstituieren, so laeuft, so kommen diese sog. inhalte wie es
> scheint erst nacherhand. geldfluss = netzwerken, das ist der, wenn auch
> billige, aber immerhin moralische anwurf der wizards of ars(e).

Dies gilt aber nicht minder für Arbeitslosengeld, das eine genauso
interessegeleitete staatliche Subvention ist, und somit dem
moralischen Anwurf den Boden entzieht. Von einer wirklich autonomen
Praxis wie z.B. in der italienischen Gegenkultur mit ihren hausbesetzten
Kulturzentren ist das noch weit entfernt und mutet wie ein Beitrag zu
jener Berliner Mythenproduktion an, die von "illegalen Clubs" raunt,
wenn sie Gastronomiebetriebe ohne Schanklizenz meint, die in
zwischengenutzten Räumen mit ausgestellter Patina betrieben werden - auf
daß internationale Berlinbesucher irrig von der örtlichen "squatter
culture" schwärmen, ohne zu wissen, daß man sich schlicht in "off
license"-Betrieben amüsiert hat, wie sie z.B. in London an jeder
Straßenecke ausgeschildert sind.

-F

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