[rohrpost] [Fwd: Und es gibt sie doch]

Mirko Fichtner macro at c-base.org
Don Mar 13 10:58:47 CET 2008


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Ich leite im Auftrag von Inke an die Rohrpost weiter ...


Date: Thu, 13 Mar 2008 09:58:27 +0100
To: rohrpost at mikrolisten.de
From: Inke Arns <inke.arns at hmkv.de>
Subject: Und es gibt sie doch


Hier noch ein - zugegebenermassen recht spaeter -
Beitrag zur Diskussion um die Medienkunst ;-)
Danke an alle fuer die Anregungen!

Viele Gruesse, Inke



* * *

- -- erscheint Anfang April 2008 in: "Hartware
MedienKunstVerein 1996 - 2008", hg. v. HMKV
(Susanne Ackers, Inke Arns, Hans D. Christ, Iris
Dressler), Druckverlag Kettler, Boenen 2008 --


Inke Arns

Und es gibt sie doch
Ueber die Zeitgenossenschaft der medialen Kuenste

Wer Medienkunst heute noch mit spektakulaeren
Virtual Reality Installationen gleichsetzt, wie
dies 2007 zuletzt die Berliner Ausstellung Vom
Funken zum Pixel oder Anfang 2008 der Polemiker
Stefan Heidenreich in der Frankfurter Allgemeinen
Sonntagszeitung (1) getan haben, hat entweder
nicht genau hingesehen und die Diskussionen der
letzten Jahre  nicht verfolgt oder ist unwillens,
den Paradigmenwechsel wahrzunehmen, der sich im
letzten Jahrzehnt vollzogen hat. (2) Man moechte
weder dem Kurator des Einen noch dem Autor des
Anderen das Eine oder das Andere unterstellen.

In der Tat, die interaktive, immersive und
technisch aufwaendige Medienkunst der 1990er
Jahre, die spitzzuengige Polemiker gerne als
“ZKM"-Kunst bezeichneten und der teils zu Recht
vorgeworfen wurde, dass sie die Medienkunst zu
reiner Interface-Entwicklung degradiere, gibt es
heute in dieser Form nicht mehr - und das ist
auch gut so. Allerdings war diese Form von
Medienkunst auch nie metonymisch gleichzusetzen
mit “der" Medienkunst. Hierbei handelte es sich
vielmehr um einen rhetorischen Kniff der
Kritiker, der dazu diente, das gesamte Feld
medienkuenstlerischer Praktiken pauschal zu
diskreditieren. So sicherte man die eigene
Diskurshoheit und konnte auf recht durchschaubare
Weise - naemlich durch simples Verschweigen -
einer Auseinandersetzung mit den wirklich
spannenden Formen von Medienkunst aus dem Weg
gehen. Oder war es intellektuelle Faulheit? Man
weiss es nicht so genau. Aergerlich bleibt es auf
jeden Fall - und ein Armutszeugnis fuer die
zeitgenoessische Kunstkritik in Deutschland, die
es bis heute nur selten geschafft hat,
ernstzunehmende Positionen zur Medienkunst
jenseits der Polemik zu entwickeln.

Dass es dabei gerade die anderen Formen von
Medienkunst waren, die parallel zur
technoutopischen und -affirmativen interaktiven
Medienkunst der 1990er Jahre die wirklich
interessanten Projekte und Formate hervorgebracht
haben, wurde so uebersehen. Dabei sind es vor
allem die fruehen Formen der Netzkunst ab
1993/1994, die so genannte Softwarekunst ab
Anfang dieses Jahrzehnts sowie neue Arten und
Formate medialer Performances und des
postdramatischen Theaters, auf denen die
gegenwaertigen spannenden Entwicklungen in diesem
Bereich beruhen.

