[rohrpost] UNO-Intervention in Japan?
Krystian Woznicki
kw at berlinergazette.de
Don Mar 31 11:58:00 CEST 2011
Hallo rohrpostler,
ich habe soeben, auch im Nachgang des ganzen Feedbacks über diese Liste,
eine Aktualisierung meines Berliner Gazette-Texts zur Frage
"UNO-Intervention in Japan?" vorgenommen.
http://berlinergazette.de/schicksalsgemeinschaft-japan-weltgemeinschaft-nukleare-katastrophe/
Wir diskutieren in der Kommentarebene, wer auf Diskussion und die
zahlreichen Links im Text verzichten kann, möge untenstehend den Update
lesen.
Viele Grüße,
Krystian
In aktuellen Medienberichten entsteht der Eindruck: die Weltgemeinschaft
ist bereits umfassend an der Katastrophenhilfe in Japan beteiligt. So
meldet beispielsweise die Japan Times: „World pitches in to offer
support“. Regierungen aus 134 Ländern haben Hilfe angeboten, 39
internationale Organisationen beteiligen sich bereits. Die Süddeutsche
Zeitung berichtet wiederum von der vorbildlichen Kooperation zwischen
den Armeen Japans und der USA sowie der aktiven Beteiligung von 34
Ländern. Ein behutsamer Blick auf die vom Außenministerium Japans zur
Verfügung gestellte Karte der internationalen Beteiligung offenbart:
Fast alle sind nördlich von Fukushima aktiv und in erster Linie mit den
Bergungsarbeiten der Erdbeben- und Tsunami-Opfer beschäftigt. In
Fukushima selbst sind nur einige Mitarbeiter der IAEA sowie Mitarbeiter
der US-amerikanischen Nuclear Regulation Commission sowie des U.S.
Department of Energy vor Ort.
Das Engagement der Weltgemeinschaft konzentriert sich bei der
Dreifach-Katastrophe vom 11.3.2011ff offenbar nicht in erster Linie auf
den Super-GAU in Fukushima. Obgleich die Bergungsarbeiten durchaus dazu
beitragen, die Nuklearkatastrophe einzudämmen (letztlich ist man im
erweiterten Evakuierungsgebiet tätig), bleiben viele Fragen, mit Blick
auf Süden, genauer gesagt, Tokio, offen und von den bisherigen
Anstrengungen der internationalen Zusammenarbeit weitgehend unbeachtet.
Während sich eine Mehrheit des Landes gegen das Krisenmanagement der
Regierung ausgesprochen hat und in Tokio die Angst umgeht, kritisiert
die UNO die kontinuierlich verwirrende Informationspolitik. Die Berliner
Zeitung bringt heute auf der Titelseite den Aufmacher: „UN verzweifeln
an Japans Atomchaos“. Der Leiter der UN-Umweltbehörde wird mit den
Worten zitiert: „Was im Augenblick für viele am schwersten
nachzuvollziehen ist, ist die Frage, wieso Information, deutliche,
klare, präzise Information, so schwierig zu bekommen ist“.
Mit Blick auf die Risikoabwägung für Kernkraftwerke beschwert sich der
Umwelt-Chef der UNO ferner, „man müsse sich im Nachhinein fragen, warum
man bei den Szenarien eine Folge von Erdbeben und Tsunami nicht
vorausgesehen habe“. Wer hat hier versagt? Sicherlich muss sich die UNO
auch selbst an die Nase fassen. Immerhin ist sie als Partner am
Notfallplan der Weltgemeinschaft, dem so genannten „Joint Radiation
Emergency Management Plan of the International Organizations” beteiligt,
neben zahlreichen anderen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren.
Vor diesem Hintergrund muss sich die UNO vorwerfen lassen, die
Verantwortung in Fukushima nicht schneller, bedingungsloser übernommen
zu haben.
Das Bild der Weltgemeinschaft in Zeiten des Super-GAUs erscheint sogar
noch widersprüchlicher, wenn man die Handelsbeschränkungen der
Welthandelsorganisation (WTO) als Folge des Atomunfalls in Betracht
zieht. Australien, Singapur oder Hongkong haben Importbeschränkungen für
Agrarprodukte aus dem Nordosten Japans verhängt. Andere – darunter
Deutschland – haben die Kontrollen bei Einfuhren verschärft. Die
Regierung Japans warnt vor Überreaktionen und verweist darauf, alle
notwendigen Sicherheitsvorkehrungen bei der Ausfuhr unternommen zu
haben. Vor zwei Tagen hat sie der WTO vorgesprochen. Es bleibt
abzuwarten, was daraus folgt.