[rohrpost] Symposion paraflows .XI - Id/entity / Entwürfe - Erzählungen - Perspektiven
Günther Friesinger
guenther.friesinger at univie.ac.at
Mi Sep 14 16:26:58 CEST 2016
Symposion Id/entity: Entwürfe - Erzählungen - Perspektiven
Datum: 16.-18. September 2016
jeweils 15 - 18:00 Uhr
Salon im Alten Rathaus
Wipplingerstraße 6-8, 1010 Wien,
Auf Basis sich verbreiternder Informationsmaterialien und damit auch
vielfältigen Angeboten zur Arbeit am Ich wird die Frage nach dem Bauplan
des modernen Subjekts neu reflektiert. Insbesondere Aspekte der
Normierung sowie des Verhältnisses unseres Ichs zum Netz und damit
verbundene Machtstrukturen finden sich in der Auseinandersetzung. Als
Quelle von Sinn und Erfahrung (Castells) grenzt Identität immer auch an
Prozesse der Sinnkonstruktion, der Identifikation, an persönliche oder
soziale Ziele und kulturelle Attribute. Die Baumaterialien unserer
Identitäten sind vielfältig: Religion, Biologie, Klasse, Rasse,
Geschlecht, Kollektive, Phantasie, Kultur sowie Zeit sind nur einige der
Quellen, auf die wir bei der Konstruktion unseres Ichs zurückgreifen.
Durch mediale Prozesse und Simulationen stellt sich zunehmend die Frage
nach der Verarbeitung und Präsentation unserer Identitäten, die in Bezug
auf Selbstdarstellung und soziale Rollen im Einklang, Widerspruch oder
Konflikt stehen können.
Dennoch stellen wir uns Identität als jene Form vor, die nach außen
abgeschlossen und stabil ist und nach innen über ein Bewusstsein von
sich selbst verfügt, das keine allzu großen Widersprüche aushalten muss.
Inwieweit aber stellen uns aktuelle gesellschaftliche und mediale
Strukturen vor die Herausforderung, diese Widersprüche zu integrieren?
Identität ist auch Selbstbeherrschung: Das mit sich selbst identische
Subjekt ist der „Staat im Staat in der ersten Person“, wie es in einem
frühen Song der Gruppe Blumfeld heißt. Juristische Identität ist der
Ausgangspunkt für den freien Willen, für die autonome Person und die
individuelle Freiheit. Im Namen jener Entität, die wir in der Identität
geworden sind, kommunizieren und verhandeln wir miteinander. Vor allem
aber ist Identität Arbeit an sich selbst, über performative Akte oder
ökonomische und kapitalistische Anrufungen. So verwalten und verwerten
wir uns und werden dadurch auch berechenbar: nicht nur da, wo uns
Identitätswaren im Sinne der Gruppenzugehörigkeit oder eines Lebensstils
angeboten werden.
ENTWÜRFE | Freitrag, 16.09.16
Moderation: Thomas Ballhausen
Erweiterte technische Möglichkeiten erlauben die Befragung,
Rekonfiguration oder auch Auflösung traditioneller Identitätsentwürfe.
Die sich daraus ergebenden Effekte reichen in ihrer Bandbreite von
Entgrenzung und Rückbesinnung hin zur Aktualisierung von
Konservativismen. Verbindendes Element scheint aber zu sein, sich nicht
außerhalb eines gesamtgesellschaftlichen oder systemischen Kontextes
bewegen und situieren zu können: das Fremde und Eigene wird damit
ständig mitreflektiert. Mit Blick auf das Kunstwerk bzw. Design-Prozesse
lassen sich die Veränderungen von einstmals stabilen Differenzierungen
(beispielsweise Genres) und der zuschreibenden Disziplinen bzw. deren
Strategien (beispielsweise durch die Ablösung linearer Entwürfe)
nachvollziehen. User-generiert und netzwerkartig ist nicht nur die
Struktur des Identitätsaufbaus, sondern auch die Form des damit
zusammenhängenden sozialen Wandels. Die Ausbildung neuer Identitäten,
nicht zuletzt mit den Mitteln der Kunst bzw. der künstlerischen
Forschung, entsteht dabei durchaus auch in Absetzbewegungen von
legitimierten (bzw. antizipierten) Formen der Auseinandersetzung und
Konfrontation.