Medienkunst umfasst heute ein weites Feld von
Techniken, Strategien und Praxen, bei denen die
technischen Medien selbst oft in den Hintergrund
treten. (Neue) Medien und Technologien sind
heutzutage alltaeglich und ubiquitaer geworden.
Sie sind zunehmend in alle Lebensbereiche
eingedrungen und sitzen heute bereits an den
unscheinbarsten Stellen - man denke nur an
Bankautomaten, RFID-Chips auf Krankenkassenkarten
und in Reisepaessen, oder an Verwaltungssoftware
und Datenbanken, die fuer die ’Kunden' unsichtbar
bleiben, aber die Arbeit des jeweiligen
Sachbearbeiters entsprechend vorstrukturieren.
Analog zu dieser ubiquitaeren Ausbreitung und
Praesenz hat sich auch die Medienkunst erweitert.
Sie schaut an alle diese alltaeglichen, oft
uebersehenen und doch so wichtigen - weil medial
und technologisch erweiterten - Stellen und
fokussiert unsere Aufmerksamkeit darauf. Eine
solche Medienkunst tut dies nicht auf
spektakulaere Weise und ist selbst oft auch gar
nicht zwingend digital, denn es sind nicht die
(Medien-)Technologien an sich, die im Vordergrund
stehen, sondern ihre Wirkungsweisen auf unser
Verhalten. Diese Art von erweiterter, manchmal
fast beilaeufiger Medienkunst verzichtet mitunter
gar auf den Einsatz technischer Medien und
behaelt sich stattdessen fuer die Bewusstmachung
der Rolle von Medien in unserem Alltag (und
gegebenenfalls die Formulierung von Alternativen)
die freie Wahl der Mittel vor. Die Medienkunst
beginnt so, sich vom Zwang der Verwendung neuer
Medien und neuer Technologien zu emanzipieren.
Die Kunst unter postmedialen Bedingungen (3)
loest sich von der Beschaeftigung mit ihrer
eigenen Materialitaet und wendet sich den
vielfaeltigen Formen von gegenwaertiger,
ubiquitaerer Medialitaet zu.

Der spanische Kuenstler Daniel Garcia Andujar
entwickelte vor genau zehn Jahren eine Arbeit,
die sich mit der zunehmenden Privatisierung und
Kommodifizierung von Sprache auseinandersetzt.
Auf einer simplen HTML-Seite listet er Saetze
auf, die eingetragene Warenzeichen und damit
Eigentum ihrer jeweiligen Besitzer  sind, wie
z.B. “Where do you want to go today?TM"
(Microsoft), “A better return on informationTM"
(SAP), “What you never thought possibleTM"
(Motorola). Indem Andujar dieses Projekt mit
“Remember, language is not freeTM" betitelt,
nimmt er die in den darauf folgenden Jahren
einsetzenden Auseinandersetzungen um “geistiges
Eigentum" vorweg, die sich Mitte der 1990er
Jahren in erbitterten Verteilungskaempfen um
Domainnamen im World Wide Web abzuzeichnen
begannen. (4)

Das makrolab des slowenischen Medienkuenstlers
Marko Peljhan wurde erstmals zur documenta X 1997
in Kassel aufgebaut, operierte Anfang 2000 an der
Westkueste Australiens, im Fruehsommer 2002 in
Schottland, dann an der Westkueste der
Vereinigten Staaten und von Juni bis Dezember
2003 auf der Insel Campalto bei Venedig. Beim
makrolab handelt es sich um eine autonome
Forschungs-, Arbeits- und Wohneinheit, die mit
Hilfe von allerlei technischem Geraet die
Topographie der Signale im gesamten
elektromagnetischen Spektrum kartografiert - als
eine Art privates ECHELON-System: Das Labor ist
ausgeruestet mit Sende- und Empfangsantennen, die
verschiedene Signalbereiche erfassen und dort
zirkulierende Datenstroeme (private
Telefongespraeche, satellitengesteuerte
Navigationssysteme und militaerische und
wirtschaftliche Kommunikation) aufzeichnen
koennen. Das makrolab, das als zehnjaehriges
Forschungsprojekt konzipiert wurde, wird abseits
grosser Staedte oder Ausstellungen an moeglichst
abgelegenen Orten aufgebaut und soll 2008
permanent in der Antarktis installiert werden.

