[rohrpost] Tele-gen Rezension
Tilman Baumgärtel
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Don Okt 22 12:44:52 CEST 2015
http://taz.de/Tele-Gen-Ausstellung-in-Bonn/!5243877/
Exemplarische Fernsehzuschauer
Die Ausstellung “Tele-Gen” im Kunstmuseum Bonn handelt vom Verhältnis
der Kunst zum Fernsehen
Von Tilman Baumgärtel
Ganz nebenbei ist „Tele-Gen“ auch ein veritables Museum der Geschichte
des Fernsehmonitors. Gegenstand der Ausstellung im Kunstmuseum Bonn ist
eigentlich das Verhältnis von Kunst und Fernsehen seit den 60er Jahren.
Und Teil dieser Geschichte ist eben auch die gestalterische Entwicklung
des Empfangsapparats. Erst wohnzimmerbeherrschender Klotz in den 50er
und 60er Jahren, wie das vollgenagelte Exemplar vom Günther Uecker. Dann
slickes Designobjekt in den 70er Jahren – wie das elegant geschwungenen
Gerät in einer Retro-Rauminstallation von Tobias Rehberger. Klobige
Möchtegern-Kinoleinwand der 90er Jahre in einer Arbeit von Simon Denny.
Und schließlich der fast immaterielle Flachbildmonitor der Gegenwart,
auf welchem Robert Sakrowskis Video-Kompilation „CuratingYouTube“ zu
sehen ist.
An den verschiedenen Formen, den der Fernsehapparat im Laufe der
TV-Geschichte angenommen hat, kann man wiederum die gesellschaftliche
Bedeutung und die Nutzungsweise des Fernsehens ablesen: vom
Lagerfeuer-artigen Versammlungsort der ganzen Familie zum
Nebenbei-Medium und digitalen Stream unserer Tage. Die Reflexion dieser
Entwicklung in der Kunst will die Ausstellung „Tele-Gen“ im Bonner
Kunstmuseum darstellen, was ihr allerdings nur teilweise gelingt.
Den selbstgesetzten Anspruch, auch die „Auflösungserscheinungen des
ehemals so monolithischen Mediums Fernsehen im Zeitalter der
Digitalisierung, Hybridisierung und Medienkonvergenz“ darzustellen,
erfüllt „Tele-Gen“ nicht – lediglich die YouTube-Collage von Robert
Sakrowski stellt eine Verbindung zum Online-Video der Gegenwart her.
Ansonsten leben auch neuere Arbeiten wie Christian Jankowskis „Discourse
News“ (2012), Stefan Hurtigs „Challenge“ (2014) oder Caroline Hakes
Fotos von leeren Fernsehstudios (1998 - 2002) von genau der ikonischen
Breitenwirkung, die die Glotze nach Darstellung der Kuratoren Dieter
Daniels und Stefan Berg im Zeitalter des „Neo-Fernsehens“ (Umberto Eco)
angeblich verloren hat.
Doch bevor die Ausstellung sich der Gegenwart widmet, kehrt sie im
ersten Saal erst mal zu der Urszenen der Medienkunstgeschichte zurück:
Nam Jun Paiks „Exposition of Music. Electronic Television“, bei der 1963
in der Wuppertaler Galerie Parnass präparierte Fernsehgeräte zu sehen
waren. Die Ausstellung wird oft als Beginn der Videokunst dargestellt.
Aber tatsächlich ging es Paik, Wolf Vostell und anderen Künstlern, die
Mitte der 60er Jahre vergleichbare Arbeiten schufen, von Anfang an um
das Fernsehen, dessen soziopolitische Bedeutung zu dieser Zeit
allmählich klar wurde. Tatsächlich haben Paik und andere Künstler
beträchtliche Energie darauf verwendet, wirklich ins Fernsehen zu
kommen, was ihnen freilich nur selten gelang.
Die Geschichte des Fernsehens, das von Künstlern wie Paik, Andy Warhol
oder Douglas Davis gemacht wurde, erzählt die Bonner Ausstellung nicht.
Zu sehen sind nur wenige Beispiele dafür, wie Künstler das Fernsehen für
ihre Kunst genutzt haben, etwa eine Aufführung von „Water Music“ durch
John Cage in einer amerikanischen Rate-Show. Das Documenta-Projekt Van
Gogh TV – wohl der extensivste Versuch eines genuinen Kunstfernsehens –
ist in ein Hinterzimmer relegiert worden. Lediglich Christoph
Schlingensiefs Krawallshow „Talk 2000“ nimmt breiten Raum ein, und
erinnert daran, wie der Filmemacher und Aktionskünstler Opfer genau der
Mechanismen wurde, die er eigentlich persiflieren wollte.
Auch im Katalog werden die Versuche von Künstlern, tatsächlich Fernsehen
zu machen, mit verdächtiger Eile abgetan als durch Youtube und Web 2.0
obsolet geworden. Das befremdet ebenso wie die Behauptung von Ko-Kurator
Dieter Daniels in seinem Ausstellungsessay, dass Fernseh-Interventionen,
wie die von Künstlern wie Peter Weibel, Valie Export, Chris Burden oder
Jan Dibbets (der Aufnahmen eines brennenden Kaminfeuern unkommentiert
auf WDR 3 zeigen ließ) aus den 70er und 80er Jahren, im heutigen
Fernsehprogramm niemandem mehr auffallen würden.
Nachdem man Künstler als Gestalter von Fernsehinhalten in die
Mottenkiste der Mediengeschichte verabschiedet hat, bleibt der “Künstler
als exemplarischer Zuschauer” (Daniels). Vor den Bildschirm verbannt,
besteht seine Auseinandersetzung mit dem Fernsehen aus der Arbeit mit
TV-Inhalten. Und hier bietet die Ausstellung wenig bekannte und selten
gezeigte Arbeiten auf, die „Tele-Gen“ dann doch sehenswert und anregend
machen.
Selten zu sehen ist etwa der Found-Footage-Film „Ein Tag im Leben der
Endverbraucher“ von Harun Farocki, der aus Werbeclips einen Tagesablauf
zusammen schnipselt. Die Plexiglaslinsen von Schweizers Kurt Gerstner,
mit denen man das Fernsehbild verzerren kann, sind bisher ebenso wenig
Teil des Kanons wie die Maske für den Fernsehbildschirm des
rumänisch-französischen Situationisten Isidore Isou, den man eigentlich
als radikal-experimentellen Dichter und Filmemacher kennt. Auch die
malerische Auseinandersetzung mit der Leuchtpunkt-Ästhetik des
Fernsehbildes durch den Informel-Maler K. O. Götz – die wiederum eine
wichtige Inspiration für Nam Jun Paik war – ist bislang wenig bekannt.
„Tele-Gen” bis zum 17. Januar im Kunstmuseum Bonn, danach im Kunstmuseum
Liechtenstein
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NEUES BUCH:
Schleifen. Zur Geschichte und Ästhetik des Loops, Kulturverlag Kadmos 2015, 24 Euro 90
http://loopsbuch.org/
“Eine Art Grundlagenwerk”
taz - die tageszeitung
“Inspirierend”
Groove
“Lesenswert”
Thump/Vice
"Ein immerhin äußerst informatives und lesenswertes Buch über einen tatsächlich bis dato kaum beachteten (oder angesichts von moderner Sample-Technologie zu selbstverständlich genommenen) Eckpfeilers moderner Musikkultur."
Der Freitag
“Though books have been written about the foundations of electronic music, this is the first to focus solely on loops. What’s surprising is that the history of this elemental structure has been so long overlooked.”
National Public Radio (NPR) Berlin
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