14:00 | Kickoff und Buchpräsentation
Intimacy: Plug-in - Exploit - Care & Digital Migration: Konstruktionen -
Strategien - Bewegungen
15:00 | Katharina Müller
Smart Home. Migrantische Mediennutzung und Social Design
16:00 | Elina Mikkilä
Das Fremde im Eigenen
17:00 | Hannah Bruckmüller
Press and Release. Im Journal mit Marcel Broodthaers
ERZÄHLUNGEN | Samstag, 17.09.16
Moderation: Günther Friesinger
Erzählen kann hier als gesamtgesellschaftlich wirksamer Wunsch, ja,
mitunter als ein breitenwirksamer Imperativ verstanden werden, der bis
in die Bereiche von Überwachung oder Normierung reicht. Die
Stiftungsmacht der Fiktion, die mitunter auch das Fundament des
(vermeintlich) Dokumentarischen abgibt, entfaltet dabei eine
ebenüberschreitende Wirkung. Die technologisch gestützte Selbsterzählung
ist, was nicht unterschlagen werden darf, in Begleitung eines
kontrollierenden Paralleldiskurses zu denken. So verwalten und verwerten
wir uns und werden dadurch auch berechenbar: nicht nur da, wo uns
Identitätswaren im Sinne der Gruppenzugehörigkeit oder eines Lebensstils
angeboten werden. Die Bemühungen, Informationsflüsse zu kontrollieren,
machen dabei vor territorialen Grenzziehungen nicht halt. Umso weniger
grenzerweiternd zeigt sich die Frage nach dem (Nicht-)Handeln Europas
angesichts der Flüchtlingskrise bzw. der Frage der europäischen
Identität im Spannungsverhältnis zu nationalen Identitätsentwürfen und
der befürchteten Bedrohung klassisch europäischer Werte.
15:00 | Christoph Hubatschke
Fluchtmaschinen: "Minoritäre Technologien" zwischen Grenzzäunen und Big
Data
16:00 | Erwin Schmitzberger
Digital Storytelling - Biografie, Identität und Selbstdarstellung
17:00 | Ulla Wester
Streaming Egos - digitale Identitäten. Perspektiven aus Belgien,
Deutschland, Frankreich, Italien, Portugal und Spanien
PERSPEKTIVEN | Sonntag, 18.09.16
Moderation: Clara Gallistl
Unsere Identitäten sind an gesellschaftliche Vorstellungen, kollektive
Zuschreibungen, Klischees und nicht selten auch Zwänge gebunden. Die
Individualisierungsgesellschaft verlangt dem Ich im 21. Jahrhundert hier
eine Positionierung ab: Diszipliniertes Updaten unseres „Status“ in
sozialen Netzwerken und transparente Identitätsdarstellung sind heute
Teil jener Handlungsmuster, die mit Hilfe von selbstgewählten „Filter
Bubbles“, „Neo-Tribes“ und anderer, automatisierter Algorithmen auch die
Konstruktion unserer Identitäten bestimmen. Gibt es also zu den
Wunschbildern und - Aktivitäten, die unser Ego im 21. Jahrhundert
umrahmen und mitbestimmen, überhaupt echte Alternativen? Wie hacken sich
digitale Technologien und damit verbundene Parameter in die
Rekonstruktion anti-normativer Identitäten und welche Rolle spielt die
Kommunikation in welchen Medien? Der dritte Tag des paraflows.xi widmet
sich alternativen Konstruktionen von kollektiver oder individueller
Identität, den verschiedenen Modi der Identitätsbildung mit Blick auf
den Faktor des Digitalen und der Frage, wie die Auseinandersetzung mit
den Bauplänen unseres Subjekts eigenmächtiger geführt werden könnte.
15:00 | Sarah Held
Das Schaf im Wolfspelz - Tätowierungen als Mittel Identifikation und
Identitätsbildung
16:00 | Sina Muscarina
Polyamorie. Mehr als Eine Liebe.
17:00 | Alessio Chierico
The Representation of Self in Digital Life: Digital ontology for digital
identity
Weitere Infos unter: http://paraflows.at/index.php?id=647
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