Anfang Juli 2006 fuhren zwei bulgarische
LKW-Fahrer in einem umgebauten Lastwagen 47
Zuschauer durch ein dichtes Netz von
Autobahnraststaetten, Verladerampen,
Containerhafen und Lagerhallen im Ruhrgebiet.
“Cargo Sofia ist ein Modell Europas, eine Zelle
der Globalisierung, in der die Zuschauer zu
Voyeuren der alleralltaeglichsten Perspektive des
Fernverkehrs werden [...]. Auf einem umgebauten
Lastwagen mit transparent verglaster Laengsseite
fahren [die] Zuschauer durch die
nordrhein-westfaelische Landschaft aus Produktion
und Konsum. [...] Zu diesen
Ready-Made-Buehnenbildern des Transits fuegen
sich suedosteuropaeische Biographien aus dem
Fuehrerstand, Dialoge mit Essener
Autobahnpolizisten und Duisburger
Containerspediteuren, Balkanmusik und
Motoren-Grooves." (5) Das Projekt von Stefan
Kaegi, Mitglied der schweizer-deutschen
Performancegruppe Rimini Protokoll, ist eine
Mischung aus Theater, Performance und
multimedialer Auffuehrung und erlaubt so zwischen
inszenierter Realitaet und alltaeglicher Fiktion
einen neuen Blick auf den (un)gewoehnlichen
Alltag der Globalisierung. Cargo Sofia faehrt als
aufmerksam beobachtende Zelle durch eine sich
durch transnationalen Warenverkehr veraendernde
Landschaft der Globalisierung. Videoeinspielungen
im Innenraum des LKW legen sich ueber die
Realitaet, schaffen und verweisen auf einen
’augmented space'. (6) In diesem ist der mit
Global Positioning System (GPS) ausgestattete LKW
von Anfang an praesent, sichtbar auf den
Monitoren der Speditionszentrale.

Der britische Kuenstler Heath Bunting
interessiert sich fuer die Herstellung von
Kommunikation und die Schaffung sozialer Kontexte
und Verbindungen von virtuellem und physischem
Raum. Waehrend Bunting in den 1980er Jahren
mittels Graffiti psycho-geographische
Interventionen in urbane Raeume vollzog, sich im
Kontext von Fax- und Mail Art und Londoner
Piratenradios engagierte, wurde er in der 1990er
Jahren zu einem der exponiertesten Vertreter der
so genannten “net.art", einer informellen Gruppe
vorrangig europaeischer NetzkuenstlerInnen, die
dem Mitte der 1990er Jahre einsetzenden
Internethype kritisch gegenueberstanden. Zwischen
1994 und 1997 entwickelte Bunting kuenstlerische
Projekte vorwiegend im Internet. Er war in dieser
Zeit einer der profiliertesten Netzkuenstler und
einer der ersten, die sich aus der Netzkunst
wieder zurueckzogen. Seitdem erkundet er
Reiserouten fuer die unkontrollierte Ueberwindung
europaeischer Staatsgrenzen. Das von der Tate
Modern London in Auftrag gegebene
Internet-Projekt BorderXing Guide (2001)
dokumentiert die illegalen Grenzuebertritte
innerhalb und ausserhalb Europas, die Heath
Bunting und Kayle Brandon in den letzten Jahren
im Selbstversuch vollzogen. BorderXing Guide
versteht sich als Anleitung zum Grenzuebertritt
ohne Papiere. (7)

Der franzoesische Kuenstler Renaud
Auguste-Dormeuil installierte 2005 im Rahmen der
Ausstellung Verstreute Momente der Konzentration.
Urbane und digitale Raeume in der PHOENIX Halle
Dortmund zwei Arbeiten, die aktuelle Technologien
kommentieren, ohne diese jedoch selber
einzusetzen. GPS (2001) befasst sich mit der
Ambivalenz von Lokalisierung und Kontrolle im
Zeitalter der Satellitennavigation. Die zunaechst
rein dekorativ erscheinende, in den Farben gelb,
pink und gruen gehaltene minimalistische
Wandmalerei erweist sich auf den zweiten Blick
als eine Visualisierung der Funktionsweise des
Global Positioning System (GPS). GPS erlaubt
weltweit eine auf wenige Meter genaue Ortung von
Personen oder Objekten. Code International
Sol/Air No. 14 (1999), realisiert als grosses
Blumenbeet, kommuniziert eine geheime Botschaft
(“Brauchen Waffen und Munition") an vorbei
fliegende Helikopter und Flugzeuge.

