[rohrpost] Lesen Lernen, Oktober 2007
Krystian Woznicki
kw at berlinergazette.de
Die Okt 2 09:09:26 CEST 2007
Guten Tag,
erinnern Sie sich noch, damals, als Sie klein waren, und alles so langsam
voranging? Sie lernten nach und nach das ABC des Lebens: Gehen, Schwimmen, Lesen.
Manche waren langsamer als Sie, andere schneller. Lang ist's her. Im
Erwachsenenalter geraet vor allem eines in Vergessenheit: Man lernt nie aus. Das
betrifft insbesondere das Lesen.
Auch heute ist Geschwindigkeit ein Faktor. Immer schneller wechseln die Textsorten,
immer rascher muss man seine Sehorgane adjustieren: Werbe-Slogan, Amtsschreiben,
Zeitungsglosse, Poesie, Geschaeftsbrief, Kochbuch, Philosophie, Rundmail,
persoenliche SMS, Roman, uvm.
Immer schneller verschwinden jedoch auch literarische, philosophische,
wissenschaftliche und journalistische Texte aus dem Rampenlichtlicht, die als nicht
lesbar bzw. lesenswert erachtet werden - zumindest nicht fuer die breite
Oeffentlichkeit.
Die Leseindustrie zimmert das Wahrnehmungsfenster immer kleiner. Immer
standardisierter muss das ausfallen, was alle gleichermassen bequem lesen koennen.
Das bedeutet: >Tschuess< fuer Textsorten, die zwischen den Stuehlen sitzen, die
unbequem sind, die erstmal erobert werden muessen.
Wenn sich die Berliner Gazette im Umfeld der Frankfurter Buchmesse dem Thema
>Lesen< zuwendet, dann nicht zuletzt deshalb: Wir wollen uns gemeinsam mit Ihnen
zurueckversetzen in >unsere< Kindheit, um allen Lesestoffen mit der entsprechenden
Neugier zu begegnen und an die Lernfaehigkeit aller zu appellieren. Neue Texte sind
immer auch ein bisschen wie Fremdsprachen - wir muessen sie uns aneignen!
Unter besonderer Beruecksichtigung vermeintlicher Beschleunigungszwaenge hatten
sich in den Zeitgeist-Protokollen bereits Bernd Hueppauf, Yoko Tawada, Marcus
Steinweg und Joerg Sundermeier mit diesem Thema beschaeftigt:
http://www.berlinergazette.de/index.php?pagePos=10
Im Logbuch der Berliner Gazette wollen wir das Ganze nun vertiefen. Achtung, auch
hier haben wir schon ein bisschen vorgearbeitet! Hier der Link zum Dossier:
http://www.berlinergazette.de/?cat=14
Bleiben Sie dran!
Die Redaktion
info[at]berlinergazette.de