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Mon Nov 23 14:04:50 CET 2009


Directors Lounge Screenings:


"Die Gegenwart ist nicht die Wirklichkeit"
Heiko Daxl und Ingeborg Fülepp

Single Channel Video Works

Donnerstag, 26. Nov. 2009
21:00
Z-Bar
Bergstraße 2
10115 Berlin-Mitte

Heiko Daxl und Ingeborg Fülepp
"Die Gegenwart ist nicht die Wirklichkeit"

Das Kino - der Zug - das Reisen - das Wissen - 
die Erinnerung - die Wahrnehmung, dies sind 
Begriffe aus den Beschreibungen von Heiko Daxls 
und Ingeborg Fülepps Videofilmen. 
Zusammengenommen könnte man sagen: es geht um das 
Sehen. Wie veränderte sich das Sehen seit der 
Erfindung des Kinos und der später folgenden 
digitalen Bildermaschinen? Nicht ohne Grund steht 
der Film “Le Cinema - le Train" am Beginn des 
Programms, wo die Analogie der von Victor Hugo 
beschriebenen Fensterblicke aus dem fahrenden Zug 
mit den Filmbildern unternommen wird: “Die Blumen 
am Feldrain sind keine Blumen mehr, sondern 
Farbflecken, oder vielmehr rote oder weiße 
Streifen; es gibt keinen Punkt mehr, alles wird 
Streifen; die Getreidefelder werden zu langen 
gelben Strähnen; die Kleefelder erscheinen wie 
lange grüne Zöpfe;"

In der Weise wie die beiden Künstler ihre 
“Bildmaschinen" auch mit Texten füttern, wird 
deutlich, dass sie das Sehen ernst nehmen: damit 
verbunden sind Ansichten, Anschauungen, 
Standpunkte und Sichtweisen - durchaus in dieser 
Mehrzahl. So wie Flusser geschrieben hat, dass 
die Kamera nur unideologische Denkweisen zulässt, 
da sie sich nicht auf einen ausschließlichen 
“richtigen" Standpunkt einschränken lässt, so 
experimentieren die Künstler Daxl und Fülepp mit 
immer wieder neuen Sichtweisen, die sich nicht 
auf Kamerabilder als Quelle einschränken, sondern 
bis ins Abstrakte, ins Compositing und in die 
generierten Bildwelten vordringen. Die Bilder 
speisen sich aus Reisen, Zitaten und 
Beobachtungen, und sie werden im weiteren Prozess 
stark bearbeitet. Wenn dabei Simulakren 
entstehen, simulierte Welten, so geschieht dies 
durchaus auch mit kritischer, zum Teil ironischer 
Distanzierung. Es gibt also noch etwas anderes 
hinter den Bildern, etwas was vielleicht verloren 
gegangen ist, oder, was erst noch erreicht werden 
müsste, was sich aber nicht zeigen lässt. Dabei 
bleiben wir mit Heiko und Ingeborg jedoch ganz 
diesseitig: um es in Abwandlung von Wittgenstein 
zu sagen, was sich nicht zeigen lässt, davon soll 
man sich auch kein Bild machen.

Und so überlassen die beiden Künstler die 
Zuschauer in der Ambivalenz zwischen 
faszinierenden Bilderwelten und ironischer 
Distanz, und damit in deren eigener Entscheidung, 
welche Sichtweise auf die Wirklichkeit (oder auf 
welche Wirklichkeiten) sie aus den Filmen 
mitnehmen.

Hinzufügen wäre noch, dass beide, Ingeborg und 
Heiko mit ihren Videoarbeiten meistens die 
Zusammenarbeit mit Musikern und Komponisten aus 
der Richtung Noise oder Neue Musik anstreben, und 
diese Arbeiten auch als Kooperationen zwischen 
Bild- und Soundkünstlern ernstnehmen.
(Klaus W. Eisenlohr)

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