All diese Arbeiten, die in den letzten Jahren
entstanden sind, zeigen, dass Medienkunst heute
zu einem erweiterten Feld der ’medialen Kuenste'
geworden ist. Sie bedient sich einer ganzen Reihe
von Medien, die bis vor ein paar Jahren im
Medienkunstkontext noch nicht denkbar gewesen
oder rezipiert worden waeren. Language (property)
und das makrolab sind sicherlich durch die Medien
und Technologien, die sie verwenden, am
deutlichsten als Medien- oder Netzkunst
erkennbar. Buntings und Brandons hybrides Projekt
BorderXing Guide verschraenkt (wie uebrigens auch
das makrolab) den realen mit dem virtuellen Raum
und nimmt die sich ab 2000 zunehmend auf
Bewegungen im (sub-)urbanen oeffentlichen Raum
verlagernden Aktivitaeten dieses Teils von
irational vorweg, die sich der physischen
Ueberwindung von Zaeunen und Grenzen widmen (Tour
d'Fence, Public Sculpture Climbing). Cargo Sofia
macht als ’mobiler Theaterraum' diese sich
zunehmend verwebenden virtuellen (medialen) und
realen Raeume der Globalisierung als konkrete
LKW-Routen erfahrbar. Renaud Auguste-Dormeuil
schafft ein Wandbild, das die Funktionsweise des
GPS Systems veranschaulicht und ein mobiles
Blumenbeet, das seine Nachrichten in den Himmel
kommuniziert.

Das, was noch in den 1990er Jahren mit dem
Sammelbegriff Medienkunst bezeichnet wurde,
befreit sich also langsam von dieser
begrifflichen Beschraenkung. Genauer: Die
Medienkunst emanzipiert sich - in einer paradoxen
Bewegung - zunehmend von der Verwendung neuer
Medien/Technologien. Gleichzeitig spricht sie mit
grosser Gelassenheit darueber, wie sich die uns
umgebende Welt, die zunehmend auf digitalen
Technologien basiert, durch eben diese Medien und
Technologien veraendert. Dieser Paradigmenwechsel
ist zu einem grossen Teil dem heute
selbstverstaendlicheren Umgang mit diesen
Medien/Technologien in unserem Alltag geschuldet.
Internet, Telekommunikation, Video, Fotokameras,
die moegliche Konvergenz aller dieser Medien in
eines, naemlich die ’Universalmaschine Computer',
all das ist in den letzten Jahren
selbstverstaendlich geworden.

Das Spezifische der medialen Kuenste unter
postmedialen Bedingungen sind heute nicht die
Medien, sondern ihre spezifische Form der
Zeitgenossenschaft, ihre inhaltliche
Auseinandersetzung mit unserer in starkem Masse
medial und technologisch gepraegten Gegenwart.
Dabei findet diese Auseinandersetzung nicht
unbedingt unter Verwendung dieser neuen
Technologien statt, sondern die Kunst bedient
sich (fast) aller moeglichen Medien und
Techniken. Diese Art von Medienkunst befreit sich
gleichermassen von dem Zwang, sich der neuesten
Technologien zu bedienen. Sie entledigt sich der
konzeptuellen Entlastung durch die Neuheit des
Mediums und stellt sich der Herausforderung des
Kuenstlerischen. Sie wird (endlich) erwachsen.

Die spezifische Art der Zeitgenossenschaft von
Medienkunst ist nicht ihre
ingenieurwissenschaftliche Technikkompetenz, wie
dies Friedrich Kittler und seine Anhaenger - wie
z.B. Stefan Heidenreich - in den 1990er Jahren
fuer die Medienkunst apodiktisch gefordert haben.
Vielmehr sind die oben genannten Kuenstlerinnen
und Kuenstler Erfinder in einem erweiterten
Sinne, eben im Sinne ihrer Zeitgenossenschaft,
der in ihr geaeusserten inhaltlichen
Auseinandersetzung und durchaus auch in ihrer
Teilhabe und Teilnahme an einer Welt, die einen
immer selbstverstaendlicheren Umgang mit Medien
und Technologien pflegt und sich dadurch radikal
veraendert. Es liesse sich gar eine - durchaus
polemische - These aufstellen: Im Kontext der
zeitgenoessischen Kunst sind es gerade die
medialen Kuenste, die sich durch eine genuine
Zeitgenossenschaft - also eine Teilhabe an und
eine interessierte Auseinandersetzung mit der
Gegenwart - auszeichnen. Nirgendwo im Bereich der
zeitgenoessischen Kunst findet sich eine
vergleichbar intensive inhaltliche und
konzeptuelle Auseinandersetzung mit der
wachsenden medialen Verfasstheit unserer Welt.

