[rohrpost] Ups I did it! Teile und melke: Ars Electronica 2.0
Johannes Auer
auer at kunsttot.de
Mit Sep 10 18:23:58 CEST 2008
Ups I did it! Teile und melke: Ars Electronica 2.0
Wer hat nicht schon alles auf den fetten Wiesen des Web 2.0 gegrast und
verdaut. Wiedergekaeut, gegrast, wiedergekaeut... Und endlich wurde geARSt.
Kuehe, Bauern und viel grasdollargruenes MoosMoosMoos: Das Symposium der
diesjaehrigen ARS Electronica kuratiert von Joichi, dem guten Hirten,
Ito stand ganz im Zeichen der baeuerlichen Erzeugergemeinschaft Web 2.0.
Getaggt wie folgt: Peer=gutgutgut (Economy!), Share=gutgutgut
(Economy!), Open=gutgutgut (Economy!), Partizipation=gutgutgut
(Economy!)... Und waehrend die Kuehe zufrieden Content geben, ruelpst
der Bauer und streichelt seinen schnell fettwerdenden Bauch. Doch
verlassen wir kurz diese arkadische Landschaft 2.0.
Frage: waere es nicht angebrachter auf einer ARS zu Entmischen, zu
Unterscheiden, zu Problematisieren?
Zugespitzt formuliert: Bei Sharing denkt ein Joichi Ito leuchtenden
Auges an ein Geschaeftsmodell, ein Open-Culture-Aktivist blauaeugig an
ein Gesellschaftsmodell. Und machen wir es uns nichts so leicht wie die
ARS: beides ist auf die Dauer wahrscheinlich nicht kompatibel. Auch wenn
sich beide am Urheberrecht reiben, der Juckreiz ist nicht der gleiche.
An dieser Stelle sei ein Gespraech mit einem Referenten in einer Pause
erwaehnt, der auf diese Bedenken antwortete: schon schon, aber es gaebe
doch eine zwangslaeufige Ueberschneidung zwischen Geschaeft und
Allmende. Diese notwendigen Web-Plattformen wuerden doch immenses Geld
kosten!
Jo! Aber... peerpeerpeer... muss das so sein? Ein Flickr, ein YouToube,
ein Web2.0sonstwaswennesdennseinmuss auf intelligenter P2P Basis,
undenkbar? Napster, sagte einer, war einmal eines der groessten Archive,
das die Menschheit je zustande gebracht hat und - um unseren Tierpark zu
erweiten - die ganzen Mulis und Bit-Torros sind auch Google frei
umfaenglich belastbar.
Aber natuerlich ist so keine Blogosphaere schaffbar, grueble ich
gehorsam, waehrend ich verschaemt an eine Mailingliste und ins Usenet
poste. Und gar die Wikiwikipedia? Summend hoffe ich hier, ganz ARS
inspiriert, auf die schwaermerische Intelligenz der Herde und ein wenig
fein Gehacktes und frage mich abschweifend, warum in Deutschland die
Oeffentlichrechtlichen sich kuerzlich bei ihren Internetversuchen ganz
wikiwiki zur Sau haben machen lassen muessen?
Doch waehrend wir uns brav um Commons und Allmende sorgen und an
urheberrechtlichen Knebeln leiden, sind wir Kuehe schon dankbar in
CC-Lassowurf Reichweite der Content-Cowboys.
Slavoy Zizek schreibt in seinem Essay 'Der liberale Kommunist':
"Liberale Kommunisten sind Topmanager, die den Geist des Wettbewerbs
beleben oder, aus umgekehrter Sicht, gegenkulturelle Computergeeks, die
die grossen Konzerne uebernommen haben. (...) Der Signifikant des
liberal-kommunistischen Neusprech heisst 'smart'. Smartsein bedeutet
dynamisch, nomadisch und gegen zentralisierte Buerokratien zu sein; an
Dialog und Zusammenarbeit zu glauben anstelle von zentralisierter
Autoritaet; an Flexibilitaet anstelle von Routine; (...) fuer spontane
Interaktion und Autopoiesis und gegen starre Hierarchien."
[http://cicero.de/97.php?ress_id=9&item=1215]
Fuer "liberale Kommunisten", als Selfmade-Weltretter, gibt es daher auch
keine Ausbeutung oder groessere gesellschaftliche Zusammenhaenge,
sondern nur konkrete Probleme, die man loesen kann. ueberspitzt
formuliert: am besten mit einem Softwaretool und passendem
Geschaeftsmodell, gerne im Web 2.0. Und die Content-Milch dazu liefert
die Cowmunity frei Haus.
An dieser Stelle sei durchaus zugegeben, dass diese viehischen Analogien
hinken wie der Teufel im Weihwasser. Und naivaktivistisch liesse sich
auch fragen, was falsch daran ist, wenn ein W2NullEntrepreneur den Stall
fuer seine Kuehe liebevoll bereitstellt? "Nix natuerlich"!, antwortet
Joseph und Maria ganz weihnachtlich gestimmt. Nur....! Mal abgesehen
davon, dass Ochs und Esel 2.0 ihr Futter selbst und sonstwo besorgen
muessen (und zu diesem Irrsinn der 'new cultural economy' haette man
gerne beim Symposium etwas gehoert, aber null nix nada, nicht das
kleinste Baeuerchen) NUR...! NUR...!:
Es entscheidet der Bauer ganz allein, ob und wann der Stall abgerissen,
wann die Kuh geschlachtet wird.
Muh? Uuuuuuuh!!!
// Schoene Gruesse aus Linz
// Johannes
--
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