[rohrpost] Newsletter: Kein Künstlergespräch Ben-Ner - statt dessen Filmscreening

Edith-Russ-Haus Info at edith-russ-haus.de
Don Jan 14 11:49:41 CET 2010


Wir möchten Sie auf folgendes aufmerksam machen:


Das Künstlergespräch mit Guy Ben-Ner, heute Donnerstag, den 14. Januar,
um 20 Uhr, muss leider entfallen.

Wir bieten Ihnen statt dessen ein Filmscreening der Werke Household
(2001), Wild Boy (2004) und Treehouse Kit (2005), die in der Ausstellung
nicht zu sehen sind, ebenfalls um 20 Uhr im Seminarraum des
Edith-Ruß-Hauses für Medienkunst.


Zum Glück hat Guy Ben-Ner anders als im Titelmotiv der Ausstellung
keine Bruchlandung gehabt, aber wir mussten unsere eigenen "Flying
Lessons" lernen, weil der Künstler seinen Flug verpasst hat und somit
nicht mehr rechtzeitig zum Termin des Künstlergesprächs in Oldenburg
eintreffen kann. Daher können wir Ihnen leider kein Gespräch mit Guy
Ben-Ner über sein Werk anbieten, werden aber ersatzweise die Filme
vorführen, die in der Ausstellung selbst nicht zu sehen sind und über
die der Künstler heute Abend auch gesprochen hätte. Das
wissenschaftliche Team des Edith-Ruß-Hauses für Medienkunst wird dazu
noch einmal in das Werk Ben-Ners einführen und steht für Rückfragen und
Gespräche zur Verfügung.


Household (2001) ist Ben-Ners Adaption des Films Ein zum Tode
Verurteilter ist entkommen (Un condamné à mort s´est échappé)von Robert
Bresson (1956). Dessen Geschichte eines Gefangenen, der auf spektakuläre
Weise aus den Fängen der Nationalsozialisten flieht, verlegt Ben-Ner
allerdings in die absurde Situation, dass er unter dem Gitterbett,
seines Sohnes gefangen ist und mit einer Reihe absurder Werkzeuge und
Handlungen seine Befreiung organisiert.

Wild Boy (2004) bezieht sich ebenfalls auf einen Film als Vorlage. Hier
setzt Ben-Ner Francois Truffauts Der Wolfsjunge (L´enfant sauvage) um,
das in der Wildnis aufgewachsene Kind wird dabei von seinem Sohn Amir
gespielt, die Rolle des Arztes Jean Itard übernimmt Ben-Ner. Er greift
damit auch die reale private Situation auf, in der er sich zu dieser
Zeit zu Hause um die Erziehung seines Sohnes kümmern musste. Als
Adaption von Truffauts Film beinhaltet Wild Boy karikierende Elemente.
Es ist dennoch insgesamt eine bedrückende Studie über elterliche Macht
und die Sozialisation eines Kindes.

Treehouse Kit (2005) war Ben-Ners Werk als Vertreter Israels auf der
Biennale von Venedig 2005. Neben der Installation eines Baumes aus
Möbelteilen lief der Film, in dem Ben-Ner als Gestrandeter den
praktischen Gebrauch seiner Skulptur zeigt. So entsteht aus dem Baum
nach und nach ein komplettes Zimmer mit Bett, Stuhl, Tisch und
Sonnenschirm, aus denen die Skulptur im künstlerischen Prozess
ursprünglich einmal entstanden ist. Der Künstler bleibt in der
Isolation, in der er gestrandet ist, hat sie sich aber wohnlich
zivilisiert.


Alle drei Filme zeigen noch einmal sehr pointiert Ben-Ners humorvollen,
ironischen, aber auch sehr gesellschaftskritischen Ansatz und stellen
eine gute Ergänzung zu den Werken dar, die in der Ausstellung zu sehen
sind. Zu den Hintergründen, Intentionen und Auswirkungen der Arbeiten
Ben-Ners können wir hoffentlich annähernd ähnlich profunde Auskünfte
geben wie der Künstler selbst und würden uns freuen, Sie heute Abend im
Edith-Ruß-Haus begrüßen zu dürfen.