Voraussetzung fuer eine informierte,
kuenstlerische Verhandlung der heutigen
Medialitaeten unserer Lebensumwelt ist eine
intensive Beschaeftigung mit den, und ein
umfassendes Verstaendnis fuer die Materialitaeten
der Medien und Technologien. Nur auf der Basis
und vor dem Hintergrund einer solchen kritischen
Informiertheit - einer Medienkompetenz, die ueber
reine Bedienertaetigkeit hinausgeht - sind die
medialen Kuenste heute denkbar. Kunst im
Zeitalter ihrer postmedialen Bedingung bedeutet
naemlich nicht anything goes, weil alles sowieso
von den Medien erfasst und alles zum Medium wird.
Es bedeutet vielmehr - analog zur Konzeptkunst -
eine freie Wahl der kuenstlerischen Mittel,
basierend auf der kritischen Analyse der
Materialitaet und der den Medien zugrunde
liegenden “Medialitaeten, Dispositive(n) und
Performanzen, die die medialen Prozesse begleiten
und in sie eingehen." (8) Die Bandbreite der
kuenstlerischen Mittel kann dabei so gross sein
wie in den oben beschriebenen Projekten: von
HTML-Seiten, literarischen Fiktionen ueber
illegale Grenzuebertritte bis hin zu mobilen
Forschungslabors und Blumenbeeten.

Warum, so lautet eine berechtigte Frage, sollte
man heute ueberhaupt noch am Begriff Medienkunst
festhalten? Weil das, was in den medialen
Kuensten verhandelt wird, noch immer nicht
vollstaendig in die zeitgenoessische bildende
Kunst integriert ist. Diese Geringschaetzung von
Seiten der bildenden Kunst hat sich die
Medienkunst zum grossen Teil selbst
zuzuschreiben: Sie hat sich (durchaus zu Recht)
eigene Formate und Institutionen geschaffen - ihr
ist es jedoch nicht gelungen, aus diesem selbst
geschaffenen Ghetto zu entkommen. (9) Das liegt
einerseits an der Fokussierung auf die Technik
und dem oft simplen Interaktivitaetskonzept der
Medienkunst. Der andere, nicht minder wichtige
Grund ist im Format von Medienkunstfestivals zu
suchen. Seit Ende der 1970er Jahre hat sich in
Europa und darueber hinaus eine
Festival-Landschaft etabliert, die fuer die
Zirkulation der neuesten Arbeiten und Themen
sorgt. Es sei unbenommen: Festivals sind wichtige
internationale Treffpunkte und Katalysatoren.
Aber als Format fuer die medialen Kuenste reichen
sie nicht (mehr) aus.

Medienkunstfestivals sind temporaere Formate, die
oft qualitativ nur unzureichende Moeglichkeiten
fuer die Praesentation komplexer Installationen
bieten. In der zeitgenoessischen (Medien-)Kunst
ist jedoch die Qualitaet der Praesentation fuer
die Rezeption des Ganzen mitentscheidend.
Speziell die Praesentation von Medienkunst ist
dabei ein aeusserst komplexes Unterfangen - man
denke nur an die spezifischen Aspekte von Licht,
Ton, Raumsituationen und dem Einsatz aeusserst
heterogener Installationsmaterialien. Oft erlaubt
der Festivalkontext jedoch keine
Beruecksichtigung dieser vielen Einzelaspekte.
Dies fuehrte dazu, dass die Medienkunst, die
sich, chronologisch betrachtet, von zeitbasierten
einkanaligen Videoarbeiten (1960er Jahre) ueber
’Videoskulpturen' (1980er Jahre) zunehmend in
Richtung komplexer, durchaus auch partizipativer
Projekte und Installationen entwickelte, in einem
’Festival-Stadium' gehalten wurde, ueber das sie
nur selten hinauszuwachsen vermochte. Dabei
haette gerade die Wegentwicklung vom Format
’Film' hin zum Format ’Kunst' einer veraenderten,
oft auch praeziseren und durchdachteren
Praesentation bedurft. (10)

Genau diesen Fragen widmet sich der Hartware
MedienKunstVerein seit seiner Gruendung 1996 - in
Ausstellungen, Film- und Videoscreenings, Musik-
und Performanceprogrammen sowie Konferenzen und
Workshops. Und er kann dabei durchaus fuer sich
in Anspruch nehmen, spannende Loesungen
entwickelt zu haben.


Fussnoten

1 Stefan Heidenreich, Es gibt gar keine
Medienkunst! In: Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung, 27.1.2008.
2 Vgl. z.B. die Podiumsdiskussion "Media Art
Undone" auf der transmediale.07, Berlin,
3.2.2007,
http://www.mikro.in-berlin.de/wiki/tiki-index.php?page=MAU
(20.2.2008); Armin Medosch, Technological
Determinism in Media Art, University of Sussex,
October 2005,
http://theoriebild.ung.at//pub/Main/TechnologicalDeterminismInMediaArt/TechnoDeterminismAM.pdf

(19.2.2008).
3 Vgl. Rosalind Krauss: A Voyage on the North
Sea: Art in the Age of the Post-Medium Condition,
London: Thames & Hudson, 2000; Elisabeth Fiedler,
Christa Steinle, Peter Weibel (Hg.): Die
Postmediale Kondition, Graz 2005,
http://www.neuegalerie.at/05/postmediale/konzept.html
(20.2.2008).
4 Vgl. dazu die von Inke Arns und Jacob Lillemose
kuratierte Ausstellung The Wonderful World of
irational.org. Tools, Techniques and Events 1996
- - 2006, HMKV in der PHOENIX Halle Dortmund, 2006,
sowie die Publikation The Hartware Guide to
irational, hg. v. Susanne Ackers, Inke Arns,
Francis Hunger und Jacob Lillemose, Revolver:
Frankfurt am Main 2006.
5 Vgl. Website PACT Zollverein, www.pact-zollverein.de, 27. Juli 2006.
6 Der Hartware MedienKunstVerein (HMKV) setzt
sich seit Anfang 2005 intensiv mit dem
sogenannten “augmented space" (dt. “erweiterter"
oder “verdichteter Raum"). Der von dem russischen
Medientheoretiker Lev Manovich gepraegte Begriff
beschreibt den uns umgebenden Realraum, der
zunehmend mit Informationen angereichert und
durchsetzt ist bzw. von immateriellen
Informationsstroemen durchzogen wird. Vgl.
Verstreute Momente der Konzentration. Urbane und
digitale Raeume, hg.v. Hartware MedienKunstVerein
/ Inke Arns, Revolver: Frankfurt am Main 2005.
7 Vgl. Fussnote 4.
8 Dieter Mersch: Mediale Paradoxa. Zum
Verhaeltnis von Kunst und Medien, in: sic et non.
Zeitschrift fuer Philosophie und Kultur, 2006.
9 Vgl. dazu: Inke Arns, Jacob Lillemose, "It's
contemporary art, stupid": Curating computer
based art out of the ghetto, in: Argos Festival,
hg. v. Anke Buxmann, Frie Depraetere,
argoseditions: Bruessel 2005, English: S.
136-145; Dutch S. 342-353.
10 Die 1984 gegruendete Videonale in Bonn widmet
sich der Entwicklung neuer Praesentationsformate
v.a. von Videokunst. Vgl. www.videonale.de
(20.2.2008).







- --

Dr. Inke Arns
Künstlerische Leiterin / Artistic Director
Hartware MedienKunstVerein
Güntherstrasse 65
D-44143 Dortmund
T ++49 (0) 231 - 823 106
F ++49 (0) 231 - 882 02 40
M ++49 (0) 176 - 430 62 793
inke.arns at hmkv.de
www.inkearns.de
www.hmkv.de

History Will Repeat Itself
Centre for Contemporary Art, Ujazdowski Castle,
Warsaw, a cooperation between HMKV Dortmund and
KW Berlin, 16 Feb - 13 April 2008, www.csw.art.pl

Waves - the Art of the Electromagnetic Society
HMKV at PHOENIX Halle Dortmund, in cooperation
with AEC, Linz, and RIXC, Riga, 10 May - 29 June
2008

Arbeit 2.0 - Urheberrecht und kreatives Schaffen in der digitalen Welt
a cooperation between iRights.info and HMKV, 2007 - 2008, www.irights.info

Public Library 2.0 (as part of Arbeit 2.0)
HMKV at PHOENIX Halle Dortmund, 19 July - 19 October 2008


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